Interview

Osteoporose-Check bei Risikofaktoren

Viele Patientinnen sprechen ihren Arzt auf ihr Risiko für Osteoporose an. Bei welchen Frauen sollte man diagnostisch aktiv werden? Und nach welchen Kriterien ist eine Therapie zu entscheiden? Praktische Ratschläge hierzu erteilt Professor Peyman Hadji von der Universitätsklinik Marburg.

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Prof. Peyman Hadji

Aktuelle Position: Leiter des Schwerpunktes für Gynäkologische Endokrinologie, Reproduktionsmedizin und Osteologie sowie Leiter des Deutschen Referenzzentrums für schwangerschaftsassoziierte Osteoporoseam Universitätsklinikum Gießen und Marburg

Schwerpunkt: Osteoporose

Ärzte Zeitung: Herr Professor Hadji, wie häufig ist denn die postmenopausale Osteoporose?

Professor Peyman Hadji: Der Statistik zufolge erleidet derzeit etwa jede dritte Frau nach den Wechseljahren einen Knochenbruch als Folge einer Osteoporose.

Mit zunehmender Lebenserwartung wird die Wahrscheinlichkeit noch deutlich steigen. Es gilt deshalb, die Frauen mit erhöhtem Risiko herauszufiltern, zu diagnostizieren und entsprechend zu behandeln.

Ärzte Zeitung: In welchen Fällen sollte die Knochendichte gemessen werden?

Hadji: Der Dachverband Osteologie DVO empfiehlt die Knochendichtemessung bei Frauen, deren Risiko für eine Osteoporosebedingte Wirbelkörper- oder Schenkelhalsfraktur in den nächsten zehn Jahren über 20 Prozent liegt.

Neben einer positiven Eigen- oder Familienanamnese gelten unter anderem auch Medikamente wie Kortison oder Aromatasehemmer als Risikofaktoren.

Ausführliche Informationen geben die Leitlinien des DVO, im Internet unter www.dv-osteologie.org, die als Kitteltaschenversion zur Verfügung stehen.

Ärzte Zeitung: Welche Untersuchungen sollte der Arzt bei Risikopatientinnen einleiten?

Hadji: Sinnvoll ist es, während der Wechseljahre in einer Basisuntersuchung die Risikofaktoren für eine Osteoporose sowie gegebenenfalls den Knochendichtestatus zu bestimmen.

Der Zeitpunkt für eine erneute Untersuchung richtet sich dann nach dem Ergebnis der Basisuntersuchung, dem Alter der Patientin und der Summe der Risikofaktoren. Gefährdet sind Frauen allerdings nicht nur nach der Menopause.

Grundsätzlich muss auch bei allen jüngeren Frauen daran gedacht werden, die über längere Zeit eine Amenorrhoe oder über viele Jahre eine Hypomenorrhoe haben.

Denn diesen Frauen fehlt es chronisch an Östrogen. Dazu gehören Extremsportlerinnen, extrem dünne Frauen sowie Frauen mit einer Anorexie.

Sie sollten deshalb überwacht und in Bezug auf ihre Ernährungsgewohnheiten entsprechend beraten werden. Auch eine Therapie mit GnRH-Analoga oder eine Chemotherapie senkt die Östrogenspiegel und erhöht damit das Osteoporoserisiko.

Ärzte Zeitung: Und welche Behandlungsmöglichkeit eignet sich für welche Patientin?

Hadji: Bei der Entscheidung für eine Therapie sollte der Menopausenstatus herangezogen werden. Bei prämenopausalen Frauen sind Medikamente zu bevorzugen, die nicht dauerhaft im Knochen verbleiben.

Neben einer Basistherapie mit Vitamin D und Kalzium sind deshalb gegebenenfalls Östrogene, bei bestehenden Frakturen Parathormonderivate indiziert. Sie wirken physiologisch und sind nach kurzer Zeit wieder ausgeschieden.

Die HRT ist die erste Wahl bei Frauen in der Perimenopause und der frühen Postmenopause bis zu einem Alter von zirka 60 Jahren, wenn auch noch klimakterische Symptome bestehen. Sie wirkt physiologisch und ist hocheffektiv.

In der Postmenopause richtet sich die Wahl nach der Präferenz der Frau und den assoziierten Nebenwirkungen.

Entscheidend ist es eine gute Compliance zu erreichen, und die ist nur gewährleistet, wenn die Patientin die Therapie mitträgt. Kostengünstig sind orale Bisphosphonate; Bisphosphonate lassen sich jedoch auch intravenös applizieren.

Des Weiteren kommt Denosumab infrage. Parathormon steht als weitere Option zur Verfügung, allerdings in einer untergeordneten Rolle bei Frauen die trotz antiresorptiver Behandlung weiter frakturieren, oder bei unbehandelten Frauen mit drei Vorfrakturen.

Die Therapiedauer liegt bei einer behandlungsbedürftigen Osteoporose bei drei bis fünf Jahren. Langfristig kann im Sinne einer sequentiellen Therapie behandelt werden.

Kontrollmessungen nach zwei und vier Jahren dienen vor allem der Motivationsförderung. Für die Prävention sind regelmäßige körperliche Bewegung sowie eine ausreichende Zufuhr von Vitamin D (2000 IE) und Kalzium (1000 mg) geeignet.

Das Interview führte Beate Fessler.

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