Konsensus zu Morbus Crohn aktualisiert

MÜNCHEN (wst). Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselerkrankungen (DGVS) hat ihre Konsensempfehlungen zur Therapie bei Morbus Crohn aktualisiert. Das im Druck befindliche Update deckt sich weitgehend - aber nicht vollständig - mit den Empfehlungen der Europäischen Crohn und Colitis Organisation (ECCO).

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Bauchschmerzen - Leitsymptom bei Crohn-Patienten.

Bauchschmerzen - Leitsymptom bei Crohn-Patienten.

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Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden aktuellen Leitlinien hat Privatdozent Klaus Herrlinger vom Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart bei einem gastroenterologischen Symposium in München vorgestellt:

Unkomplizierter Morbus Crohn: Zur Remissionsinduktion bei Patienten mit unkompliziert verlaufendem Morbus Crohn empfehlen beide Gesellschaften bei leichter bis mäßiger Entzündungsaktivität primär Budesonid. Bei einer hohen Entzündungsaktivität sollte ein systemisch wirkendes Steroid wie Prednisolon eingesetzt werden.

Steroidrefraktärer Verlauf: Bei Patienten mit einem steroidrefraktären oder einem steroidabhängigen Verlauf plädieren beide Organisationen für Thiopurine wie Azathioprin (etwa Zytrim®) oder 6-Mercaptopurin (6-MP). Werden diese Immunsuppressiva nicht vertragen (DGVS) oder erweisen sie sich als ineffektiv (ECCO), wird ein Ausweichen auf Methotrexat (MTX) empfohlen.

Sind Steroide und Immunsuppressiva nicht oder unzureichend wirksam, bietet sich nach Ausschluss operativer Optionen inzwischen auch die Behandlung mit TNF-Hemmern an: Infliximab (Remicade®) oder Adalimumab (Humira®).

Remissionserhalt: Die ECCO plädiert für eine generelle remissionserhaltende Therapie zumindest mit Mesalazin (etwa Claversal®). Nach Ansicht der DGVS erlaubt die derzeitige Datenlage nicht, allen Crohn-Patienten grundsätzlich eine medikamentöse remissionserhaltende Therapie zu empfehlen, erklärte Herrlinger bei der vom Unternehmen Merckle Recordati unterstützten Veranstaltung. Bei komplizierteren Krankheitsverläufen, die mit Azathioprin oder 6-MP unter Kontrolle gebracht wurden, sollte das gleiche Thiopurin aber zur Remissionserhaltung fortgesetzt werden. Ein Auslassversuch kann dann anschließend nach vier (DGVS) bis sechs (ECCO) Jahren mit stabiler Remission gewagt werden.

Nach TNF-Hemmer-induzierter Remission mehrere Optionen

Nach einer mit TNF-Hemmern induzierten Remission lässt die DGVS zum Remissionserhalt die freie Wahl zwischen Azathioprin, 6-MP, MTX oder TNF-Blockern. Zu einer Remissionserhaltung mit TNF-Hemmern rät dagegen die ECCO erst, wenn sich die anderen Möglichkeiten als untauglich erwiesen haben.

Kommt es unter der Therapie mit Thiopurinen zu einem erneuten Schub, soll nach ECCO-Empfehlungen die Dosis gesteigert oder auf MTX ausgewichen werden. Die DGVS verweist dagegen darauf, dass der häufigste Grund für ein Therapieversagen bei einem Thiopurin die mangelhafte Compliance ist. Deshalb solle primär die korrekte Medikamenteneinnahme kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert werden.

STICHWORT

Epidemiologie

Die Inzidenz von Morbus Crohn wird für Europa zwischen 4 bis 7 und für die USA zwischen 7 bis 14 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner angegeben. Dort, wo es schon seit Jahrzehnten Crohn-Register gibt, etwa in Schweden oder Israel, verweisen die Epidemiologen seit Mitte des 20. Jahrhunderts auf eine stete Zunahme. Für die vergangenen 20 Jahre wird speziell bei Kindern und Jugendlichen im Mittel eine Verdreifachung berichtet. Eine genetische Prädisposition gilt als gesichert. (wst)

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