Interview

BeOne-Chef Völkl: „Das Forschungsgesetz bietet Anreize, mehr klinische Studien in Deutschland durchzuführen“

Der Forschungsstandort Deutschland ist gut, das Medizinforschungsgesetz hilft, vorhandene Defizite auszugleichen. Über Arzneimittelpolitik, die Weiterentwicklung des AMNOG und über eigene Pläne seines Unternehmens gibt BeOne-Deutschland-Chef Martin Völkl im Interview Auskunft.

Hauke GerlofEin Interview von Hauke Gerlof Veröffentlicht:
Infusion bei Chemotherapie: Innovative Wirkstoffe werden häufig bei immer zielgenauer bei Patienten eingesetzt. Das macht die Forschung tendenziell teurer, erläutert BeOne-Deutschland-Geschäftsführer Martin Völkl.

Infusion bei Chemotherapie: Innovative Wirkstoffe werden häufig bei immer zielgenauer bei Patienten eingesetzt. Das macht die Forschung tendenziell teurer, erläutert BeOne-Deutschland-Geschäftsführer Martin Völkl.

© teetuey / Getty Images / Thinkstock

Herr Völkl, die Erwartungen der Pharma-Unternehmen an die neue Koalition sind hoch. Gleichzeitig sind die Kassen der Krankenkassen leer. Wie ist die Stimmungslage in der Industrie und speziell in Ihrem Unternehmen?

Martin Völkl: Zunächst einmal können wir feststellen, dass wir sehr, sehr viele Innovationen über die vergangenen 10 bis 15 Jahre innerhalb des Systems so finanzieren konnten, dass der Anteil der Arzneimittel- an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) relativ konstant geblieben ist. Er hat sich immer zwischen 16 und 18 Prozent bewegt. Das zeigt, dass es möglich ist, die GKV-Ausgaben so zu steuern, dass Innovationen finanzierbar sind und bleiben.

Und jetzt? Was wäre zu tun, um die finanzielle Schieflage bei den Krankenkassen zu beenden?

Martin Völkl, seit 2021 General Manager Germany & Austria bei BeOne Medicines, ehemals BeiGene. Von 2019-2020 war er als General Manager bei Portola Pharmaceuticals tätig. Von 2007-2019 fungierte er als Director Market Access & Corporate Affairs bei Celgene.

Martin Völkl, seit 2021 General Manager Germany & Austria bei BeOne Medicines, ehemals BeiGene. Von 2019-2020 war er als General Manager bei Portola Pharmaceuticals tätig. Von 2007-2019 fungierte er als Director Market Access & Corporate Affairs bei Celgene.

© Andrea Wiedemer

Freiräume für den medizinischen Fortschritt ließen sich zum Beispiel dadurch gewinnen, dass versicherungsfremde Leistungen über Zuschüsse aus Steuermitteln zu begleichen sind und nicht von der GKV getragen werden müssen.

Ist es ein Naturgesetz, dass Innovationen im Arzneimittelsektor immer teurer werden?

Die Innovationen werden immer zielgenauer, das heißt, für immer kleinere Patientenpopulationen definiert und auch zugelassen. Gleichzeitig steigen die Kosten für die Entdeckung neuer Wirkstoffe und für die Forschung generell. Das ist ein Zielkonflikt, der dazu führt, dass zur Refinanzierung höhere Preise aufgerufen werden müssen. Und das umso mehr, wenn wir das hohe Risiko des Scheiterns in der Entwicklung neuer Wirkstoffe bedenken.

Für das Scheitern bekommen Sie aber kein Geld.

Es ist klar, dass am Ende der Preis mit einem Mehrwert, also dem Zusatznutzen, in Verbindung stehen muss. Wir entwickeln auch Lösungen für Patientinnen und Patienten, für die es bisher keine geeigneten Behandlungsoptionen gab. Zum Beispiel eröffnen sich bei bestimmten Rezidiven durch neue Wirkmechanismen nun zusätzliche Möglichkeiten, therapeutisch einzugreifen. Das alles bringt Fortschritte in der Versorgung, in der Versorgungsqualität.

BeOne stellt den Anspruch an sich selbst, dass die Forschungskosten deutlich gedrückt werden können – um ein Drittel, so ist zu lesen. Welche Hebel haben Sie, um das zu erreichen?

Zunächst einmal verfolgen wir bei BeOne eine Vision, dass wir Innovationen im Bereich der Hämatologie und Onkologie weltweit zur Verfügung stellen wollen. Und weltweit heißt eben, nicht nur in den Ländern mit einem weit entwickelten Gesundheitssystem, sondern auch in Entwicklungsländern. Das ist für uns eine Frage der Gerechtigkeit...

Das erklärt Ihre Motive, aber nicht den Hebel, wie Sie das erreichen.

… und um dahin zu kommen, haben wir versucht, Arzneimittelforschung neu zu denken: Wie identifiziere ich schneller Moleküle, die besser wirken oder weniger Nebenwirkungen haben? Und die klinische Forschung machen wir Inhouse, um schneller und günstiger zu sein. So erreichen wir im Branchenvergleich einen Geschwindigkeitsvorteil von nachweislich 30 Prozent. Und je früher ich ein Produkt dann Patientinnen und Patienten zur Verfügung stellen kann, desto länger ist natürlich auch der Zeitraum, den ich für die Refinanzierung zur Verfügung habe.

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Aber wenn Sie die Kosten senken und die Refinanzierung verbessern: Müssten dann nicht auch die Preise sinken können?

Der Preis hat letztlich eine Lenkungsfunktion, er soll Anreize setzen, etwas zu tun. Bei Pharma-Unternehmen soll er den Anreiz setzen, Innovationen zu erforschen und anzubieten. In einem zweiten Schritt geht es dann um Kooperationen, zum Beispiel mit den Kostenträgern. Wenn sich Hersteller und Kostenträger so einigen, dass eine Innovation schneller zur Verfügung gestellt werden kann, dann kann das auch über preisliche Ansätze erfolgen.

Können Sie die höhere Geschwindigkeit in der klinischen Forschung und bei der Identifizierung neuer Wirkstoffe denn auch in Deutschland auf die Straße bringen? Ist Deutschland dafür ein guter Forschungsstandort?

Deutschland ist definitiv ein sehr guter Forschungsstandort. Das beginnt mit der Infrastruktur, also der Expertise von Studiengruppen und Wissenschaftlern mit hohem internationalem Renommee. Da geht es auch darum, die wissenschaftlichen Fragestellungen festlegen zu können. Dieses Know-how an Fachexpertise trifft dann aber auch auf die Kapazität und das Können, klinische Studien durchzuführen. Hier gab und gibt es Elemente im deutschen Gesundheitswesen, die auch die Forschung etwas verlangsamt haben.

Deshalb ist Deutschland bei klinischen Studien zurückgefallen in Europa, auf Platz 7. Nun hat man versucht, dem entgegenzuwirken, etwa indem Prozesse beschleunigt werden, Regeln für die Zulassung von Studien harmonisiert werden, aber auch dadurch, dass Studien in Deutschland bei Preisverhandlungen die Position der Hersteller stärken. Das ist auch für uns ein Anreiz, noch mehr klinische Studien in Deutschland durchzuführen.

Wie müsste das AMNOG weiterentwickelt werden, damit die Interessen von Kostenträgern, Herstellern und Patienten besser zusammengebracht werden können als bisher?

Das AMNOG an sich hat in den 15 Jahren des Bestehens sehr gut funktioniert, bis Ende 2025 werden voraussichtlich knapp 60 Milliarden Euro über die Regelungen des AMNOG eingespart worden sein. Das Gesetz hat damit auch dazu beigetragen, dass Innovationen in Deutschland weiterhin schnell für die Therapie zur Verfügung stehen können, daran müssen wir unbedingt festhalten.

Wo gibt es aus Ihrer Sicht Bedarf nachzusteuern?

Die randomisiert-kontrollierten Studien bleiben sicher der Goldstandard, aber im Sinne der AMNOG-Weiterentwicklung ist es zentral, dass auch dann, wenn sich ein Überlebensvorteil erst im Laufe der Nachbeobachtung zwei, drei oder vier Jahre nach Zulassung zeigt, ein Nachweis des Zusatznutzens erfolgen kann. Wir brauchen daher ein Konzept für sogenannte Surrogat-Endpunkte, dass die eine entsprechende Würdigung finden. Als Beispiel sei hier das symptomatische progressionsfreie Überleben genannt.

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Kommen wir zu Ihrem Unternehmen: Es ist quasi noch im „Teenager-Alter“, vor 15 Jahren gegründet, aber doch schon ganz schön gewachsen. Wie haben Sie das so schnell erreicht?

Wie eben schon ausgeführt: Es ist die hohe Geschwindigkeit, mit der wir von der Synthetisierung der Moleküle über die klinische Forschung bis zur Kommerzialisierung kommen, und so Zeitgewinne realisieren. Aber auch die Entscheidung, unsere Produkte weltweit zu vermarkten – und nicht zuletzt, dass wir das alles selbst machen. Krebs ist eine weltweite Herausforderung, und mit einem weltweit angelegten Konzept ist er auch am besten zu behandeln. Dazu wollen wir einen Beitrag leisten. Und dafür haben wir viele tolle, motivierte, kompetente Menschen bei uns versammelt, die diesen Weg mitgehen und umsetzen.

Noch ein kurzer Blick auf Ihre Produkte?

Wir haben im Bereich der hämatologischen Erkrankungen als erstes in Europa zugelassenes Produkt den Wirkstoff Zanubrutinib für Patienten mit chronisch-lymphatischer Leukämie, mit Morbus Waldenström, mit follikulärem Lymphom oder mit Marginal Cell Lymphom. Außerdem haben wir einen Checkpoint Inhibitor eingeführt, der für solide Tumoren einsetzbar ist.

Und Ihre Pipeline?

Sowohl in der Onkologie als auch in der Hämatologie haben wir eine reich gefüllte Pipeline. Da wollen wir uns als wichtiger globaler Player etablieren – mit Ansätzen, vorhandene Wirkstoffe weiterzuentwickeln und zu verbessern, aber auch ganz neue Wirkansätze zu finden. Im vergangenen Jahr haben wir 13 Moleküle in die Klinik gebracht. Das entwickeln wir ständig weiter.

Sie haben sich gerade umbenannt von BeiGene in BeOne Medicines. Was ist der Hintergrund?

Wir waren von Anfang an ein global aufgestelltes und komplett diversifiziertes Unternehmen. Wir haben vier sogenannte Hubs, in Boston, in San Francisco, in Peking und in Basel. Wir versuchen, unsere Kompetenzen, die global verteilt sind, so miteinander in Einklang zu bringen, dass wir unsere Ziele, die Forschung zu beschleunigen, in einen Ansatz zusammenbringen. Der neue Name bringt diese Mission zum Ausdruck – und die Vision, dass Krebs nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung von Patientinnen und Patienten, von Ärztinnen und Ärzten und von Gesundheitssystemen überwunden werden kann.

Herr Völkl, vielen Dank für das Gespräch.

BeOne Medicines

BeOne Medicines, ehemals BeiGene, ist ein globales Biotech-Unternehmen, das sich auf Forschung und Entwicklung von Onkologie- und Hämatologie-Wirkstoffen spezialisiert hat.

Selbsterklärtes Ziel ist es, innovative Behandlungen weltweit für Patienten verfügbar zu machen.

Das Unternehmen wurde vor 15 Jahren gegründet und hat nach eigenen Angaben bereits 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf fünf Kontinenten.

Umsatz: 3,8 Milliarden US-Dollar (2024)

Website: https://beonemedicines.com

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