Steroid durchs Trommelfell beseitigt Hörsturz

Werden Steroide nach einem Hörsturz direkt ins Mittelohr injiziert, ist die Ansprechrate ähnlich gut wie bei einer systemischen Steroidtherapie, das Hörvermögen mitunter sogar noch besser. Das Verfahren eignet sich daher auch für Diabetiker, für die Steroidtabletten nicht infrage kommen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Als Ursachen für einen Hörsturz werden entzündliche und immunologische Prozesse vermutet.

Als Ursachen für einen Hörsturz werden entzündliche und immunologische Prozesse vermutet.

© ArTo / fotolia.com

ATHEN. Welche Therapie nach Hörsturz am besten wirkt, ist nach wie vor umstritten, es gibt praktisch keine größeren und aussagekräftigen placebokontrollierten Studien.

Die hohe Rate von Spontanremission (bei 30 bis 60 Prozent) erschwert es zudem, die Wirksamkeit einer Therapie zu beurteilen.

Da man entzündliche und immunologische Prozesse als Ursache des Hörsturzes vermutet, wird häufig mit oralen Steroiden therapiert.

Seit einigen Jahren hat sich auch die intratympanale Applikation etabliert. Man verspricht sich dadurch eine höhere Steroidkonzentration im Innenohr sowie weniger Nebenwirkungen.

Ärzte aus Athen sowie aus Stevenage in Großbritannien haben nun die verfügbaren Daten zur Wirksamkeit einer Injektion von Steroiden ins Mittelohr geprüft (Eur Arch Otorhinolaryngol 2011; online September).

Jeder dritte Hörsturz wurde beseitigt

Insgesamt fanden sie 14 Studien mit 522 Patienten, in denen das Verfahren zur Primärtherapie verwendet wurde. In diesen Studien kam es bei 34 Prozent der Patienten zu einer kompletten Wiederherstellung des Hörvermögens. Ähnliche Zahlen sind auch aus Studien mit systemischer Steroidtherapie bekannt.

In zwei der Studien wurde in einem direkten Vergleich mit systemischen Steroiden eine ähnliche Ansprechrate ermittelt, zwei weitere Studien fanden Hinweise, dass das Hörvermögen nach intratympanaler Therapie besser war als mit systemischer Therapie.

Die Ärzte überprüften zudem 20 Studien mit zusammen 525 Patienten, bei denen die Injektionen nur als Reservetherapie erfolgten. Zuvor war eine systemische Steroidbehandlung erfolglos verlaufen. Mit der intratympanalen Therapie erreichten immerhin noch 13,4 Prozent eine Komplettremission.

Sinnvoll als Primärtherapie und als Reserve

Die Autoren der Analyse schließen daraus, dass das invasive Verfahren sowohl zur Primär- als auch zur Reservetherapie erfolgversprechend ist.

Für eine Kombination aus systemischer und intratympanaler Therapie ergaben sich in sechs analysierten Studien jedoch keine Vorteile gegenüber den Einzeltherapien.

In einigen Studien wurde auch gezielt die Wirksamkeit der Injektionstherapie bei Diabetikern untersucht, sie unterschied sich nicht von der bei Nicht-Diabetikern.

Erwähnung in den Leitlinien

Da bei einer systemischen Steroidtherapie die Gefahr einer Hyperglykämie besteht, wäre die intratympanale Applikation für Diabetiker eine Alternative.

In der S1-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie aus dem vergangenen Jahr wird die intratympanale Anwendung von Kortikosteroiden ebenfalls erwähnt, und zwar als mögliche Reservetherapie.

Trotz der derzeit noch nicht eindeutigen Datenlage könne diese Therapie zumindest bei hochgradigem Hörverlust in Betracht gezogen werden, heißt es im Leitlinientext.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 27.09.201113:47 Uhr

Weiter Polypragmasie beim Hörsturz

Es hat schon eine bestechende Logik, Steroide nach einem idiopathischen Hörsturz ("sudden sensorineural hearing loss [SSNHL]") direkt ins Mittelohr zu injizieren. Das Durchstechen des Trommelfells birgt allerdings Infektions- und Verletzungsgefahren.

Systemische Steroidtherapie von Kopfhaut bis Fußsohle ist, ob oral oder parenteral, weit weniger zielführend. Doch auch eine kritische Analyse gepoolter Studiendaten ("critical analysis of pooled data") in Form einer Metaanalyse ist nicht frei von erkenntnistheoretischen Ungereimtheiten:

Wenn der ''gemeine'' plötzliche Hörsturz ("sudden deafness") eine Spontanremission von 30 bis 60 Prozent aufweist, sind nach aufwendiger intratympanaler Steroid-Therapie in nur 34 Prozent wiederhergestelltes Patienten-Hörvermögen dürftig. Da hilft keine noch so kluge Metaanalyse, da müsste eine multizentrische randomisierte, doppelblinde, prospektive Studie Klarheit bringen. Auch 13,4 Prozent zusätzliche Komplettremission nach erfolgloser systemischer u n d nachfolgender lokaler Steroidtherapie ergeben keine Hinweise auf einen HNO- Goldstandard.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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