Haben Antibiotika Schuld?

Viele Menschen tragen resistente Enterobakterien

Bei gesunden Menschen begünstigen Fernreisen und Antibiotika die Besiedlung mit Enterobakterien. Die Träger können eine Gefahr etwa für abwehrgeschwächte Patienten in Kliniken sein.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Mikroorganismen im Darm: Der Verdauungstrakt ist das Hauptreservoir für ESBL-Keime.

Mikroorganismen im Darm: Der Verdauungstrakt ist das Hauptreservoir für ESBL-Keime.

© fotoliaxrender / fotolia.com

PROVIDENCE. In Europa sind drei bis sechs Prozent der gesunden Bevölkerung Träger von resistenten Enterobakterien, die Extended Spectrum-Betalaktamasen (ESBL) produzieren. In anderen Regionen der Welt liegen die Anteile noch viel höher, wie jetzt eine Metaanalyse von US-Forschern ergeben hat.

ESBL-produzierende Enterobakterien sind Darmkeime, die Betalaktam-Antibiotika spalten können. Sie sind somit gegen diese Antibiotikaklasse resistent und daher vor allem in stationären Einrichtungen eine Bedrohung für Patienten. Inzwischen mehren sich zudem Berichte über ambulant erworbene Infektionen mit solchen Keimen.

Erkrankungen mit ESBL-produzierenden Enterobakterien sind dabei potenziell tödlich. Aufgrund der beschränkten Behandlungsoptionen benötigen die Patienten häufig Carbapeneme. In Ländern wie China und Indien hat sich daher der Einsatz solcher Reserve-Antibiotika in den vergangenen Jahren verdoppelt.

Hauptreservoir Verdauungstrakt

Unabhängig vom Infektionsbereich ist der Verdauungstrakt offenbar das Hauptreservoir für ESBL-Keime. Wissenschaftler um Dr. Styliani Karanika von der Warren Alpert Medical School an der Brown University in Providence haben nun untersucht, wie hoch die Prävalenz einer Kolonisation mit ESBL-produzierenden Keimen in der gesunden Bevölkerung in verschiedenen Regionen der Welt ist und welche Faktoren damit assoziiert sind (Clin Infect Dis 2016; 63: 310).

Für ihre Metaanalyse haben die Infektiologin und ihre Mitarbeiter Studien mit ESBL-Keimen der Klasse A ausgewählt, die hauptsächlich Cefotaximase, TEM und SHV produzieren. Sie verwendeten dafür die Daten von knapp 29.000 gesunden Personen aus 66 Studien.

Daraus ergab sich eine Gesamtprävalenz der Kolonisierung mit ESBL-Keimen der Klasse A von 14 Prozent. Die Berechnung der jährlichen Zuwachsrate ergab einen Wert von rund 5 Prozent.

Spitzenreiter Westpazifik-Staaten

Es zeigten sich aber große Unterschiede in der globalen Verteilung. So lag die ESBL-Kolonisationsrate im Westpazifik bei 46 Prozent, in Südostasien bei 22 Prozent und in Afrika ebenfalls bei 22 Prozent. Im östlichen Mittelmeeraum waren es 15 Prozent, in Südeuropa 6 Prozent, in Nordeuropa 4 Prozent, in Mitteleuropa 3 Prozent sowie in Nord- und Südamerika 2 Prozent.

Die häufigste nachgewiesene Betalaktamase war Cefotaximase (69 Prozent), gefolgt von TEM (21 Prozent) und SHV (10 Prozent).

Unter den Risikofaktoren für eine Kolonisierung mit ESBL-produzierenden Keimen schlug eine Antibiotikatherapie in den vorangegangenen vier sowie zwölf Monaten mit einer Risikosteigerung von 63 und 58 Prozent zu Buche.

Auch Reisen erwiesen sich als Einflussgröße. Fernreisen erhöhten die Besiedlungswahrscheinlichkeit um 400 Prozent. Bezogen auf bestimmte Reiseziele ergab sich für Reisen nach Indien eine Risikosteigerung um 240 Prozent.

Reisen nach Afrika hingegen, wiewohl der Kontinent als Hochrisikoziel gilt, waren nicht mit vermehrter ESBL-Besiedlung verbunden. Auch frühere Krankenhausaufenthalte oder Kontakt mit Tieren waren laut den Studienresultaten ohne Einfluss.

Nützt eine Dekolonisation?

"Gesunde Individuen sind ein bedeutendes Reservoir für ESBL-produzierende Keime, und die Besiedlungsrate scheint mit der Zeit zuzunehmen", schreiben die Infektiologen. Maßnahmen zur Kontrolle der Ausbreitung könnten sich auf Fernreisende sowie auf Personen konzentrieren, die antibiotisch behandelt wurden.

Ob dies seinen Zweck erfülle, müsse ebenso erforscht werden wie der Nutzen von Strategien zur Dekolonisation.

Mehr zum Thema

Übersichtsarbeit zu Grippeimpstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Das könnte Sie auch interessieren
Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

© David Pereiras | iStock (Symboldbild mit Fotomodell)

Dermatomykosen

Alarmierender Anstieg: Hautpilz aus dem Barbershop

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

© Irina Tiumentseva | iStock

Onychomykosen

Effektive Therapie von Nagelpilz: Canesten® EXTRA Nagelset

Anzeige | Bayer Vital GmbH
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Abb. 1: Pharmakokinetik von Rezafungin bei einer Dosierung von 400mg, gefolgt von 200mg einmal wöchentlich

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [10]

Invasive Candida-Infektionen

Modernes Echinocandin – optimierte Eigenschaften und klinische Vorteile

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Mundipharma Deutschland GmbH & Co. KG, Frankfurt/Main
Abb. 1: Risikoreduktion durch Bempedoinsäure gegenüber Placebo in der CLEAR-Outcomes-Studie für den primären 4-Komponenten-Endpunkt (A) und den sekundären 3-Komponenten-Endpunkt (B) stratifiziert nach Diabetes-Status

© Springer Medizin Verlag

Diabetes mellitus

Bempedoinsäure: Benefit für Hochrisiko-Kollektive

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Daiichi Sankyo Deutschland GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!