Studie

Schwaches Herz durch veränderten Stoffwechsel

Das Herz bezieht seine Energie vorrangig aus Fettsäuren. Stellt sich der Stoffwechsel jedoch auf andere Energiequellen um, kann Herzinsuffizienz die Folge sein, wie Wissenschaftler entdeckt haben.

Veröffentlicht:
Eine Umstellung des Stoffwechsels von Fettsäuren zu Kohlenhydraten führt zu Herzinsuffizienz, so eine Studie.

Eine Umstellung des Stoffwechsels von Fettsäuren zu Kohlenhydraten führt zu Herzinsuffizienz, so eine Studie.

© psdesign1 / Fotolia

HEIDELBERG. Wenn alles gut geht, hat das Herz bis zum 75. Geburtstag eines Menschen fast 180 Millionen Liter Blut durch den Körper gepumpt. Dafür schlägt es rund 100.000 Mal pro Tag. Doch bei bis zu 3 Millionen Menschen in Deutschland schwächelt die Pumpe: Sie leiden unter Herzinsuffizienz. Wissenschaftler haben nun eine neue Erklärung für die Pathogenese der Erkrankung.

"Es ist schon länger bekannt, dass Herzinsuffizienz eine Veränderung im Stoffwechsel nach sich zieht", berichtet Andreas Fischer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg in einer Pressemitteilung des DKFZ. Während gesunde Herzen ihren Energiebedarf zu mehr als 75 Prozent aus Fettsäuren gewinnen, steigen geschwächte Herzen auf Kohlenhydrate als bevorzugte Energiequelle um. Doch der Zusammenhang gilt auch umgekehrt. In Zusammenarbeit mit weiteren Kollegen des Zentrums sowie des Universitätsklinikums Heidelberg hat Fischer jetzt in einer in der Fachzeitschrift "Circulation" publizierten Studie festgestellt (DOI 10.1161/CIRCULATIONAHA.117.029733): Eine Umstellung des Stoffwechsels von Fettsäuren als Energiequelle zugunsten von Kohlenhydraten verursacht Herzinsuffizienz.

Als biochemischen Schlüssel zu diesem Effekt identifizierte das Team um Fischer ein Rezeptormolekül namens Notch-1. Mit Hilfe eines therapeutischen Antikörpers, der vorwiegend in Zellen der Blutgefäßwand wirkt, hatten die Wissenschaftler bei Mäusen den Notch-1-Signalweg blockiert. In der Folge entwickelten die Tiere eine Herzinsuffizienz.

In einem weiteren Experiment nutzten die Forscher einen genetischen Trick und züchteten Mäuse, bei denen sich die Notch-1-Signalübertragung gezielt in den Endothelzellen der Blutgefäße ausschalten lässt. Wieder erkrankten die Tiere innerhalb weniger Wochen an Herzinsuffizienz.

"Dieser deutliche Effekt hat uns selbst überrascht", sagt Markus Jabs, Erstautor der Studie. Doch er hat auch eine Erklärung parat: "Damit Nährstoffe aus den Blutgefäßen in den Herzmuskel gelangen, müssen sie durch die Endothelzellen transportiert werden. Wir haben nun den Rezeptor Notch-1 als wichtige Kontrollinstanz für den Transport von Fettsäuren aus dem Blut ins Herzmuskelgewebe identifiziert. Wird Notch-1 blockiert, stehen dem Herzen weniger Fettsäuren zur Verfügung und es muss auf Zucker als Energiequelle umsteigen", so Jabs. Dabei wird ein weiterer Signalweg namens mTOR-aktiviert, der für das Überleben und Wachstum von Zellen eine Rolle spielt. Ein Blockieren dieses Signalwegs konnte im Experiment verhindern, dass die Mäuse eine Herzinsuffizienz entwickelten. Denselben Effekt hatte eine extrem kohlenhydratarme Diät.

"Das bedeutet jedoch nicht, dass wir Kohlenhydrate vollständig vom Speiseplan streichen sollen, um Herzinsuffizienz zu verhindern", sagt Fischer. Der Arzt und Wissenschaftler ist überzeugt, dass kohlenhydrathaltige Ernährung alleine keine Herzschwäche verursacht. "Unsere Ergebnisse zeigen aber, welche wichtige Bedeutung eine Veränderung des Stoffwechsels, etwa aufgrund von angeborenen oder erworbenen Stoffwechselerkrankungen, für den Verlauf einer Herzinsuffizienz hat." Möglicherweise hat das Forscherteam damit eine wichtige Stellschraube für die Therapie der Herzschwäche aufgezeigt.

Konsequenzen für die Krebsforschung

Die Ergebnisse der DKFZ-Forscher haben darüber hinaus eine weitreichende Bedeutung für die Krebsforschung. Notch-1 stellt ein Onkogen dar. Mutationen, die zu einer verstärkten Aktivierung führen, können das Entstehen von Tumoren begünstigen.

Das macht den Notch-Signalweg zu einem interessanten Angriffspunkt für die Krebstherapie. Zumindest theoretisch: Denn bei einigen frühen klinischen Studien mit einem Wirkstoff, der diesen Signalweg blockiert, erkrankten Probanden an einer Herzinsuffizienz. "Unsere Ergebnisse können diese Nebenwirkung nun erklären", sagt Fischer. " Möglicherweise könnten auch spezielle Diäten oder eine zusätzliche Blockade des mTOR-Signalwegs während der Behandlung helfen, die lebensbedrohliche Nebenwirkung Herzinsuffizienz zu verhindern, vermutet der Wissenschaftler. (eb)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse

„Das Blatt wendet sich“

RAS-Blocker präoperativ eher nicht absetzen?

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Kommentare
Ruth Neubauer 27.01.201807:45 Uhr

Warum führt der Ductus Thoracicus Nahrungsfette wohl direkt zum Herzen?!

"Paradigmenwechsel in der Ernährungstherapie: Verbesserung der
1) Basis Anatomie/Physiologie: Nahrungsfette werden via ductus thoracicus unter Umgehung der Leber direkt zum Herzen geführt! Ob die Natur sich da nicht etwas gedacht hat?

2) (für die, die''s klinischer mögen): Herzfunktion durch kohlenhydratreduzierte anstelle von fettarmer Kost für Patienten mit metabolischem Syndrom/Typ-2-Diabetes", Helene von Bibba, Cardiovasc 2014; 14(3):

Ich empfehle allen, die noch zweifeln, diesen hervorragenden Artikel (den ich 2014 im Springer Online-CME-Programm entdeckte - und sogar als Frauenärztin so faszinierend fand, dass ich diese 3 Punkte erarbeitete).

Ich schließe mich dem Vorkommentator an: warum dauert es so lange, bis solche Erkenntnisse endlich umgesetzt werden!?

Rudolf Hege 26.01.201813:44 Uhr

Da schau...

Nun wird es langsam Zeit, dass sich die DGE ganz von ihrem Credo "Kohlenhydrate sind besser als Fett" verabschiedet. Es hat schon genug Schaden angerichtet. Ein Überangebot von Kohlenhydraten ist nicht artgerecht - und daher schädlich.

Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!

Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau