Schlafkrankheit

Mit einem Trick zum neuen Wirkstoff

Auf ungewöhnliche Weise haben Forscher einen Wirkstoff gegen den Erreger der Schlafkrankheit entwickelt: Nachdem sie die "Achillesferse" des Parasiten genau vermessen hatten, entwarfen sie im Labor einen passgenauen Wirkstoff.

Veröffentlicht:
Trypanosomen in Durchlichtmikroskopie-Aufnahme (links) und in der Fluoreszenzmikroskopie (rechts). Rot angefärbt sind die Glykosomen, gegen die sich der Wirkstoff richtet, blau angefärbt die Parasiten-DNA.

Trypanosomen in Durchlichtmikroskopie-Aufnahme (links) und in der Fluoreszenzmikroskopie (rechts). Rot angefärbt sind die Glykosomen, gegen die sich der Wirkstoff richtet, blau angefärbt die Parasiten-DNA.

© R. Erdmann/V. Kalel, Ruhr-Universität Bochum

MÜNCHEN. Ein neu entwickelter Wirkstoff tötet gezielt den Erreger der Schlaf- und der Chagas-Krankheit. Das berichten Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München gemeinsam mit Kollegen der Technischen Universität München (TUM) und der Ruhr Universität Bochum (Science 2017; 355(6332): 1416-1420). Der Trick dabei: Die Forscher hatten zunächst durch Einsatz modernster Verfahren der Strukturbiologie die Achillesferse des Parasiten ausgemacht und dann einen passgenauen Wirkstoff entwickelt.

"Gegen Trypanosomen gibt es bisher nur wenige Medikamente, die noch dazu viele Nebenwirkungen haben, und es breiten sich bereits erste Resistenzen aus", wird Studienautor Professor Michael Sattler in einer Mitteilung der TUM zitiert.

Das Forschungsteam suchte daher nach neuen Möglichkeiten, den Erreger auszuschalten. "Wir konzentrierten uns dabei vor allem auf die sogenannten PEX-Proteine, die schon länger als mögliche Zielstrukturen für therapeutische Ansätze diskutiert wurden", so Sattler.

PEX-Proteine als Angriffspunkt

Die PEX-Proteine spielen eine entscheidende Rolle für die Funktion der sogenannten Glykosomen – kleine Zellorganellen, die der Parasit für seinen Zuckerstoffwechsel benötigt.

"Die Idee war, das Zusammenspiel der beiden wichtigen Proteine PEX14 und PEX5 zu verhindern und dadurch den Stoffwechsel der Trypanosomen so massiv zu stören, dass sie nicht überleben können", wird Studienautor Dr. Grzegorz Popowicz in der Mitteilung zitiert.

Am Bayerischen NMR-Zentrum untersuchten die Forscher daher zunächst mithilfe der Kernspinresonanz-Spektroskopie die Struktur der beiden Zielproteine: Zunächst wurde die genaue räumliche Struktur der PEX-Proteine entschlüsselt. Ein Computer-gestütztes Verfahren identifizierte dann mögliche Wirkstoffkandidaten, die das Team im weiteren Verlauf mittels NMR-Untersuchungen validieren konnte.

Im nächsten Schritt optimierten die Wissenschaftler einen Wirkstoff, der perfekt an PEX14 bindet, so die Wechselwirkung mit PEX5 verhindert und die Parasiten abtötet. Grzegorz Popowicz beschreibt es so: "Wir haben quasi zunächst das Schloss vermessen und anschließend den Schlüssel dafür entworfen."

Weiterentwicklung geplant

Künftig wollen die Wissenschaftler die Moleküle weiterentwickeln, damit sie in klinischen Studien getestet und gegebenenfalls zur Herstellung von Medikamenten genutzt werden können. Darüber hinaus untersuchen sie, inwiefern sich die Methode auch für den Einsatz bei anderen einzelligen Parasiten anbietet, die möglicherweise auf ähnliche Proteine angewiesen sind. "Denkbar wäre hier etwa die Bekämpfung von Leishmanien", erklärt Studienautor Popowicz. In diese Richtung werde man künftig weiterforschen.

Acht Millionen Betroffene

Trypanosomen sind für verschiedene Erkrankungen vor allem in Lateinamerika und Afrika verantwortlich. Berühmtestes Beispiel ist wohl die Schlafkrankheit, die durch die Tsetse-Fliege übertragen wird. In ihrem Endstadium fallen die Patienten in einen Dämmerzustand, der der Krankheit ihren Namen verliehen hat.

Ein weiteres Beispiel ist die Chagas-Krankheit, die von Trypanosoma cruzi ausgelöst und von Raubwanzen übertragen wird. Schätzungen zufolge sind auf dem amerikanischen Kontinent rund acht Millionen Menschen davon betroffen. Symptome sind unter anderem Herzbeschwerden aber auch Nervenschäden im Verdauungstrakt. (eb)

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Mehr zum Thema

Sie fragen – Experten antworten

Pneumokokken-Impfung: Wann und mit welchem Impfstoff auffrischen?

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leitartikel zur „work and stay“-Agentur

Fachkräftegewinnung: Schwarz-Rot ist auf dem richtigen Weg

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie steht es um den Datenschutz bei der ePA, Frau Specht-Riemenschneider?

Lesetipps
Pneumokokken-Impfung: Wann und mit welchem Impfstoff auffrischen?

© Porträt: privat | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

Pneumokokken-Impfung: Wann und mit welchem Impfstoff auffrischen?

Auf einem Kalender liegen eine Spritze und ein Reisepass.

© Henrik Dolle / stock.adobe.com

Von Gelbfieber bis Tollwut

Diese Besonderheiten bei Reiseimpfungen sollten Sie kennen

Eine Fraktur wird fixiert.

© Radiographs / stock.adobe.com

Hyperglykämische Stoffwechsellage

Diabetes: Die wenig beachteten Folgen