Sulfonylharnstoff

In Kombination mit Insulin gibt es Risiken

In Kombination mit Insulin sind Sulfonylharnstoffe nach einer dänischen Kohortenstudie möglicherweise riskanter als Metformin. Vor allem bei Diabetikern mit Herz- oder Nierenleiden.

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KOPENHAGEN. Metformin gilt als First-line-Therapeutikum zur Glukosesenkung bei Typ-2-Diabetes und wird als solches in den aktuellen Leitlinien empfohlen.

Allerdings ist die Substanz bei Patienten mit bestimmten Komorbiditäten, vor allem Herzinsuffizienz oder Nierenerkrankungen, kontraindiziert und wird bisweilen auch schlecht vertragen.

Als Alternative greifen daher viele Praktiker zu den seit Langem etablierten Sulfonylharnstoffen (SH). Diese werden, obwohl nicht empfohlen, auch oft in Kombination mit Insulin verschrieben.

Wie sicher diese Strategie ist, wird in letzter Zeit verstärkt debattiert. Bereits mehrere Studien haben die Einnahme von SH mit einem erhöhten Risiko - vor allem aufgrund vermehrter Hypoglykämien - in Zusammenhang gebracht.

Die Forscher um Dr. Ulrik M. Mogensen von der Universität Kopenhagen haben nun zwei Kombinationsstrategien verglichen: Insulin plus SH oder plus Metformin (Diabetologia 2015; 58: 50-58).

Sterberaten um bis zu das Fünffache erhöht

25.404 Patienten mit Typ-2-Diabetes waren an der retrospektiven Kohortenstudie beteiligt. Dabei erhielten 11.081 die Kombination mit SH, 16.910 diejenige mit Metformin (einige Patienten hatten im Laufe der Studie die Medikation gewechselt).

Nach durchschnittlich 92 Tagen unter SH-Therapie waren 7,0 Prozent der Patienten gestorben.

30 Prozent hatten die Therapie nach weniger als zwei Monaten unterbrochen und waren auf eine andere Strategie, hauptsächlich Insulinmonotherapie (68 Prozent), umgestiegen.

In der Metformingruppe lag die Gesamtmortalitätsrate nach einer Einnahmedauer von durchschnittlich 465 Tagen bei 4,6 Prozent.

Dabei hatte die Zahl der Patienten mit der Kombination im Studienzeitraum zugenommen.

Bezogen auf Personenjahre waren die Gesamtsterberaten unter der SH-Kombination um das Drei- bis Fünffache gegenüber der Metformingruppe erhöht (76 -126 gegenüber 23 Ereignisse pro 1000 Personenjahre).

Auch kardiovaskuläre Todesfälle für sich genommen hatte es unter SH relativ gesehen häufiger gegeben.

Die Forscher hatten den Einfluss verschiedenster Faktoren herausgerechnet; so hatten weder Alter noch Geschlecht, Einkommen, Charlson-Score oder die begleitende Einnahme von Herz-Kreislauf-Medikamenten die Ergebnisse verfälscht.

Auch eine etwa vorangegangene Monotherapie mit entweder SH, Metformin oder Insulin hatten die Forscher in ihren adjustierten Analysen berücksichtigt; das Resultat blieb jeweils nahezu unverändert.

Grund für schlechtere Prognose unbekannt

Wie Mogensen und Kollegen berichten, gab es unter den einzelnen Sulfonylharnstoffen, jeweils in Kombination mit Insulin, keine signifikanten Unterschiede, weder in puncto Gesamtmortalität noch im Hinblick auf das kardiovaskuläre Sterberisiko allein.

Hypoglykämien hatten die Forscher getrennt betrachtet: Insgesamt 3,5 Prozent aller Teilnehmer waren deswegen hospitalisiert worden, 17 Prozent von ihnen sogar mehrfach.

Auch hier waren die mit SH behandelten Patienten im Nachteil mit einer relativen Ereignisrate (RR) von 2,06 gegenüber der Metformingruppe.

Dabei waren sowohl Gesamtmortalität als auch kardiovaskuläre Sterblichkeit besonders hoch, wenn Hypoglykämien bereits vor Studienbeginn aufgetreten waren.

Der Grund für die schlechtere Prognose unter Sulfonylharnstoffen ist nach wie vor unbekannt, schreiben Mogensen et al.

Möglicherweise spiele die stärker ausgeprägte Gewichtszunahme eine Rolle oder auch die hemmende Wirkung auf protektive Mechanismen am Herzmuskel im Falle einer Ischämie (ischaemic preconditioning).

Hypoglykämien wurden zwar mehrfach für die erhöhte Mortalität verantwortlich gemacht; aber auch dies ist keinesfalls gesichert.

Nach Mogensen et al. könnten sie auch einfach nur ein Marker für ein erhöhtes Sterberisiko sein.Aufgrund ihres retrospektiven Designs ist die vorliegende Studie jedenfalls nicht geeignet, solche kausalen Zusammenhänge zu klären.

Eine Schwäche besteht außerdem darin, dass die Patientenkollektive nur bedingt vergleichbar waren. So hatte man Metformin indikationsgemäß Patienten mit Herz- oder Niereninsuffizienz vorenthalten, um Laktatazidosen zu vermeiden.

Dies könnte sehr wohl einen Bias erzeugt haben, der die Unterschiede möglicherweise mit bedingt hat. (eo)

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