Experten kritisieren

Nationale Diabetes-Strategie der Regierung kommt nicht in Gang

Trotz der Diabetes-Epidemie lässt sich die Bundesregierung viel Zeit, um ein Konzept für eine Diabetes-Strategie zu entwickeln. Die unverbindlichen Ergebnisse des Zuckerreduktionsgipfels enttäuschen.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Demo für eine Diabetes-Strategie vor dem Kanzleramt in Berlin im Jahr 2013: Der Protest verhallt auch weiterhin.

Demo für eine Diabetes-Strategie vor dem Kanzleramt in Berlin im Jahr 2013: Der Protest verhallt auch weiterhin.

© Dirk Deckbar

BERLIN. Jeden Tag erkranken in Deutschland im Schnitt tausend Menschen neu an Diabetes, jeder fünfte Todesfall bei uns ist mit Diabetes-Komplikationen assoziiert und abgesehen vom schweren Leid der Betroffenen kostet allein die Versorgung von Patienten mit Typ-2-Diabetes nach (überholten) Schätzungen von 2010 über 16 Milliarden Euro im Jahr.

Schon seit vielen Jahren rufen daher Ärzte und Gesundheitsexperten nach einem Nationalen Diabetes-Plan mit Maßnahmen, die das Ausmaß der Erkrankungen in Deutschland eindämmen können. Als die aktuelle Regierung vergangenen Februar im Koalitionsvertrag ankündigte, die Diabetesversorgung in Deutschland künftig strukturiert verbessern zu wollen und dazu eine Nationale Diabetes-Strategie zu entwickeln, wurde das von Fachgesellschaften und Patientenorganisationen sehr begrüßt.

Seitdem ist allerdings nicht viel passiert, kritisiert die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) in einer Mitteilung. Daran ändert auch das unverbindliche Ergebnis des 2. Zuckerreduktionsgipfels in der vergangenen Woche nicht viel. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) kündigte dabei eine Grundsatzvereinbarung mit Branchenverbänden der Lebensmittelindustrie an. Danach soll ab 2019 bis 2025 der Gehalt an Zucker, Fett und Salz in Fertiggerichten schrittweise gesenkt werden. Zielvorgaben und Maßnahmen können die Hersteller selbst festlegen.

Für DDG-Präsident Professor Dirk Müller-Wieland ist das zu wenig: "Mit konkreten, kurzfristig messbaren Reduktionszielen und flankiert von weiteren Maßnahmen wie zum Beispiel einer verständlichen, transparenten Lebensmittelkennzeichnung auf der Vorderseite der Verpackung, einem Verbot für an Kinder gerichtete Werbung für zuckerreiche und hochkalorische Lebensmittel sowie steuerlichen Anreizen für die Industrie zur Umsetzung gesünderer Rezepturen, wäre diese Strategie ein wirklicher Meilenstein gewesen", kritisiert er in der Mitteilung.

Gesamtkonzept ist gefragt

Die DDG betont zudem, dass Maßnahmen zur gesunden Ernährung nur ein Puzzle-Stein in einem Gesamtkonzept sein können. "Die von der Bundesregierung im Koalitionsvertrag angekündigte Nationale Diabetes-Strategie ließ vermuten, dass endlich eine Gesamtstrategie für Diabetesprävention, -früherkennung und -therapie gefunden werden soll und die Politik den Ernst der Lage erkannt hat", so Müller-Wieland.

Die DDG fordert außer effektiveren Maßnahmen der Primärprävention ein Konzept mit einer besseren, sektorenübergreifenden medizinischen Versorgung für Menschen mit Diabetes, unter anderem auch durch eine adäquate Medizinerausbildung und -weiterbildung, ein flächendeckendes Versorgungsnetz durch niedergelassene Haus- und Fachärzte, eine angemessene Behandlung und Pflege von Menschen mit Diabetes im Krankenhaus, moderne Arzneien sowie ein deutschlandweites Diabetesregister. Zudem müsse der Beruf der Diabetesberaterin und des Diabetesberaters staatlich anerkannt werden.

Bisher zieht die Fachgesellschaft eine wenig erfreuliche Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit: "Seit Verabschiedung des Koalitionsvertrags im März sind 220 Tage vergangen und noch immer hat die darin angekündigte Nationale Diabetes-Strategie der Bundesregierung keinen Schritt vorwärts getan – eine greifbare Gesamtstrategie fehlt weiterhin", bedauert DDG-Geschäftsführerin Barbara Bitzer in der Mitteilung. Die DDG erwartet vor allem vom Bundesgesundheitsministerium ein Konzept zur Umsetzung der Maßnahmen – im Interesse der heute Erkrankten und der künftigen Patienten.

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