Kommentar des Diabetes-Experten

Infektionen brauchen Fingerspitzengefühl

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Prof. Hellmut Mehnert

Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Infektionen und Entzündungen treten bei Menschen mit Diabetes besonders häufig auf. Das liegt vor allem am geschwächten Immunsystem der Patienten. Impfungen gegen Pneumokokken und Influenzaviren sind daher dringend anzuraten.

Antibiotikaresistenzen erschweren zunehmend die antiinfektiven Therapien, besonders bei den gefürchteten Pseudomonas-Infektionen. Bei infizierten Wunden dominieren Staph. aureus als Erreger, bei den so häufigen Harnwegsinfektionen E. coli.

Bemerkenswert ist die Wirksamkeit von Cotrimoxazol: Ein großer Teil der Colibakterien ist bereits resistent gegen das weitverbreitete und kostengünstige Präparat. Gegen Staph. aureus ist das Medikament hingegen in der Regel noch gut wirksam.

Besonders Diabetiker mit Harnwegsinfektionen brauchen eine längere Therapie als Stoffwechselgesunde, hat Professor Lutz Renders bei einem Symposium in München betont.

Der Nephrologe vom Klinikum rechts der Isar empfiehlt generell, das zuerst verabreichte Antibiotikum der Sofortmedikation halbjährlich zu wechseln, um Resistenzen vorzubeugen.

Unterschieden wird zwischen asymptomatischer und symptomatischer Bakteriurie mit erhöhter Keimzahl und Leukozyturie. Letztere wird begünstigt durch Niereninsuffizienz und tritt besonders im höheren Lebensalter auf.

Eine anti-infektive Therapie ist dann auf alle Fälle nötig. Im Gegensatz dazu muss bei asymptomatischer Bakteriurie in der Regel nicht behandelt werden; Ausnahmen sind schwangere Frauen und schlechter HbA1c-Wert. Bei Harnwegsinfektionen mit Proteus-Bakterien ist immer eine Therapie erforderlich.

Auch Mikro- und Makroangiopathie sowie möglicherweise Polyneuropathie können Infektionen fördern. Bei zunehmendem BMI kommt es - vor allem nach Bypass-Operationen - zu vermehrten Infektionen. Auch wird die Sepsis bei Diabetikern häufiger beobachtet, die ja mit etwa 60.000 Todesfällen pro Jahr in Deutschland an dritter Stelle der Todesursachen steht!

Auf die Leber achten

Cholecystitiden sind, vor allem wegen der gleichzeitigen vermehrten Steinbildung, bei Diabetikern häufig. Immer wieder unterschätzt wird die Paradontitis, bei der eine gezielte Antibiotikatherapie auch den HbA1c-Wert deutlich senken kann.

Von großer Bedeutung bei Infektionen ist eine gute Stoffwechseleinstellung. Bei schwerstkranken Patienten muss allerdings eine zu scharfe Einstellung vermieden werden (Hypoglykämie-Gefahr).

Beim sogenannten Aggressionsstoffwechsel sinkt die Rate der körpereigenen Insulinsekretion, während beim Postaggressionsstoffwechsel eine vermehrte Insulin-Resistenz zu beobachten ist.

In der Rekonvaleszenz soll dann der Blutzucker wieder strikt eingestellt werden. Keinesfalls darf man bei gastrointestinalen Infekten mit verringerter oder fehlender Nahrungszufuhr die Insulintherapie aufgeben: schwere Ketoazidosen könnten dann die Folge sein.

Häufig und gefährlich sind auch die nicht-mikrobiellen Entzündungen bei nicht alkoholischer Fettleber (NASH). Mehr als fünf Prozent Fettgehalt in der Leber werden als Verfettung, mehr als 50 Prozent als Fettleber bezeichnet, mit hohem Risiko für Entzündungen (Hepatitis).

Fettleibige haben eine Leber mit mehr als 70 Prozent Fettgehalt. Bei metabolischem Syndrom mit androider Fettsucht (betroffen ist jeder Vierte in der der Bevölkerung!) ist das Risiko für NASH vier- bis elffach erhöht.

Hinweise auf NASH und Fibrose gibt eine Ultraschall-Untersuchung; die Laborparameter sind in der Regel nur diskret verändert. Goldstandard der Diagnostik ist die Leberbiopsie. Wichtig ist auch die Anamnese (Alkoholkonsum?).

Für die Therapie sind nur eine Gewichtsreduktion (mit Reduzierung der Entzündung) und eine entsprechende körperliche Aktivität von Bedeutung - Forderungen, die an Diabetiker bekanntlich generell zu stellen sind. Spezielle Medikamente gegen NASH können derzeit nicht empfohlen werden.

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