Pandemie

Rheinland-Pfalz: Corona-Aufarbeitung wohl ohne erneute Enquete-Kommission

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will in die Corona-Transparenz-Offensive gehen. Die rheinland-pfälzische Politik ist verhaltener. Eine eigene Enquete-Kommission im Landtag lehnen die Regierungsparteien und auch der Großteil der Opposition ab.

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Eine Passantin trägt eine FFP2-Maske in der Hand. Welche Pandemie-Maßnahmen waren notwendig und zielführend? In Rheinland-Pfalz will man sich bei der Aufarbeitung auf den Bund verlassen und selbst eher keine neue Enquete-Kommission einsetzen.

Eine Passantin trägt eine FFP2-Maske in der Hand. Welche Pandemie-Maßnahmen waren notwendig und zielführend? In Rheinland-Pfalz will man sich bei der Aufarbeitung auf den Bund verlassen und selbst eher keine neue Enquete-Kommission einsetzen.

© Marijan Murat/dpa/picture alliance

Mainz. In Rheinland-Pfalz steht eine parlamentarische Aufarbeitung der staatlichen Maßnahmen während der Corona-Pandemie auf der Tagesordnung. Doch eine Enquete-Kommission des Landtags zu den Vorgängen einzusetzen, wird sowohl von den Ampel-Fraktionen als auch vom überwiegenden Teil der Opposition abgelehnt, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur in Mainz ergab. Nur die AfD-Fraktion dringt auf eine solche überfraktionelle Arbeitsgruppe, die aus Abgeordneten sowie Sachverständigen aus Wissenschaft und Praxis besteht.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte jüngst in konkreten Bereichen der Pandemie-Politik Aufklärung zugesagt. Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) spricht sich für eine Aufarbeitung der Corona-Politik der Pandemiejahre aus, ferner gibt es Forderungen für eine Enquete-Kommission im Bundestag.

Für ihre Einsetzung muss ein Viertel der Mitglieder des Bundestages stimmen. Ein solches Gremium kann umfangreiche Empfehlungen für die Gesetzgebung zu wichtigen gesellschaftlichen Themen vorbereiten oder – im Fall Corona – Empfehlungen für den Umgang mit künftigen Pandemien. Das Haus des rheinland-pfälzischen Wissenschafts- und Gesundheitsministers Clemens Hoch (SPD) will sich zum Einsetzen einer Enquete-Kommission für die Pandemie-Politik-Aufklärung im Land äußern und verweist darauf, dass das eine Entscheidung des Landtags sei.

Grünen-Fraktion: Noch eine Landeskommission nicht sinnvoll

Im Parlament von Rheinland-Pfalz war im Jahr 2020 bereits eine Enquete-Kommission mit dem Titel „Vorsorge- und Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus in Rheinland-Pfalz und Konsequenzen für die Pandemiepolitik“ eingesetzt worden. Sie hatte sich mit den Entwicklungen von SARS-CoV-2 in Rheinland-Pfalz und den möglichen Konsequenzen beschäftigt.

Da es in Rheinland-Pfalz schon zu Beginn der Pandemie eine Enquete-Kommission gab, sieht die Grünen-Fraktion keine weitere Notwendigkeit für noch eine Kommission, wie der Gesundheitsexperte der Fraktion, Josef Winkler, der dpa sagt. Allenfalls wäre eine Enquete-Kommission auf Bundesebene sinnvoll, da die maßgeblichen Rechtsgrundlagen etwa zum Infektionsschutzgesetz und den Impfempfehlungen im Bund verabschiedet wurden.

Aus der Opposition sei bereits angekündigt worden, eine Evaluierung der Maßnahmen auf Landesebene im Rahmen einer ausführlichen Anhörung im Gesundheitsausschuss vorzuschlagen. „Dazu sind nun die demokratischen Fraktionen im Gespräch“, sagte der Grünen-Politiker. Ähnlich äußerte sich auch der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Steven Wink: Für eine erneute Enquete-Kommission auf Landesebene sehen die Liberalen, eine der Regierungsfraktionen, derzeit keinen Bedarf.

Das Infektionsschutzgesetz sei Bundesrecht. Zudem habe der Bund zahlreiche und sehr umfangreiche Daten der Pandemiejahre aus allen 16 Bundesländern vorliegen. Eine Enquete-Kommission des Bundestages wäre daher zweckmäßiger, sagte Wink der dpa. Der Mainzer Landtag und die Fraktionen hätten sich in verschiedenen Fachausschüssen mit den zahlreichen Facetten der Pandemie beschäftigt. „Die differenzierte Arbeit in den Ausschüssen des Landtags werden wir natürlich auch weiterhin fortsetzen.“

Maßnahmen „waren erforderlich, notwendig und zielgerichtet“

„Aus Sicht der SPD-Fraktion bedarf es in Rheinland-Pfalz keiner weiteren Enquete-Kommission zur Evaluierung der Corona-Krise – unter anderem, da es eine solche ja bereits während der Pandemie gab“, erklärte auch ein Sprecher der Sozialdemokraten. „Eine Erkenntnis im umfangreichen Abschlussbericht: Die Maßnahmen der Landesregierung waren erforderlich, notwendig und zielgerichtet.“

Dazu gebe es verschiedene kontinuierliche Formen der notwendigen Aufarbeitung auf mehreren Ebenen. Das Gesundheitsministerium habe etwa während der Pandemie einen Ethik-Beirat eingerichtet und die Landesregierung Maßnahmen und Strukturen permanent überprüft und ihre Schlüsse daraus gezogen. „Des Weiteren standen und stehen diese Themen weiterhin insbesondere im Gesundheitsausschuss des Landtags auf der Tagesordnung“, erklärte der Sprecher der SPD-Fraktion.

„Mit etwas zeitlichem Abstand zur Pandemie können wir uns eine erneute parlamentarische Befassung mit dem Thema sehr gut vorstellen“, sagte der Gesundheitsexperte der CDU-Fraktion, Christoph Gensch. Eine mehrtägige, umfangreiche Anhörung im Gesundheitsausschuss könnte dazu eine geeignete Möglichkeit sein. Die Folgen der Pandemie erstreckten sich auf viele Bereiche des Lebens sowie der Gesellschaft und hielten bis heute an. „Diesen gesamten Zeitraum, über das unmittelbare Pandemie-Geschehen hinaus, müssen wir betrachten, um zu einer ganzheitlichen Bewertung zu kommen.

Freie Wähler: Dann muss aber auch eine Expertenanhörung her

Der Gesundheitsexperte der Freien Wähler im Landtag, Helge Schwab, verweist auf das Vorgehen im benachbarten Saarland. Im Nachbarbundesland sei keine Enquete-Kommission eingerichtet worden, dafür aber nach Ende der Pandemie im September 2023 eine zweitägige Expertenanhörung im Gesundheitsausschuss durchgeführt worden. Dieses Vorgehen wäre auch für Rheinland-Pfalz sinnvoll. Die Nachbetrachtung müsste jedoch nicht nur die gesundheitlichen Aspekte beleuchten, sondern auch die rechtlichen Konsequenzen.

AfD-Fraktionschef Jan Bollinger betont dagegen, dass aus Sicht der Oppositionsfraktion eine Enquete-Kommission das richtige Instrument für eine offene und ehrliche Aufarbeitung der staatlichen Corona-Maßnahmen wäre. Bereits im vergangenen September habe seine Fraktion einen entsprechenden Antrag in den rheinland-pfälzischen Landtag eingebracht. Einer Aufarbeitung durch eine wie auch immer geartete Experten-Kommission stehe die AfD dagegen kritisch gegenüber. In der Pandemie sei die Arbeit vergleichbarer Gremien teilweise intransparent gewesen. (dpa)

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