Zwangsbehandlung

Regierung will Ärzte entlasten

Die Bundesregierung hat neue Regeln zur ärztlichen Zwangs­behandlung psychisch Erkrankter beschlossen - und will diese bald in einem Gesetz umsetzen. Die Opposition klagt: Das geht zu schnell.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Medikamentengabe in der Klinik. Nicht immer sind Patienten mit ihrer Behandlung einverstanden. Ärzte, die Patienten in Ausnahmefällen gegen ihren Willen behandeln müssen, sollen rechtlich besser gestellt werden.

Medikamentengabe in der Klinik. Nicht immer sind Patienten mit ihrer Behandlung einverstanden. Ärzte, die Patienten in Ausnahmefällen gegen ihren Willen behandeln müssen, sollen rechtlich besser gestellt werden.

© Yuri Arcurs / shutterstock

BERLIN. Die Bundesregierung plant, eine Regelungslücke zu schließen. Künftig sollen Ärzte psychisch erkrankte Menschen wieder unter engen Voraussetzungen auch dann ärztlich behandeln dürfen, wenn die Patienten selbst einer solchen Behandlung nicht zustimmen können.

Das Justizministerium sieht darin eine Erleichterung auch für Ärzte: Sie müssten dann nicht mehr sehenden Auges eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ihrer Patienten hinnehmen.

Die neuen Regeln sollen an einen Gesetzentwurf zum Unterhaltsrecht angehängt werden. Sprecherinnen der Linken und der Grünen im Bundestag haben deshalb das Verfahren kritisiert.

Zwar stelle der Entwurf eine "tragfähige Diskussionsgrundlage" dar, sagte die Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink. Dass das Gesetz allerdings "im Eiltempo durchgepeitscht" werden solle, werde einem solch schweren Eingriff in die Grundrechte nicht gerecht.

In einem Brief, der der "Ärzte Zeitung" vorliegt, hat sich die gesundheitspolitische Sprecherin der Linken, Martina Bunge, an ihre rechtspolitischen Kollegen aus allen Fraktionen gewandt.

Darin fordert sie eine Beteiligung des Gesundheitsausschusses am Gesetzgebungsverfahren. Der ethischen Diskussion über ärztliche Zwangsmaßnahmen an psychisch Kranken solle nicht durch ein "parlamentarisches Hau-Ruck-Verfahren" ausgewichen werden.

Urteil des Bundesgerichtshofes

55.000

Auslöser für das von CDU/CSU und FDP eingeleitete Gesetzgebungsverfahren war ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom Juni dieses Jahres. Die Richter in Karlsruhe hatten die Regierung aufgefordert, die Regeln für ärztliche Zwangsbehandlungen neu aufzustellen.

Seitdem dürfen Menschen nur noch gegen ihren Willen in Kliniken eingewiesen, nicht aber behandelt werden. Für solche betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlungen fehlten die verfassungsrechtlichen Grundlagen, hatten die Karlsruher Richter festgestellt. Diese soll das neue Gesetz nun schaffen.

Schon zuvor galt, dass ärztliche Zwangsbehandlungen wie die Gabe von Psychopharmaka oder Zwangsernährungen, wegen des damit verbundenen schweren Eingriffs in die Grundrechte der Betroffenen, nur das letzte Mittel sein konnten. Vorher musste der Betreuer einwilligen.

Das Justizministerium sieht mit dem Gesetzentwurf die Rechte der Betroffenen gestärkt. Wie oft es zu ärztlichen Zwangsbehandlungen kommt, ist dort nicht bekannt. Es gebe rund 55.000 Zwangseinweisungen im Jahr, sagte eine Sprecherin der "Ärzte Zeitung".

Vom Richter genehmigen lassen

Künftig soll sich der Betreuer seine Einwilligung zu einer Zwangsbehandlung von einem Richter genehmigen lassen. Dieser Beschluss wiederum soll auch an den Arzt adressiert werden und "Angaben zur Durchführung und Dokumentation" enthalten.

Nicht auf die Zwangseinweisung zu warten, sondern früher einzugreifen, fordern Ärzte und Psychotherapeuten. Schizophrene zum Beispiel könnten in einer gesunden Phase im Gespräch mit ihren Ärzten eine Art verbindliche Patientenverfügung hinterlegen, schlägt die Bundespsychotherapeutenkammer vor.

Solche Regelungen in das Patientenrechtegesetz aufzunehmen, hat die Kammer, bislang ohne Erfolg vorgeschlagen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ruhigstellen reicht nicht

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