Neue Regelungen in mehreren Ländern

Streit um Abschaffung der Maskenpflicht an Schulen

Am Wochenende hat sich die Diskussion um die Maskenpflicht an Schulen fortgesetzt. Ärztevertreter plädieren für einen generellen Wegfall. Eine bekannte Virologin stellt sich mit deutlichen Worten dagegen.

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Mit oder ohne Maske in der Schule? Kinderärzte plädieren für den Wegfall der Maskenpflicht, einige Virologen halten dagegen, in Berlin gibt es sogar eine Petition gegen die Aufhebung der Pflicht.

Mit oder ohne Maske in der Schule? Kinderärzte plädieren für den Wegfall der Maskenpflicht, einige Virologen halten dagegen, in Berlin gibt es sogar eine Petition gegen die Aufhebung der Pflicht.

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Berlin. Über die Abschaffung der Maskenpflicht an Schulen wird angesichts nicht mehr deutlich fallender Infektionszahlen hart gestritten. Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Thomas Fischbach, sprach sich für die Aufhebung aus. „Ich halte eine generelle Fortsetzung einer Maskenpflicht in Schulen für unangemessen“, sagte Fischbach den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). Ärztepräsident Dr. Klaus Reinhardt äußerte sich ähnlich. Virologin Melanie Brinkmann warnte hingegen davor, die Maskenpflicht bereits jetzt auszusetzen.

Der wochenlange Rückgang der Infektionszahlen scheint derweil beendet zu sein. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Samstagmorgen den vierten Tag in Folge leicht: auf 64,4 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche. Am Vortag hatte der Wert bei 64,3 gelegen, vor einer Woche bei 60,6 (Vormonat: 76,9). Die am Sonntag gemeldete Anzahl von Neuinfektionen deutete dagegen wieder eine leichte Entspannung an.

Dr. Thomas Fischbach vom Kinder- und Jugendärzte-Verband sagte, er sehe keinen Grund, warum Grundschüler im Unterricht grundsätzlich weiterhin Maske tragen sollten, zumal sie erheblich weniger zum Infektionsgeschehen beitrügen als Jugendliche und Erwachsene. Die Entscheidung müsse sich jeweils an den Inzidenzwerten und am Lebensalter der Kinder ausrichten. Es könne nicht sein, dass den Jüngsten das Maskentragen „weiterhin von der Gesellschaft zugemutet wird, um auf diejenigen Rücksicht zu nehmen, die sich einer Impfung verweigern“.

Reinhardt: Maske im Unterricht „völlig unangemessen“

Ärztepräsident Reinhardt sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag): „Es ist völlig unangemessen, dass Kinder und Jugendliche stundenlang im Unterricht eine Maske tragen müssen, während die Erwachsenen abends maskenlos ins Lokal gehen können.“ Allerdings gelten in der Gastronomie vielerorts strengere Abstands- und Testregelungen als in den Schulen.

In Bayern beispielsweise soll die Maskenpflicht ab nächster Woche im Unterricht wegfallen. Auch in Baden-Württemberg und Sachsen wird ein solcher Schritt für die nächste Zeit erwogen. Im Saarland muss seit Freitag generell keine Maske mehr in der Schule getragen werden. An Berliner Schulen wird sie bis zur sechsten Klasse aufgehoben. In Brandenburg ist das bereits der Fall.

Der Deutsche Lehrerverband bewertete das Vorgehen skeptisch, die Bildungsgewerkschaft VBE rief ebenfalls zur Vorsicht auf. Das Coronavirus geht nach RKI-Daten besonders stark bei Kindern ab dem Vorschulalter und Jugendlichen bis 19 Jahren um. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte zuletzt vor einer Corona-Welle im Herbst und Winter.

Masken-Befürworter: Auch Kinder können schwer erkranken

Die Frage der Gefährdung von Kindern und Jugendlichen durch COVID-19 wird schon seit langem kontrovers diskutiert. Befürworter strengerer Sicherheitsmaßnahmen an Schulen argumentieren, dass auch Kinder schwer erkranken könnten, und weisen auf mögliche Langzeitfolgen („Long Covid“) hin.

Kinder- und Jugendmediziner hatten Anfang September dagegen in einem offenen Brief für weniger strenge Maßnahmen geworben: Es sei wissenschaftlicher Konsens, dass Kinder und Jugendliche selbst nur in seltenen Fällen schwer erkranken und in der Regel schnell genesen würden.

Die Virologin Melanie Brinkmann vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung hält die Abschaffung der Maskenpflicht an Schulen für verfrüht. „Wenn man etwas abschaffen möchte, dessen Nutzen wissenschaftlich erwiesen ist und das fast nichts kostet, kann man das machen. Die Frage ist nur, ob es klug ist“, sagte sie der „Rheinischen Post“ (Samstag). „Bei der hohen Anzahl an Nicht-Geimpften, und hierzu zählen die Kinder, halte ich diese Entscheidung für verfrüht – und ehrlich gesagt auch für ziemlich dumm.“

„Durchseuchung mit Ansage“

Vor dem Ende der Maskenpflicht im Unterricht an Berliner Grundschulen haben mehr als 1000 Menschen eine Petition gegen die Neuregelung unterschrieben. „Die Maske ist im Vergleich zu möglichen Schäden durch eine Infektion nur ein kleines Übel. In der Schule sind unsere Kinder unter 12 durch nichts anderes geschützt“, sagte Initiatorin Julia A. Noack der Deutschen Presse-Agentur. Abstände seien quasi nicht einzuhalten, Dutzende Kinder säßen stundenlang gemeinsam in den Räumen. „Ohne Maske wird das eine Durchseuchung mit Ansage“, kritisierte sie.

In Berliner Schulen wird von diesem Montag an die Maskenpflicht für Kinder bis zur sechsten Klasse aufgehoben. Auch andere Bundesländer wie beispielsweise Bayern oder das Saarland gehen ähnliche Schritte - andere erwägen diese. Bundesfamilienministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte die Lockerungen bei der Maskenpflicht an den Schulen begrüßt.

Die Behauptung, COVID-19 sei für Kinder harmlos, sei so nicht haltbar, sagte Noack. „Was nicht richtig kommuniziert wird: Es gibt diese schweren Verläufe. Sie sind zwar seltener, zum Glück, aber dennoch gibt es sie“, betonte sie. „Und vor allen Dingen können auch bei milden Verläufen nachweisbare gesundheitliche Folgeschäden auftreten, deren Ausmaß noch gar nicht absehbar ist.“

Mehr als drei Millionen Menschen über 60 nicht geimpft

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn warb für mehr Impfungen bei älteren Menschen. Stand heute seien noch mehr als drei Millionen der Menschen über 60 nicht geimpft, schrieb der CDU-Politiker am Samstag bei Twitter. „Gerade diese Altersgruppe hat ein besonders hohes Risiko für schwerste und auch tödliche Covid-19-Verläufe, vor allem bei steigenden Infektionszahlen im Winter.“

Insgesamt sind nach Daten des Ministeriums nun 53,7 Millionen Menschen oder 64,6 Prozent der Bevölkerung vollständig mit der meist nötigen zweiten Spritze geimpft. Mindestens eine erste Impfung bekommen haben 56,7 Millionen Menschen oder 68,1 Prozent der Bevölkerung. (dpa)

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