EEG-Untersuchung

Migränepatienten sind bessere Problemlöser

Migränepatienten suchen intensiver nach Lösungsmöglichkeiten als Gesunde. Das haben jetzt Messungen der Gehirnströme mit Hilfe der Elektroenzephalografie ergeben.

Veröffentlicht:

MÜNCHEN/ROSTOCK. Es ist aus einer Vielzahl von Studien bekannt, dass sich Migränepatienten im Vergleich zu Gesunden oft übermäßig anstrengen, um die ihnen gestellten Aufgaben möglichst perfekt zu erledigen.

Dies konnte bislang experimentell jedoch nicht nachgewiesen werden, teilt die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) mit.Mit der vorliegenden Studie ist es gelungen, die unterschiedliche Problemverarbeitung anhand eines sogenannten "Hilflosigkeitsexperimentes" darzustellen (J Neural Transm (2012) 119:1213-1221).

Dabei konnten die Wissenschaftler durch Messung der Gehirnströme mittels Elektroenzephalografie (EEG) zeigen, dass Migränepatienten stärker als Gesunde dazu tendieren, eine experimentell erzeugte Hilflosigkeitssituation zu bewältigen.

Studie mit 24 Migränepatienten und 24 Gesunden

"In unserer Studie mit 24 Migränepatienten und 24 gesunden Personen wurde ein vom Teilnehmer selbst abzustellendes Tonsignal ohne sein Wissen plötzlich blockiert. Der Ton konnte nicht mehr sofort abgestellt werden. Eine Situation der Hilflosigkeit entstand. Die teilnehmenden Migränepatienten aktivierten mehr kognitive Ressourcen, den Ton abzustellen, als die Gesunden. Das drückt sich in einem vergrößerten EEG-Signal und in einer signifikant schnelleren Reaktionszeit aus", wird Professor Dr. Peter Kropp, von der DMKG und Autor der Studie in der Mitteilung zitiert.

Insgesamt könne daraus geschlossen werden, dass Migränepatienten in entsprechenden Situationen einen intensiveren Problemlösevorgang auslösen.

Sie sind demnach nicht hilfloser wie zunächst in früheren Studien angenommen wurde, sondern suchen nach mehr Möglichkeiten, das neu erkannte Problem zu lösen. Sie gehen dabei intensiver und effektiver an Schwierigkeiten heran und verfügen über eine bessere Problemlösungskompetenz.

Hilflosigkeitserleben geht mit EEG-Signal einher

Hilflosigkeit kann durch Situationen ausgelöst werden, in denen die Person negative emotionale Gefühle und eine fehlende Kontrolle über die Situation erlebt.

Dieses Hilflosigkeitserleben wiederum geht eng mit einem EEG-Signal einher, welches in einer experimentellen Situation gemessen werden kann.

Dabei muss der Teilnehmer auf verschiedene Töne hören und bei einem bestimmten Ton sehr schnell einen Reaktionsknopf drücken, welcher dann diesen Ton abschaltet.

Nach Abschalten des Tones kann man einen charakteristischen EEG-Verlauf beobachten, der "post-imperative negative Variation" (PINV) genannt wird. Wandelt man nun das vorher beschriebene Experiment ab, indem nach einer gewissen "Einübungszeit" der Ton trotz korrekten Tastendrucks plötzlich nicht mehr abgeschaltet werden, kann eine besonders ausgeprägte PINV beobachtet werden.

Diese wird oft als experimentell ausgelöstes Hilflosigkeitserleben interpretiert. Dabei lässt sich diese vermehrte Reaktion dem Wechsel der Kontingenz (fehlender Reaktion auf den Tastendruck) zuordnen.

Reaktion auf Tastendruck untersucht

Die Arbeitsgruppe hat sich jetzt die Frage gestellt, inwieweit in dieser experimentell geschaffenen Situation Migränepatienten von Gesunden unterschiedlich reagieren.

In der Studie wurden 24 Migränepatienten mit 24gesunden Probanden in ihrer Reaktion auf den Tastendruck untersucht. Für jede korrekte Reaktion bekam der Teilnehmer als Belohnung einen Euro.

Nach 16 der 32 Messdurchgänge konnten die Teilnehmer plötzlich den Reaktionston trotz Tastendrucks nicht mehr abschalten, er dauerte dann jeweils mehrere Sekunden an und die bis dahin angehäufte Belohnung schmolz ab.

Während Gesunde nur kurz auf diesen "Kontingenzwechsel" in Form einer vergrößerten PINV-Amplitude reagiert haben, war dieses Signal in der Migränegruppe deutlich länger und ausgeprägter vorhanden.

Außerdem war die Reaktionszeit, also die Zeit zwischen Tonsignal und Tastendruck, bei Migränepatienten signifikant schneller. (eb)

Mehr zum Thema

„ÄrzteTag“-Podcast

Was steckt hinter dem Alice-im-Wunderland-Syndrom, Dr. Jürgens?

Schmerzintensität, Häufigkeit und Dauer untersucht

Regelmäßiges Kaffeetrinken nicht mit Migräne assoziiert

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Interview

STIKO-Chef Überla: RSV-Empfehlung kommt wohl bis Sommer

NHANES-Analyse

Bei Hörminderung: Hörgeräteträger leben länger

Lesetipps
Neue Hoffnung für Patienten mit Glioblastom: In zwei Pilotstudien mit zwei unterschiedlichen CAR-T-Zelltherapien blieb die Erkrankung bei einigen Patienten über mehrere Monate hinweg stabil. (Symbolbild)

© Richman Photo / stock.adobe.com

Stabile Erkrankung über sechs Monate

Erste Erfolge mit CAR-T-Zelltherapien gegen Glioblastom

Die Empfehlungen zur Erstlinientherapie eines Pankreaskarzinoms wurden um den Wirkstoff NALIRIFOX erweitert.

© Jo Panuwat D / stock.adobe.com

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert