Videokamera holt den Arzt in die Patienten-Wohnung

Bei vielen Patienten mit Morbus Parkinson finden komplexe Therapieoptimierungen ambulant statt - mit Hilfe von Videoaufnahmen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Videoaufnahmen von Patienten mit M. Parkinson unterstützen z. B. Therapieumstellungen.

Videoaufnahmen von Patienten mit M. Parkinson unterstützen z. B. Therapieumstellungen.

© Deutsche Parkinson Vereinigung

DÜSSELDORF. Patienten mit Morbus Parkinson werden meist ambulant behandelt. Es gibt aber bei vielen Patienten im fortgeschrittenen Krankheitsstadium einen kritischen Moment, der oft doch eine Hospitalisierung erforderlich macht.

"Wenn unter Medikation Fluktuationen der motorischen Wirksamkeit auftreten, ist eine oft komplexe Therapieumstellung notwendig", erläutert Dr. Martin Südmeyer vom Zentrum für Bewegungsstörungen der Neurologischen Klinik an der Uni Düsseldorf.

Bei diesen Therapieumstellungen müssen die Patienten über teilweise einen Monat sehr intensiv beobachtet werden. Damit sind ambulante Ärzte oft überfordert.

Seit einigen Jahren allerdings gibt es die Option der Videoüberwachung in den eigenen vier Wänden des Patienten. Und dadurch lassen sich auch komplexe Therapieumstellungen in der niedergelassenen Praxis bewerkstelligen.

Die Universitätsklinik Düsseldorf ist eine der Einrichtungen, die dieses Verfahren, das sich auf Hardware des Unternehmens Medizinische Videobeobachtung, Koblenz, stützt, in Deutschland salonfähig gemacht hat.

Die mit der Universitätsklinik kooperierenden 15 bis 20 niedergelassenen Ärzte versorgen dort pro Jahr etwa 100 bis 120 Parkinson-Patienten bei komplexen Therapieumstellungen ambulant. Die Klinik organisiert dabei den ersten Patientenkontakt und kann später bei Bedarf kontaktiert werden.

Bei der Erstvorstellung in der Universitätsklinik werden die Einschlusskriterien überprüft und der Patient detailliert aufgeklärt. Dann muss der Patient selbstständig genug sein, um das Videogerät bedienen zu können oder aber einen Angehörigen haben, der das übernehmen kann.

Wichtig ist außerdem die persönliche Präferenz: Wer lieber stationär behandelt wird, der wird natürlich nicht zur ambulanten Videotelemedizin gezwungen. "Wenn auf diese Aspekte geachtet wird, dann ist die Abbruchquote extrem gering. Sie beträgt bei uns ein Prozent", betont Südmeyer.

Nach Einweisung in die Geräte übermittelt der Patient dann mindestens dreimal am Tag jeweils zweiminütige Videosequenzen an den zentralen Datenserver.

Der niedergelassene Arzt kann die Sequenzen am PC aufrufen, sich ansehen und dann im Gespräch mit dem Patienten Therapieumstellungen vornehmen. "Wenn er möchte, kann der Arzt Anweisungen für Bewegungen vor der Kamera selbst einsprechen. Er kann aber auch vorgefertigte Sequenzen etwa zum Tremor oder zum Freezing-Phänomen festlegen", so Südmeyer.

Selbst nachts sind Aufzeichnungen möglich, wenn der Patient das vorher entsprechend festlegt. "Es wird aber definitiv keine Aufnahme ohne Einwilligung des Patienten gemacht."

Weil das klar kommuniziert wird, erfreut sich die ambulante videogestützte Telemedizin hoher Patientenakzeptanz: "Kollegen aus der Charité haben eine entsprechende Erhebung gemacht und herausgefunden, dass ein Großteil der Patienten sehr zufrieden war", berichtet Südmeyer.

Hinsichtlich des klinischen Erfolgs der Therapieoptimierung ist die Datenlage bisher zwar noch begrenzt. Sofern eine adäquate Patientenauswahl stattfinde, könne die ambulante Videotherapie aber erfahrungsgemäß oft zu einer erfolgreichen Therapieoptimierung führen, so Südmeyer zur "Ärzte Zeitung".

In einer Studie haben die Düsseldorfer 74 Patienten systematisch evaluiert und konnten die erwartete signifikante Verbesserung der motorischen Bewertung über den vierwöchigen Therapiezeitraum belegen.

Die Erstattung der ambulanten Therapieoptimierung erfolgt durch eine ganze Reihe von Krankenkassen gemäß einem vom Bund Deutscher Neurologen ausgehandelten Rahmenvertrag und liegt bei gut 3000 Euro, etwas unterhalb der stationären DRG für die Leistung in Höhe von gut 3400 Euro. "Für niedergelassene Ärzte ist das Ganze aus mehreren Gründen interessant", sagt Südmeyer.

Zum einen handele es sich um eine spannende Erweiterung des ambulanten Spektrums. Zum anderen biete das Verfahren die Option, das Angebot außerhalb der normalen Sprechstunde auszuweiten.

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