Weltkrebstag

Krebsforschung: Bessere Strukturen und mehr "Clinician Scientists" gefordert

In den letzten Jahren wurde in Deutschland beim Aufbau von Strukturen und Netzwerken für die translationale Krebsforschung zwar vieles erreicht. So manche Arzneientwicklung konnte dadurch beschleunigt werden. Doch insgesamt ist der Übergang vom Labor zum Patienten noch zu langsam.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:

Das Zauberwort heißt "translationale Forschung", mit der auch in der Onkologie die Entwicklung etwa von Medikamenten vorangetrieben und beschleunigt werden soll. Nach Ansicht des Strahlentherapeuten Professor Michael Baumann, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in Heidelberg, läuft der Prozess vom Labor bis zum Patienten in die Klinik in vielen Fällen noch viel zu langsam. "Der Grundlagenforscher kommt irgendwie nicht mit der klinischen Forschung zusammen", so Baumann während einer Veranstaltung des DKFZ aus Anlass des Weltkrebstages am 4. Februar.

Er verwies dabei auf die schon seit vielen Jahren existierende Beschreibung des Missstandes als "Valley of Death" in der Translationsforschung. Schon vor zehn Jahren wurde Professor Barbara Alving, damals Direktorin des National Center for Research Resources der US-Nationalen Gesundheitsbehörde NIH in Bethesda, in "Nature" (2008; 453: 840–842) mit der Feststellung zitiert, dass die Kliniker und die Grundlagenforscher nicht miteinander kommunizierten. Auch für Baumann ist die fehlende Kommunikation zwischen den Beteiligten einer der Gründe für den meist noch langsamen Prozess vom Labor etwa zur therapeutischen Anwendung. Ein anderer Grund sei, dass in Deutschland "Clinician Scientists" noch immer sehr selten seien. Das seien hochspezialisierte Ärzte, die sowohl Grundlagenforschung betrieben als auch Patienten behandelten. Baumann: "Wir müssen etwas tun, damit die jungen Leute diese akademische Karriere attraktiv finden."

Nationaler Krebsplan ohne Forschung

Nicht zuletzt werden jene Strukturen und Netzwerke benötigt, die eine solche Translationsforschung auf höchstem Niveau sicherstellen, wie Baumann betonte. "Da haben wir in den letzten Jahren in Deutschland viel erreicht." So wurde zum Beispiel vor fünf Jahren das Deutsche Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) gegründet, eine gemeinsame Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der beteiligten Bundesländer und des DKFZ. Kernzentrum ist der Standort Heidelberg mit dem DKFZ, dem Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg (NCT), der Universitätsmedizin und den assoziierten Partnern Professor Roman Thomas in Köln und dem Paul-Ehrlich-Institut in Langen. Weitere Standorte sind Berlin, Dresden, Essen/Düsseldorf, Frankfurt/Mainz, Freiburg, München und Tübingen.

Neue Strukturen und Netzwerke sind das eine. "Wir brauchen aber auch eine translationale Kultur. Wir brauchen einen Umgang von Krebsforschern mit Krebsärzten auf Augenhöhe", so Baumann. Der DKFZ-Vorstandsvorsitzende erinnerte schließlich daran, dass der Nationale Krebsplan mit seinen 13 Zielen in vier Handlungsfeldern initial ohne jegliche Forschung verabschiedet worden sei. Seine Forderung: "Die Krebsforschung muss ein Teil des Nationalen Krebsplans werden."

In wenigen Jahren vom Labor in die Klinik

Als Beispiel dafür, dass heute von der Entdeckung im Labor bis zur Anwendung an Patienten unter Umständen nur wenige Jahre benötigt werden, wurde während der Veranstaltung die Entwicklung eines Enzymhemmers zur Therapie bei akuter myeloischer Leukämie (AML) und Hirntumoren in einer strategischen Allianz mit dem Unternehmen Bayer Healthcare vorgestellt. Dieser Enzymhemmer blockiert eine spezifisch mutierte Isocitrat-Dehydrogenase (IDH1), die erstmals in Gliomen entdeckt wurde und krebsfördernde Eigenschaften besitzt. Die Mutation lässt ein Onkogen entstehen, das auch bei zehn Prozent der AML-Patienten vorkommt. Wie Dr. Stefan Pusch von der Klinischen Kooperationseinheit Neuropathologie des DKFZ berichtete, ist bereits eine klinische Studie unter Leitung von Professor Alwin Krämer vom Uniklinikum Heidelberg gestartet worden, in der Verträglichkeit und optimale Dosis des Hemmstoffs bei AML-Patienten geprüft werden.

Auch zur Therapie von Gliompatienten sei in Zusammenarbeit mit der Neurologischen Uniklinik eine Phase-1/2-Studie konzipiert worden, die außer in Deutschland auch in Dänemark, den USA und Japan laufen werde. Teilnehmen werden Patienten mit Gliomen oder anderen soliden Tumoren. Von der Entwicklung des IDH1-Hemmers bis zu dessen klinischer Prüfung habe es nur fünf Jahre gedauert, was jedoch ohne Kooperation mit einem Pharmaunternehmen nicht möglich gewesen wäre. Pusch: "Wir hatten mit dem Wirkstoff großes Glück."

Ein anderes Beispiel dafür, wie Strukturen der translationalen Forschung die Arzneientwicklung in der Onkologie beschleunigen können, ist der im DKFZ entwickelte Wirkstoff PSMA-617 (prostataspezifisches Membranantigen 617). Dieses kleine Molekül, das in der Abteilung Radiopharmazeutische Chemie entwickelt wurde, dockt spezifisch an PSMA auf Prostatakarzinomzellen an und kann mit Radionukliden gekoppelt werden. Wird schwach strahlendes Gallium-68 daran gebunden, dient der Wirkstoff als Diagnostikum zum Nachweis der Krebszellen im PET. Für die Therapie haben die Wissenschaftler dagegen das Radiopharmakon Lutetium-177 an PSMA-617 gekoppelt, das von den Krebszellen aufgenommen wird und diese von innen bestrahlt. Nach Angaben von Professor Klaus Kopka vom Bereich Radiopharmazeutische Chemie am DKFZ führte in einer Pilotstudie mit 30 Männern, die an einem fortgeschrittenen Prostatakarzinom erkrankt waren, eine Therapie mit Lutetium-177-PSMA-617 bei 57 Prozent der Patienten zu einer Reduktion der PSA-Werte im Blut. Das DKFZ hatte PSMA-617 bereits 2014 an die ABX GmbH auslizensiert, die im Herbst 2017 eine Unterlizenz an das US-Unternehmen Endocyte übertragen hatte, das vor wenigen Wochen angekündigt hatt, das Präparat schon bald in die Phase 3 klinischer Studien zu bringen. Im Frühjahr 2020 soll das Projekt beendet sein.

Wenn vorhandene Strukturen und Netzwerke optimal genutzt werden, kann der Weg vom Labor zum Patienten schnell durchschritten werden. Für Baumann ist klar: "Translationsforschung funktioniert. Es ist aus meiner Sicht der richtigere und bessere Weg, um Ergebnisse der Krebsforschung beim Patienten ankommen zu lassen."

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