KBV-Vertragswerkstatt

Kein Mehrnutzen für Kinder mit ADHS

Seit vier Jahren gibt es das ADHS-Modell aus der KBV-Vertragswerkstatt. Eine erste Evaluation zeigt kaum Unterschiede zur Regelversorgung. Die KBV bewertet den Vertrag als Erfolg.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Die betroffenen Kinder mit ADHS sind für die Studie nicht befragt worden.

Die betroffenen Kinder mit ADHS sind für die Studie nicht befragt worden.

© Janssen-Cilag

BERLIN. Etwas mehr Termine für Eltern, etwas weniger Medikamente für die betroffenen Kinder: Die Unterschiede zwischen der Regelversorgung und dem Selektivertrag zu ADHS aus der KBV-Vertragswerkstatt sind vorhanden, jedoch gering ausgeprägt.

Das hat eine Evaluation des Vertrags durch die Universität Marburg ergeben. Für die Studie wurden in dem Zeitraum von Oktober 2010 bis Februar 2013 insgesamt 228 Eltern von Kindern mit dem Verdacht auf ADHS befragt - und zwar sowohl aus der Regelversorgung als auch Eltern, die in dem Selektivvertrag eingeschrieben waren.

Die betroffenen Kinder sind nicht selbst befragt worden. 25 Praxen haben sich an der Befragung beteiligt.

Nur sechs Prozent der Kinder wurden medikamentös behandelt

Der Studie zufolge bestätigte sich bei 81 Prozent der Kinder die Diagnose ADHS. Die Eltern im ADHS-Modell der KBV waren mit der Zeit, die der Arzt für die Diagnostik aufgewendet hat, im Schnitt sehr zufrieden.

Sie vergaben auf einer Skala von null bis vier die Note 3,43 - wobei vier die beste Note darstellt. In der Regelversorgung sei die Zufriedenheit jedoch nur unwesentlich geringer gewesen (Note: 3,41), sagte die Psychologin und Studien-Koordinatorin Katja John bei der Vorstellung der Ergebnisse.

"Das sind nur geringe Unterschiede", so John. Auch Patienten der Regelversorgung würden sorgfältig diagnostiziert und effektiv behandelt.

Jedoch gebe es in dem ADHS-Versorgungsmodell der KBV "etwas mehr" Behandlungstermine für die Eltern. Auch würden "etwas weniger" Medikamente bei den Kindern im Selektivvertrag verschrieben.

Eine genaue Zahl nannte Studienautorin John nicht. Der Studie zufolge wurden nur etwa sechs Prozent der Kinder ausschließlich medikamentös behandelt. 43 Prozent erhielten keinerlei Stimulanzien.

Die am Vertrag teilnehmenden Ärzte und Psychotherapeuten lobten vor allem die verbesserte Kooperation mit anderen Fachgruppen.

212 Ärzte und Psychotherapeuten in 45 Teams

Zum Hintergrund: Vor rund vier Jahren ist das Konzept zur "qualitätsgesicherten Versorgung von Patienten mit Aufmersamkeits-Defizitsyndrom oder -Hyperaktivitätssyndrom (AD[H]S)" in Baden-Württemberg umgesetzt worden.

Zunächst hatten die regionalen Betriebskrankenkassen in Baden-Württemberg den Vertrag abgeschlossen, im Jahr 2012 stieg dann auch die DAK-Gesundheit mit ein. In Baden-Württemberg arbeiten 212 Vertragsärzte und -psychotherapeuten in 45 Teams zusammen.

Ziel des Vertrags: Die Patienten sollen schneller als in der Regelversorgung erkannt, Wartezeiten auf Therapieplätze sollen reduziert werden.

Laut KBV-Vorstand Regina Feldmann erlaubt der aktuelle Vertrag "intensivere und besser finanzierte Therapiemöglichkeiten" für die 2180 teilnehmenden Kinder und Jugendlichen. "Der Vertrag hat sich bewährt. Doch solche Versorgungskonzepte müssen bundesweit stärker gefördert werden", so Feldmann.

Christa Schaff vom Berufsverband der Kinder- und Jugendpsychiater forderte, dass der Vertrag ausgebaut werden müsse. Insbesondere müssten die Schulen stärker mit einbezogen werden.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Gut auf dem Papier...

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