Influenza-Forscher will Terror-Gefahr trotzen

Soll mit Virusmutationen geforscht werden, oder ist das zu gefährlich? Kürzlich haben sich die Influenza-Forscher selbst ein Studienstopp auferlegt. Jetzt rudert der erste namhafte Wissenschaftler zurück. Seine Begründung: Die Gefahr des Bioterrorismus gebe es ja jetzt schon.

Veröffentlicht:
Hochsicherheitslabor in Marburg: Experten fordern diese Labore für alle Versuche mit Influenza-Mutationen.

Hochsicherheitslabor in Marburg: Experten fordern diese Labore für alle Versuche mit Influenza-Mutationen.

© Frank May / dpa

MADISON (nös). Nach dem jüngst verkündeten Studienmoratorium namhafter Influenza-Forscher geht die Diskussion um die Gefährlichkeit von Studien über Virusmutationen weiter.

Einer der beiden Protagonisten, der Virologieprofessor Yoshihiro Kawaoka von der Universität Wisconsin in Madison, hat sich nun für die Fortsetzung solcher Forschungsprojekte ausgesprochen.

Gemeinsam mit seinem Rotterdamer Kollegen Professor Ron Fouchier und 37 weiteren Wissenschaftlern hatten sie jüngst ein 60-tägiges Moratorium ihrer Arbeiten angekündigt. Hintergrund ist die öffentliche Diskussion um die potenzielle Gefahr von Studien mit Virusmutationen.

In einem Kommentar sprach sich Kawaoka nun, gut eine Woche nach Bekanntgabe des Forschungsstopps, für diese Studien aus (Nature 2012; online 25. Januar). "Wir sollten Studien mit hochpathogenen aviären Influenzaviren dringend fortführen", schreibt Kawaoka.

Studienabbrüche "unverantwortlich"

Seine und Fouchiers Forschungen seien wichtig für die Vorbereitung vor Pandemien, argumentiert er und erinnerte an die spanische Grippe, der etliche Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind.

Kawaoka verwies darauf, dass Influenzaviren in der Umwelt mutieren. "Ich glaube, dass es unverantwortlich wäre, die zugrunde liegenden Mechanismen nicht zu studieren."

Er und Fouchier hatten in separaten vom US-Gesundheitsinstitut NIH geförderten Studien an verschiedenen Influenzamutationen geforscht. Ausgangsbasis war das hochpathogene Vogelgrippevirus H5N1 und das virulente Schweinegrippevirus H1N1 aus dem Jahr 2009.

Als Ausgangsmaterie diente H1N1, dem die Forscher das Hämagglutinin H5 verpasst hatten. Beide Forscher konnten anhand von Frettchen zeigen, dass sich die Mutation per Tröpfcheninfektion zwischen den Tieren verschiedener Käfige verbreitete.

Fouchier sprach "einem der womöglich gefährlichsten Viren, die man herstellen kann", drei von vier infizierten Frettchen seien gestorben. Kawaokas Team kam zu anderen Ergebnissen: "Unser H5-HA/2009-Virus war nicht pathogene als das Pandemievirus von 2009", schreibt er.

Nur einige der infizierten Tiere im Experiment seien getötet worden. Kawaoka: "Noch wichtiger ist, dass die derzeitigen Impfstoffe und antiviralen Wirkstoffe wirksam gegen das Virus sind."

Gefahr von Bioterrorismus

Die Ergebnisse von Fouchiers und Kawaokas Forschungen liegen derzeit auf Eis. Beide hatten sie bei hochrangigen Journalen eingereicht (Science und Nature).

Nachdem erste Details bereits im Herbst bekannt geworden waren, entzündete sich eine öffentliche Diskussion um die möglichen Gefahren solcher Forschungen.

Im Dezember kam das US-Gutachtergremium für Biosicherheit (NSABB) zu dem Schluss, dass das Wissen aus den beiden Studien möglicherweise für Bioterrorismus eingesetzt werden könnte.

Um diesen Dual-use zu vermeiden, empfahlen die Berater, Teile aus der Methode nicht zu veröffentlichen.

Zudem wurde kritisiert, dass die Forscher nicht in Laboren der höchsten Biosicherheitsstufe BSL-4, sondern in Laboren der Stufe BSL-3+ gearbeitet haben. Die Mutationen könnte so wesentlich leichter durch einen Laborunfall in die Umwelt gelangen.

Kawaoka wiegelt ab: "Ich glaube, dass der Nutzen dieser Studien die Risiken aufwiegt." Auch die Kritik an der Sicherheitsstufe wies er zurück: "Unser Experiment fanden unter hohen Sicherheitsbedingungen statt."

Auch die Gefahr des Dual-use sieht Kawaoka nicht. Zwar erkenne er die Beraterrolle des NSABB an, "aber ich mit ihrer Entscheidung stimme ich nicht überein". Denn: Schon heute seien genügend Informationen öffentlich verfügbar, um eine solche Virusmutation herzustellen.

Mehr zum Thema

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Kommentare
Dr. Horst Grünwoldt 28.01.201223:13 Uhr

Bio-Terrorismus

Sowenig wie "Terroristen" Kernwaffen herstellen können, genau so dürften sie nicht in der (logistischen und wissenschaftlichen) Lage sein, gezielte und reproduzierbare Mutationen an Mikroorganismen, Zellstrukturen oder sogar Viren herzustellen.
Insofern - jedenfalls im Sinne der Glaubwürdigkeit- mögen die Erzeuger eines "Super-Virus" vom vereinigten Vogel- und Schweinegrippe- Erreger den nicht nur zufälligen Weg ihres höchst anspruchsvollen Experimentes der wissenschaftlichen Welt offenbaren.
Oder ist das ganze doch nur eine publicity-Blase?
Dr. med. vet. Horst Grünwoldt, Rostock

Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Ein älterer Herr, der einen medizinischen Fragebogen ausfüllt.

© buritora / stock.adobe.com

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Eine junge Frau fasst sich an ihren schmerzenden Ellenbogen.

© Rabizo Anatolii / stock.adobe.com

Laterale Ellbogenschmerzen

Diese sechs Kriterien sprechen gegen einen „Tennisarm“

Eine Ärztin hält einen Reagenzstreifen zur Analyse einer Urinprobe in der Hand.

© H_Ko / stock.adobe.com

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?