"Jährlicher Brustkrebs-Check für Frauen mit Risikofaktoren"

US-Experten empfehlen das Mammografie-Screening bei Frauen ohne erhöhtes Brustkrebsrisiko seit Kurzem nur noch im Alter zwischen 50 und 74 Jahren, alle zwei Jahre. Professor Ingrid Schreer vom Mammazentrum in Kiel plädiert weiter für einen großzügigen Einsatz der Mammografie auch bei Frauen zwischen 40 und 49 Jahren.

Veröffentlicht:

Ärzte Zeitung: Frau Professor Schreer, mit dem Kurswechsel entsprechen die Empfehlungen der US-Kollegen in puncto Mammografie jetzt fast genau dem, was in Deutschland mit dem Mammografie-Screening bereits praktiziert wird ...

Professor Schreer: Die neuen Empfehlungen der US Preventive Services Task Force (USPSTF) basieren auf der Kosten-Nutzen-Relation des Mammografie-Screenings. Das heißt, die Studiendaten wurden streng danach beurteilt, wie sehr die Sterberate der Frauen zu welchem Preis gesenkt wird. Insofern kann man die Umorientierung durchaus nachvollziehen. Denn bei Frauen unter 50 Jahren sind Brustkrebserkrankungen viel seltener als bei älteren Frauen, und daher ist auch die Sterberate niedriger und der Kosten-Nutzen-Effekt der Methode entsprechend geringer. Aber es ist inzwischen evidenzbasiert nachgewiesen, dass das Mammografie-Screening auch bei Frauen zwischen 40 und 49 Jahren die Sterberate deutlich reduziert, und zwar um etwa 18 Prozent. Allerdings wissen wir auch, dass bei jüngeren Frauen häufiger gutartige Brustdrüsenveränderungen vorkommen, die dann in der Mammografie einen falsch-positiven Befund hervorrufen, der einer weiteren Abklärung bedarf. Darüber müssen Frauen informiert werden. Zu bedenken ist aber darüber hinaus, dass Mammakarzinome bei jüngeren Frauen oft viel aggressiver sind und schneller wachsen als bei älteren.

Ärzte Zeitung: Würden Sie daher auch für Frauen zwischen 40 und 49 die Teilnahme am Mammografie-Screening befürworten?

Schreer: Nicht die Teilnahme am bisherigen Mammografie-Screening, sondern an einer individualisierten Brustkrebsfrüherkennung. Gemäß der deutschen S3-Leitlinie zur Brustkrebs-Früherkennung sollten alle Frauen - auch Frauen zwischen 40 und 49 Jahren - mit Risikofaktoren regelmäßig auf ein Mammakarzinom hin untersucht werden. Das heißt, Patientinnen, bei denen zum Beispiel die Mutter Brustkrebs hatte oder die ihr erstes Kind erst mit über 30 Jahren geboren haben oder kinderlos geblieben sind, sollten aufgrund des erhöhten Brustkrebs-Risikos jährlich einen Check erhalten, und zwar außer der Tastuntersuchung auch eine Mammografie, und wegen der bei Frauen unter 50 Jahren häufigen hohen Parenchymdichte der Brust zusätzlich eine Sonografie. Sinnvoll ist auch die digitale Mammografie. Und noch etwas ist wichtig: Eine qualitätsgesicherte Untersuchung gemäß der S3-Leitlinie, und zwar mindestens mit Doppelbefundung und standardisierter Dokumentation, wie wir es im QuaMaDi-Projekt Schleswig-Holstein praktizieren.

Ärzte Zeitung: Ist es nicht riskant, aufgrund des Strahlenrisikos der Mammografie bereits ab 40 Jahren mit der Untersuchung zu starten?

Schreer: Auch bei Frauen unter 50 Jahren ist das Strahlenrisiko der Mammografie zu vernachlässigen gegenüber der Chance der Krebsfrüherkennung. In England läuft eine Studie genau zu diesen jungen Frauen.

Ärzte Zeitung: Die US-Task Force empfiehlt aufgrund unzureichender Datenlage auch nicht mehr die klinische Tastuntersuchung der Brust ...

Schreer: Die US-Kollegen empfehlen die Tastuntersuchung nicht mehr, weil es bisher keinen Nachweis gibt, dass sich allein durch diese Methode die Sterberate der Frauen senken lässt. Aber die Reduktion der Mortalität sollte nicht das einzige Kriterium für die Bewertung der Methode sein. Es geht bei den betroffenen Frauen doch auch um die Lebensqualität und die Chance, bei früher Krebsdiagnose die Brust erhalten und das Leben verlängern zu können. Außerdem sollte die Tastuntersuchung immer nur ergänzend zur Bildgebung erfolgen. Wichtig ist außerdem, dass man sich für das Anlernen der Patientinnen zur Selbstuntersuchung der Brust viel Zeit nimmt. Dann bietet diese eine zusätzliche Chance zur Krebsfrüherkennung. Und es gibt den Patientinnen das Gefühl, selbst etwas zur Erhaltung der Brustgesundheit beitragen zu können.

Das Gespräch führte Ingrid Kreutz

Das sagen die Studien

Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) begründet ihren Kurswechsel in puncto Mammografie-Screening mit neuen Studiendaten, wonach der Nutzen für Frauen zwischen 50 und 74, die alle zwei Jahre untersucht werden, am größten ist (Ann Intern Med 151, 2009, 716). 1904 Frauen zwischen 40 und 49 Jahren müssen zur Mammografie geladen werden, um ein Leben zu retten, aber nur 1339 Frauen zwischen 50 und 59 und nur 377 Frauen zwischen 60 und 69 Jahren. Die Brustkrebssterberate wird zwischen 40 und 49 Jahren um 15 Prozent gesenkt, von 50 bis 59 Jahre um 14 und von 60 bis 69 Jahre um 32 Prozent.

Zur Person

Professor Ingrid Schreer leitete bis vor kurzem das Mammazentrum am Campus Kiel des Universitätsklinikums Kiel. Die Radiologin engagiert sich seit vielen Jahren in der Brustkrebsfrüherkennung und gehört seit Langem zum Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Senologie. Sie hat unter anderem das Modellprojekt QuaMaDi (Qualität in der Mamma-Diagnostik) mit auf den Weg gebracht.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Durvalumab im Real-World-Vergleich

© Springer Medizin Verlag

ED-SCLC

Durvalumab im Real-World-Vergleich

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!