Indonesier kurieren Rheuma auf Zugschienen

JAKARTA (dpa). In Indonesien versuchen Menschen, Rheuma oder Rückenschmerzen durch Stromschläge aus Bahngleisen loszuwerden. Jeden Morgen und Abend liegen Dutzende Menschen auf den Bahngleisen der indonesischen Hauptstadt Jakarta.

Veröffentlicht:

Doch diese leidgeplagten Kranken sind keineswegs lebensmüde, sondern suchen Heilung von Rheumatismus und Rückenschmerzen durch den Strom, der in den Schienen fließt. Mit ihren Köpfen und Füßen schließen sie den Stromkreis. Die "Eisenbahntherapie" beginnt.

Im Stadtteil Rawa Buaya sieht man Männer und Frauen, Jung und Alt, ihre Körper auf den Schienen ausgestreckt. Sie sind vom heilenden Effekt überzeugt.

"Eisenbahntherapie"auch gegen erhöhtes Cholesterin

"Ich litt unter Rheumatismus und hohen Cholesterinwerten, aber Gott sei Dank bin ich nun geheilt", sagt der 45 Jahre alte Mechaniker Rusdi Subhan. Zum Beweis krempelt er seine Hose auf und zeigt seine vormals wunden Beine. "Ich hatte viele Schmerzen, aber jetzt kann ich wieder schlafen".

Auch Sita Aminah lobt die wundersame Wirkung der gefährlichen Kur. "Meine Rückenschmerzen sind viel besser" sagt die 50-Jährige.

Seit fünf Monaten behandelt sie so ihren Rücken. Angst, vom Zug überfahren zu werden, hat sie keine: Sie kenne ja den Fahrplan.

Die "Therapie"beruht auf einem Mythos

Der Trend zu der ungewöhnlichen Therapie begann nach Erzählungen damit, dass ein gelähmter Mann, der sich vor den Zug werfen wollte, plötzlich wieder laufen konnte, als sich der Zug näherte.

Nach Angaben von Lily Sulistyowati vom Gesundheitsministerium in Jakarta gibt es allerdings keinen Beweis, dass die "Stromkur" wirklich funktioniert. In der indonesischen Gesellschaft "glauben die Menschen an Gerüchte und probieren gerne neue Dinge aus" anstatt Gemeindekliniken aufzusuchen, sagt die Beamtin.

Von Indonesiens 230 Millionen Einwohnern lebt nach Schätzungen der Weltbank etwa die Hälfte von weniger als zwei Dollar am Tag. Doch medizinische Behandlungen und Medikamente sind teuer.

Etwa 50 Prozent der Bevölkerung haben keine Krankenversicherung und von staatlichen Fördergeldern profitieren vor allem Reiche.

Arme suchen Hilfe in Alternativmedizin oder bei Schamanen

Viele Arme suchen daher Hilfe in der Alternativmedizin oder bei Schamanen. Im Jahr 2009 wendeten sich Tausende an Muhammad Ponari.

Der neunjährige Junge war vom Blitz getroffen worden und - so hieß es - im Besitz eines Steines mit magischen Heilkräften. Drei Menschen starben bei einer Massenpanik in der Warteschlange vor dem Haus des kleinen "Wunderheilers".

Das Eisenbahnphänomen ist symptomatisch für den Zustand des indonesischen Gesundheitssystems, sagt der Aktivist Azas Tigor Nainggolan. "Wer arm ist, wird nicht ernst genommen. Oft müssen Patienten zuerst bezahlen, um in Notfällen behandelt zu werden."

Bevor sie auf den Schienen Heilung suchen, haben viele Kranke schon jahrelang unter ihren Schmerzen gelitten. Arme Patienten hätten es aufgegeben, ein vor drei Jahren von der Regierung ins Leben gerufenes Gesundheitsprogramm zu nutzen, sagen Kritiker.Um kostenfrei behandelt zu werden, müssen Bedürftige erst eine ganze Reihe von Nachweisen vorlegen.

Bahn besorgt über die "Eisenbahntherapie"

Der Bahnbetreiber PT Kereta Api ist zwar besorgt über die illegale Nutzung seines Schienennetzes, kann aber wenig gegen die Eisenbahnpatienten unternehmen.

"Diese Menschen gefährden ihr Leben und stören den Bahnverkehr", sagt Firmensprecher Mateta Rizalulhaq. "Unsere Beamten haben sie mehrmals verwarnt, aber sie wurden einfach ignoriert."

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!