Lyse könnte noch mehr Chancen als bisher bieten

MÜNCHEN (wst). Bei vielen Patienten mit frischem ischämischem Schlaganfall könnte eine frühzeitige Lysebehandlung die Prognose stark verbessern. Bislang wird aber noch zu selten auf diese schadensminimierende Therapieoption gesetzt. Gründe sind überzogene Ängste vor unerwünschten Wirkungen sowie Schwierigkeiten beim Einhalten des empfohlenen Zeit-fensters.

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Am 14. Dezember 1995 wurden im "New England Journal of Medicine" die Ergebnisse einer bahnbrechenden Studie veröffentlicht. Ergebnis: Wird innerhalb von drei Stunden nach den ersten Schlaganfallsymptomen eine Lysebehandlung mit dem rekombinanten Plasminogen-Aktivator Alteplase (Actilyse®) bei einem ischämischen Insult begonnen, hat dies einen signifikanten Vorteil.

Drei Monate nach dem Ereignis hatten in der Lysetherapie-Gruppe 39 Prozent keine oder nur minimale Einschränkungen körperlicher Funktionen, in der Placebogruppe nur 26 Prozent.

Jedoch auch zehn Jahre nach Veröffentlichung der Ergebnisse werde die Lyse anders als bei Herzinfarktpatienten bei Schlaganfallpatienten viel zu selten genutzt, kritisierte Grond. Er verwies auf aktuelle Zahlen aus dem deutschen Schlaganfallregister, wonach nur 27 Prozent aller Schlaganfallpatienten, die für eine Lyse geeignet wären, diese erhalten.

Ein Grund, warum die Maßnahme zu selten praktiziert wird, ist das überschätzte Blutungsrisiko. Nach Ausräumung von Fehlinterpretationen bisheriger Studien sei jedoch davon auszugehen, daß das Risiko einer zerebralen Blutung infolge einer Lysebehandlung bei Patienten mit ischämischem Schlaganfall nicht höher als bei Herzinfarktpatienten ist. Hier wie dort liegt sie bei ein bis zwei Prozent, versicherte Grond.

Die immer wieder zitierten höheren Raten bei Schlaganfallpatienten kämen allein dadurch zustande, daß in den zugrundeliegenden Studien auch Einblutungen, die als lyseunabhängige Epiphänomene eines ischämischen Hirninfarktes zu werten sind, mitgezählt wurden.

Zweiter Grund für ein Defizit bei der Lyse-Behandlung ist, daß die Patienten mit frischem Schlaganfall häufig immer noch nicht schnell genug in ein zur Behandlung geeignetes Schlaganfallzentrum kommen, um das Zeitfenster von maximal drei Stunden vom Ereignis bis zur Intervention einhalten zu können.



STICHWORT

Lyse bei Schlaganfall

Je schneller ein Patient mit ischämischem Schlaganfall zur Lyse-Therapie kommt, desto besser sind die Erfolgsaussichten. Später als drei Stunden nach dem Ereignis sollte keine Lysebehandlung mehr begonnen werden, da sich ihre Vorteile dann verlieren und das Blutungsrisiko bleibt. Beim Schlaganfall tut deshalb Eile not. Weder Haus- noch Notarzt sollten bei Patienten mit Schlaganfallsymptomen Zeit damit vergeuden, sie hinsichtlich ihrer Lysetauglichkeit einzuschätzen, sagte Grond. Eine solche Abschätzung ist nur in einem für die Lyse eingerichteten Schlaganfallzentrum zuverlässig wie sinnvoll. Und dort muß deshalb jeder Patient mit Schlaganfallverdacht schnellstmöglich ohne Umwege hin.

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