Studien belegen Nutzen therapeutischer Krebsimpfstoffe

Tumorimpfungen sind von klinischem Nutzen. Davon ist ein Pionier der Krebsimpfstoff-Forschung, Professor Volker Schirrmacher, überzeugt.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:

HEIDELBERG.Der Tumorimmunologe Professor Volker Schirrmacher aus Heidelberg hat vor mehr als 20 Jahren mit den ersten klinischen Studien zur Wirksamkeit von Tumorimpfungen bei Krebspatienten begonnen. Als seine Arbeitsgruppe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) mit der Aktiv-Spezifischen Immunisierung (ASI) von Krebspatienten begonnen habe, sei die Tumorimmunologie noch eine "Black Box" gewesen, erinnerte sich der Forscher beim 14. Internationalen Kongress der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr (GfBK). Weder sei die Identität des T-Zell-Rezeptors bekannt gewesen, noch die Natur des tumorspezifischen Antigens.

Ermutigt durch den Impferfolg bei einem besonders malignen Tumor im Tiermodell, dem Lymphom ESb bei Mäusen, habe man ASI auch bei Krebspatienten angewandt. Bereits bei Tieren mit Metastasen ließ sich damit das Langzeitüberleben deutlich steigern. Der Impfstoff bestand Schirrmacher zufolge aus zehn Millionen lebenden, aber durch Bestrahlung inaktivierten patienteneigenen Tumorzellen, die vorher mit einem nicht pathogenen lytischen Hühnervirus, dem Newcastle Disease Virus (NDV), modifiziert worden waren.

Impferfolg hängt vom individuellen Aufbau der Vakzine ab.

Schirrmacher: "Heute wissen wir, dass die Modifikation mit diesem Virus die Tumorzellen immunogener macht, sodass sowohl Zellen der natürlichen Immunabwehr wie natürliche Killerzellen oder dendritische Zellen als auch solche der erworbenen Immunabwehr wie T-Helfer-Zellen und T-Killer-Zellen besser aktiviert werden."

Zehn klinische Studien mit dem autologen Tumorimpfstoff ATV-NDV, einschließlich einer randomisiert-prospektiven Studie, haben Schirrmacher zufolge den klinischen Nutzen belegt. Er verwies unter anderen auf kürzlich veröffentlichte Ergebnisse einer randomisierten Studie zum Effekt der ATV-NDV-Impfung bei Patienten mit Kolonkarzinomen und Lebermetastasen.

Nach zehn Jahren war jeder Zweite ohne Metastasen

Die Patienten wurden nach kompletter chirurgischer Resektion der Lebermetastasen vor zehn Jahren in zwei Gruppen aufgeteilt. Patienten der Impfgruppe erhielten sechs intrakutane Impfungen innerhalb der ersten sechs Monate nach der Metastasenresektion. Nach einer Beobachtungszeit von zehn Jahren hatten die geimpften Patienten einen signifikanten Vorteil im Hinblick auf das metastasenfreie und das Gesamtüberleben. Von den geimpften Patienten lebten nach zehn Jahren über 50 Prozent ohne Metastasen, in der Kontrollgruppe ohne Impfung waren es weniger als 20 Prozent. Der Unterschied zwischen beiden Studienarmen war signifikant. In diesem Zeitraum sind 31 Prozent der geimpften Patienten an den Folgen der Krebserkrankung gestorben, in der Kontrollgruppe dagegen 79 Prozent, wie Schirrmacher sagte.

Der Impferfolg hängt seiner Ansicht nach entscheidend "von der Qualität und der individuellen spezifischen Zusammensetzung des Impfstoffes" ab. Das unterstreicht auch eine kürzlich erschienene Publikation über weltweite randomisierte Studien mit Krebsimpfstoffen (Expert Review Vaccines 8/1, 2009, 51). Nur 8 von 33 spezifischen Impfstoffen hatten einen positiven Effekt auf das Überleben. "Die Mehrzahl hat also nicht gewirkt", so Schirrmacher. Interessant sei aber für ihn, dass 7 der 8 wirksamen Impfstoffe individuelle tumorspezifische Antigene des Patienten enthalten hatten.

Unklar ist, ob die Zellen verändert werden müssen

Heute setzten Impfstoff-Forscher verstärkt auf dendritische Zellen, die Schirrmacher zufolge tatsächlich besser geeignet sind, eine T-Zell-Immunantwort hervorzurufen als Tumorzellen. Allerdings seien hier noch viele Fragen unbeantwortet. Woher bekomme man die Tumor-Assoziierten Antigene (TAA), mit denen man die dendritischen Zellen "beladen" müsse, um spezifische anti-tumorale T-Zellen zu induzieren? Genügt als Quelle ein Lysat des Patienten-eigenen Tumors, oder sollte man die Tumorzellen vorher etwa durch Hitzebehandlung oder Virus-Infektion verändern? Zu berücksichtigen sei auch, dass der Erfolg der Impfung vom richtigen Reifungsgrad und von der richtigen Aktivierung der dendritischen Zellen abhänge, so Schirrmacher. Andernfalls könne es auch zum gegenteiligen Effekt kommen, nämlich zur Toleranz, die eine spezifische Immunantwort verhindere.

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