Herzinsuffizienz oft unterschätzt

NYHA I – obwohl Duschen anstrengt

Viele Herzinsuffizienzpatienten sind in ihren Alltagsaktivitäten deutlich eingeschränkt. In der vom Arzt vergebenen NYHA-Klasse spiegelt sich das aber nicht unbedingt wider.

Von Dr. Beate Schumacher Veröffentlicht:

Boston. Die Einteilung der Herzinsuffizienz gemäß New York Heart Association (NYHA) in vier Schweregrade (NYHA I–IV) korreliert gut mit dem Risiko für Klinikeinweisungen und Tod. Trotzdem ist sie ein eher unscharfer Parameter, da sie auf der subjektiven Einschätzung des Arztes beruht, wie gut ein Patient in der Lage ist, etwa „alltägliche körperliche Belastungen“ zu bewältigen. Entsprechend gering ist die Reproduzierbarkeit der Schweregradeinteilung, wenn sie durch verschiedene Ärzte vorgenommen wird.

Ärzte aus den USA und Brasilien machen auf eine weitere Schwäche des Systems aufmerksam: Die von den Patienten erlebten Einschränkungen werden durch das NYHA-Stadium unzureichend erfasst und insgesamt unterschätzt, schreiben Dr. Renata Castro vom Brigham and Women’s Hospital und ihre Kollegen.

Jeder fünfte NYHA-I-Patienten körperlich eingeschränkt

Die Ärzte haben fast 1000 Patienten einer Herzinsuffizienzambulanz nach Einschränkungen in diversen Aktivitäten gefragt (Clin Cardiol 2019; online 30. September). Die Selbstauskünfte wurden mit dem NYHA-Stadium verglichen, das ein Kardiologe dem Patienten am selben Tag zugewiesen hatte, meist handelte es sich um NYHA I (40 Prozent) oder II (36 Prozent). Von den Patienten gaben 75 Prozent an, in ihren Alltagsaktivitäten eingeschränkt zu sein.

Patienten mit höherem NYHA-Stadium berichteten insgesamt über stärkere Einschränkungen. Teilweise bestand jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen Arzt- und Patientenurteil. NYHA-I-Patienten etwa haben per Definition noch keine Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.

In der Studie berichteten von ihnen jedoch 20 Prozent, dass sie Probleme hätten, einmal um den Block zu gehen; 12 Prozent erlebten sich sogar bei leichten körperlichen Aktivitäten wie Duschen und Baden als eingeschränkt. Seltener war der umgekehrte Fall, dass der Arzt die Behinderung seiner Patienten überschätzte; aber immerhin 5 Prozent der NYHA-III-Patienten gaben an, bei eiligem Gehen oder Joggen keine Probleme zu haben.

Wollen Patienten den Arzt nicht „enttäuschen“?

Zu abweichenden Einschätzungen über Aktivitätseinschränkungen können, so die Studienautoren, diverse Faktoren vonseiten der Ärzte wie der Patienten beitragen: Patienten passen ihren Aktivitäten der eingeschränkten Leistungsfähigkeit an und bemerken die Verschlechterung nicht, sie wollen ihren Arzt nicht „enttäuschen“ oder nicht noch mehr Medikamente bekommen. Ärzte fragen bei Folgeterminen möglicherweise zu wenig nach neuen Einschränkungen. Die Autoren empfehlen, Herzinsuffizienzpatienten gezielt nach Aktivitäten und Einschränkungen im Alltag zu fragen. Für eine stärker patientenorientierte Versorgung sei es nötig, vor allem die Aktivitäten zu besprechen, die dem Patienten besonders wichtig sind. (bs)

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