Gastbeitrag

Warum eine verpflichtende Pflege-Zusatzversicherung sinnvoll ist

Das Konzept Pflege+ vermeidet die Schwächen privater Pflegezusatzversicherungen. Sie ist als Pflichtversicherung konzipiert, und als Kostenversicherung sichert sie Risiken treffsicher ab. Kurzum: Die Kritik daran verfängt nicht.

Ein Gastbeitrag von Christine Arentz und Jürgen Wasem Veröffentlicht:
Wie steigende Pflegekosten stemmen? Experten halten zusätzliche private Absicherung für nötig.

Wie steigende Pflegekosten stemmen? Experten halten zusätzliche private Absicherung für nötig.

© Peter Atkins / stock.adobe.com

Professor Dr. Christine Arentz

Professor Dr. Christine Arentz

© TH Köln

Der Vorschlag des Expertenrats Pflegefinanzen, eine verpflichtende Pflegekostenversicherung (Pflege+) einzuführen, ist beim BKK Dachverband auf Kritik gestoßen. Diese Kritik hält jedoch einer genaueren Betrachtung nicht stand.

Pflege+ vermeidet die Schwächen privater Pflegezusatzversicherungen. Sie ist als Pflichtversicherung konzipiert. Als Kostenversicherung sichert sie die Risiken treffsicher ab. Sie ist einheitlich ausgestaltet und mit strenger Regulierung der Anbieter sowie sozialpolitischen Flankierungen versehen.

Pflegespezifische Inflation einkalkuliert

Heutige Pflegezusatzversicherungen haben vor allem zwei Probleme. Zum einen schließen aufgrund der Freiwilligkeit eher höhere Risiken Verträge ab. Zum anderen fehlt bei allen Zusatzversicherungen die Vorfinanzierung der pflegespezifischen Inflation. Die Folge ist, dass Kostensteigerungen im Versicherungsverlauf durch Anpassungen der Beiträge kompensiert werden müssen. Dies führt für ältere Versicherte oftmals zu hohen Prämiensprüngen.

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Pflege+ kalkuliert die pflegespezifische Inflation von Beginn an ein, sorgt damit für stabilere Beiträge und schafft durch Pflichtmitgliedschaft einen breiten Versichertenkreis. Ergänzt wird dies zudem durch Beitragsbegrenzungen für Geringverdiener, beitragsfreier Mitversicherung von Kindern sowie Prämienentlastungen im Rentenalter.

Das Umlageverfahren stößt angesichts des demografischen Wandels an Grenzen: Schon heute weist die Pflegeversicherung eine hohe Beitragssatzdynamik auf und das bevor die Babyboomer im pflegerelevanten Alter sind. Pflege+ setzt hingegen auf Generationengerechtigkeit: Jede Kohorte trägt ihre erwarteten Kosten selbst, ohne Lasten auf Jüngere abzuwälzen.

Umlageverfahren stößt an Grenzen

Professor Dr. Jürgen Wasem

Professor Dr. Jürgen Wasem

© Michaela Schneider

Der Einwand, Babyboomer zahlten weniger ein, verkennt die Konstruktion: Wer nicht mehr lange ansparen kann, erhält nur begrenzte Leistungen und wird nicht durch Jüngere subventioniert. Gleichzeitig verhindert dies eine Überversicherung, weil es berücksichtigt, dass viele Ältere bereits für das Alter vorgesorgt haben. Auch die Befürchtung eines „Heimsogs“ greift zu kurz. Zwar deckt Pflege+ den einrichtungseinheitlichen Eigenanteil in der stationären Versorgung, doch bleibt ein Selbstbehalt von zehn Prozent. Unterkunft, Verpflegung und Investitionskosten tragen die Betroffenen weiterhin selbst.
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Finanzielle Anreize für unnötige Heimunterbringung entstehen so nicht. Auch daher sieht der Vorschlag des Expertenrates keine Beiträge und Leistungen für ambulant Gepflegte vor.

Die Alternative – eine reine Ausweitung der umlagefinanzierten Pflegeversicherung – würde Beitragszahler und Arbeitgeber übermäßig belasten und alle Pflegebedürftigen entlasten, auch Wohlhabende. Finanziert würde deren Vermögenserhalt auch durch Personen mit geringen Einkommen.

Das widerspricht sozialer Gerechtigkeit. Pflege+ kombiniert dagegen Kapitaldeckung mit sozialer Flankierung – und ist damit keine Symbolpolitik, sondern eine notwendige Antwort auf steigende Kostenrisiken in einer alternden Gesellschaft.

Professor Dr. Christine Arentz ist Inhaberin der Professur für Volkswirtschaftslehre und Gesundheitsökonomie am Institut für Versicherungswesen der Technischen Hochschule (TH) Köln.

Professor Dr. Jürgen Wasem ist Inhaber des Lehrstuhls für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen.

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