Thrombektomie

Schlaganfall-Versorgung geht neue Wege

Die Thrombektomie kann Leben retten, aber nicht jede Klinik kann thrombektomieren. Es sind daher neue Konzepte bei der Versorgung von Patienten mit Schlaganfall gefragt.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Schlaganfall-Therapie: Das mechanische Entfernen von Thromben in den Gehingefäßen (Thrombektomie) gilt als großer Durchbruch.

Schlaganfall-Therapie: Das mechanische Entfernen von Thromben in den Gehingefäßen (Thrombektomie) gilt als großer Durchbruch.

© Photosani / Fotolia

Die mechanische Thrombektomie gilt als ein großer Durchbruch in der Schlaganfalltherapie: Werden Thromben in den großen Hirngefäßen mit modernen Stentrievern entfernt, lässt sich die Sterblichkeit senken und das funktionelle Ergebnis deutlich verbessern – das hat mittlerweile ein halbes Dutzend kontrollierter Studien eindrucksvoll belegt.

Allerdings gibt es in Deutschland nur etwa 120 neuroradiologisch ausgestattete Zentren, die eine Thrombektomie rund um die Uhr anbieten, und die befinden sich vor allem in Ballungszentren. In den übrigen Regionen müssen sich Ärzte überlegen, wie sie möglichst schnell die etwa zehn Prozent derjenigen Schlaganfallpatienten identifizieren können, die von einer Thrombektomie profitieren, und zum anderen, wie sich diese rasch in ein geeignetes Zentrum überstellen lassen. Dazu werden mehrere Modelle diskutiert:

» Drip and ship: Hierbei kommen Schlaganfallpatienten zunächst in ein regionales Zentrum. Stellen die Ärzte dort einen großen Gefäßverschluss fest, der mechanisch entfernt werden sollte, beginnen sie mit der I.v.-Lyse ("drip") und veranlassen den Transport ("ship") in eine Klinik mit Thrombektomie-Expertise.

Dieses Verfahren wird derzeit in Deutschland bei rund 80 Prozent der Thrombektomie-Patienten praktiziert. Der Nachteil: Es dauert sehr lange, bis der Thrombus mechanisch entfernt werden kann. Auf der anderen Seite bietet die rasche Lyse einen gewissen Schutz: Möglicherweise werden dadurch Mikrothromben aufgelöst, was die Prognose bereits verbessert. In einer Studie aus Paris hatten Patienten, die nicht direkt in ein Thrombektomie-Zentrum gefahren, sondern zunächst per "drip and ship" behandelt wurden, keine Nachteile – obwohl es im Schnitt eine Stunde länger dauerte, bis die Hirngefäße frei waren (JAMA Neurol. 2017; 74(5): 549–556).

» Mothership-Modell: In der Nähe überregionaler Schlaganfallzentren ("mothership") sollte es vorteilhafter sein, Patienten mit schweren Insulten direkt dorthin statt zunächst zur Lyse in ein kleineres Zentrum zu fahren. Ein Nachteil ist jedoch der geringe Anteil von Schlaganfallpatienten, bei denen eine Thrombektomie indiziert ist. Es besteht die Gefahr, die Zentren mit Patienten zu überlasten, die dafür nicht infrage kommen. Zudem würde sich bei vielen Patienten die Zeit bis zur Lyse verlängern. Nach kalifornischen Daten ist dieses Modell nur von Vorteil, wenn der Transport ins spezialisierte Zentrum weniger als 20 bis 30 Minuten dauert, ansonsten ist "drip and ship" gleichwertig oder überlegen.

» STEMO: Wird gleich im Rettungswagen ein kranielles CT gemacht, lässt sich zum einen erkennen, wer einen ischämischen Infarkt hat, und zum anderen, wer eine Thrombektomie benötigt. Die Rettungsärzte können also noch auf dem Transport eine Lyse einleiten und die Patienten gleich in die richtige Klinik fahren. Ein solches Verfahren wird mit dem "Stroke Emergency Mobile", kurz STEMO, in Berlin geprüft. In einer Studie erhielten Patienten auf diese Weise eine Stunde früher die Lyse als solche mit Bildgebung erst in der Klinik, auch traten schwere Behinderungen und Todesfälle etwas seltener auf (Lancet Neurology 2016; 15(10): 1035–1043). Die Methode ist jedoch recht aufwändig und teuer.

» Alternative Ansätze: Eine Variante des Mothership-Konzepts ist das "Hub-and-Spoke"-Arrangement. Kleinere Kliniken haben nachts nicht die Ressourcen, eine Thrombolyse einzuleiten. Schlaganfall-Patienten werden dann statt in eine lokale Klinik (spoke = Speiche) in ein größeres Zentrum (hub = Nabe) befördert. Hat sich der Zustand eines Patienten stabilisiert, wird er in die lokale Klinik zurücktransportiert. In ähnlicher Weise können auch tagsüber Patienten mit schwerem Schlaganfall mit Verdacht auf einen Thrombus in den vorderen Hirngefäßen direkt ins Thrombektomiezentrum und später zurück in die kleinere Klinik gebracht werden.

In Bayern werden Modelle geprüft, in denen Thrombektomie-Spezialisten bei Bedarf in kleinere Kliniken geflogen werden. Mitunter ist das günstiger und effektiver, als die betreffenden Patienten zum Experten zu verfrachten.

Versorgung mit Thrombektomie

» Nur etwa 120 neuroradiologisch ausgestattete Zentren gibt es in Deutschland, die eine Thrombektomie rund um die Uhr anbieten; sie befinden sich vor allem in Ballungszentren.

» In den übrigen Regionen müssen sich Ärzte überlegen, wie sie möglichst schnell diejenigen Patienten identifizieren, die von einer Thrombektomie profitieren und wie sie diese rasch in ein geeignetes Zentrum überstellen können.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
PAP senkt Mortalität signifikant

© ResMed

Lancet: Neue Meta-Analyse

PAP senkt Mortalität signifikant

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Wie UKPS den Weg zurück in die Therapie öffnet

© ResMed

PAP scheitert oft

Wie UKPS den Weg zurück in die Therapie öffnet

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Schlafstörungen als Warnsignal

© shapecharge | iStock

Früherkennung Demenz

Schlafstörungen als Warnsignal

Anzeige | ResMed Germany Inc.
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Abb. 1: Phenylketonurie – Phenylalanin-Zielwerte und Monitoring während der Lebensphasen

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [2, 3]

Enzymersatztherapie der Phenylketonurie

Pegvaliase: anhaltendes Ansprechen, flexiblere Ernährung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: BioMarin Deutschland GmbH, Kronberg am Taunus
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Lesetipps
Ein Traum für jeden Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes: Eine vollständig automatisierte Insulingabe mit Full-Closed-Loop (FCL)-Systemen dank künstlicher Intelligenz (KI).

© Iryna / stock.adobe.com

KI in AID-Systemen

Diabetes: Vollautomatisierte Insulinpumpen sind im Kommen

Patient mit Hypoglykämie, der seinen Blutzuckerspiegel mit einem kontinuierlichen Blutzuckermesssensor und einer Smartphone-App überwacht.

© martenaba / stock.adobe.com

Trotz Schulung

Die wenigsten Diabetes-Patienten reagieren adäquat auf Hypoglykämie

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren