Kiefer-Op macht normales Essen wieder möglich

JENA (ner). Vier Jahre Brei und Flüssigkost gehören für einen jungen Mann aus Sachsen-Anhalt der Vergangenheit an. Nach einem Treppensturz als Kind waren seine beiden Kiefergelenke gebrochen und das rechte Kiefergelenk versteift. An der Universitätsklinik Jena haben Chirurgen ihm das rechte Kiefergelenk neu aufgebaut.

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Der zum Zeitpunkt der Operation 17jährige Patient ernährte sich seit Jahren mit pürierter Kost durch eine Zahnlücke, die ebenfalls Folge des Unfalls war. Er konnte den Mund nicht mehr öffnen, weil das rechte Kiefergelenk vollständig knöchern durchbaut war. Das sagte Professor Stefan Schultze-Mosgau, Direktor der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie/Plastische Chirurgie der Universität Jena, der "Ärzte Zeitung". Im linken Kiefergelenk bestand eine straffe Pseudarthrose.

Jahrelang war der Patient konservativ behandelt worden, weil vor einer Operation der Wachstumsabschluß abgewartet werden sollte. Nach Ansicht von Schultze-Mosgau wäre dies nicht nötig gewesen, zumal die knöcherne Ankylose zu einer Wachstumshemmung führen könne, was die anatomisch regelrechte Entwicklung des Gesichts behindere.

Über einen präaurikulären Zugang haben Schultze-Mosgau und seine Kollegen eine neue Gelenkpfanne in die Schädelbasis gefräst sowie mit Fräsen einen neuen Kiefergelenkskopf modelliert. Der im gesunden Kiefergelenk vorkommende Diskus wurde mit einem Knorpeltransplantat aus der Ohrmuschel ersetzt und an der Gelenkpfanne fixiert.

Die neue Gelenkkapsel schließlich entstand aus einer Faszie des in unmittelbarer Nähe gelegenen Musculus temporalis. Am linken Kiefergelenk wurden die narbigen Verwachsungen gelöst sowie die Gelenkkondylen geglättet.

Neun Monate nach dem Eingriff konnte der Patient den Mund 35 mm weit öffnen - normal sind durchschnittlich 40 mm, gemessen zwischen den oberen und unteren Schneidezähnen. "Wir sind mit der Kiefergelenksbeweglichkeit sehr zufrieden", sagt Schultze-Mosgau. Möglich sei nicht nur eine Hackbewegung der Kiefer, sondern ein ganz normales Kauen.

Das Rekonstruktionskonzept war kürzlich der Deutschen Gesellschaft für Plastische und Wiederherstellungschirurgie einen Preis wert. Schultze-Mosgau betont jedoch, daß das Verfahren keineswegs eine experimentelle Operationstechnik sei, sondern vielmehr eine Kombination vieler etablierter Operationsmethoden.

Inzwischen behandeln die Jenaer Gesichtschirurgen Patienten aus dem gesamten Bundesgebiet. In die Kiefergelenk-Sprechstunde kommen pro Woche etwa vier bis fünf Patienten, von denen durchschnittlich bei einem eine Operationsindikation besteht. Dies ist der Fall nach traumatischen Verletzungen mit Ankylosen im Kiefergelenk oder Verwachsungen des zuvor gebrochenen Processus coronoideus mit dem Jochbein.

Andere Patienten leiden unter einer Verlagerung des Kiefergelenk-Diskus nach vorn, verursacht durch pathologische Bewegungsmuster. Folge der Fehlbewegungen sind überdehnte Gelenkbänder, wodurch schließlich der Diskus irreversibel nach anterior verlagert werden kann. Frühsymptom dieser Störung ist ein lautes Knacken bei Bewegungen des Kiefers.

Später kommen Schmerzen hinzu und der Mund kann nicht mehr richtig geöffnet werden. Behandelt wird zunächst konservativ. Nur bei schwerer Behinderung und bei mit bildgebenden Verfahren objektivierbaren Veränderungen des Kiefergelenks besteht eine Operationsindikation.

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