Und nun?

Was tun mit dem Huhn?

Wie sicher sind unsere Lebensmittel? Liest man die kürzlich veröffentlichten Berichte zu Zoonosen in Deutschland, kann einem schon der Appetit vergehen.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Zwei Hühner unter sich.

Zwei Hühner unter sich.

© panthermedia

REGENSBURG. Ende Mai haben die "Süddeutsche Zeitung" und das Magazin "Kontrovers" des Bayerischen Fernsehens über einen europaweiten Ausbruch von Salmonellen-Infektionen mit etwa 500 Erkrankten und mindestens zwei Toten im Jahr 2014 berichtet.

Er soll im Zusammenhang stehen mit illegalen Praktiken eines großen Hühnerei-Produzenten in Bayern - die Staatsanwaltschaft in Regensburg ermittelt.

Die genetische Spur der S. enteritidis-Infektionen in mehreren Ländern lasse sich lückenlos zu dem schon in der Vergangenheit auffällig gewordenen Unternehmen zurückverfolgen, so die Reporter. Dieses soll mit Salmonellen belastete Eier in den Verkehr gebracht haben.

Die Rechercheergebnisse kommen ans Licht, wenige Wochen nachdem das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) seinen Jahresbericht "Erreger von Zoonosen in Deutschland" veröffentlicht hat, ebenso wie das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) den "Bericht zum Zoonosen-Monitoring 2013".

Einmal abgesehen davon, dass katastrophale Zustände in der Tierhaltung bestraft gehören, ist zu konstatieren, dass Salmonellen auf Eierschalen und in Eiern in Deutschland längst nicht mehr das Hauptproblem sind.

Die Zahl der von S. enteritidis verursachten Salmonellosen ist in den vergangenen Jahren stetig gesunken - die bundesweite Inzidenz von Salmonellosen insgesamt wird vom Robert Koch-Institut mit 23 pro 100.000 Einwohner angegeben. In lediglich 0,02 Prozent der Planproben von Konsum-Eiern sind Salmonellen nachweisbar, so das BfR.

Problem Antibiotikaresistenz

Dringend passieren muss dagegen etwas in Bezug auf das Vorkommen von Campylobacter-Bakterien bei Masthähnchen und in frischem Hähnchenfleisch, bei Antibiotika-resistenten Keimen sowie in der Aufklärung der Bevölkerung über essenzielle Maßnahmen der alltäglichen Küchenhygiene.

63.600 Campylobacteriose-Fälle sind im Jahr 2013 gemeldet worden. Dies korrespondiert mit einer Kontaminationsrate der Schlachtkörper von Masthähnchen von 53,3 Prozent! Das berichtet das BVL. Das sind sogar deutlich mehr als beim Zoonose-Monitoring 2011 (40,9 Prozent positive Halshautproben).

Jede dritte Probe aus frischem Hähnchenfleisch ist Campylobacter-belastet. "Etwa 20 Prozent der Schlachtkörperproben wiesen Keimzahlen oberhalb des in der EU diskutierten Grenzwertes für Campylobacter spp. auf", heißt es beim BVL.

Und: "Angesichts der hohen Zahl an Erkrankungen des Menschen an einer Campylobacter-Infektion besteht aus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes Handlungsbedarf." Gefordert werden "intensivierte Anstrengungen zur Einhaltung guter Hygienepraktiken".

Weitere Zahlen gefällig? Zwei Drittel der Campylobacter-jejuni-Isolate in der Hähnchenfleischkette sind Antibiotika-resistent.

MRSA wurden ebenfalls auf etwa der Hälfte der Masthähnchenschlachtkörper und in jeder fünften Probe von frischem Hähnchenfleisch nachgewiesen, ESBL/AmpC-bildende Escherichia (E.) coli in 60 Prozent der Proben von frischem Hähnchenfleisch.

Zwar sind nach derzeitigem Kenntnisstand MRSA-kontaminierte Lebensmittel nicht mit einem erhöhten Risiko verbunden, damit besiedelt oder infiziert zu werden. Für Landwirte und Tierärzte besteht dieses Risiko aber schon. Und ESBL/AmpC-bildende E. coli können über Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden.

Unternehmen vor Kontrolle "gewarnt"

Es fragt sich also, ob die Richtlinie 2003/99/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Überwachung von Zoonosen und Zoonoseerregern, die alle EU-Mitgliedsstaaten umsetzen müssen, ausreicht oder ob sie ausreichend befolgt wird.

In den deutschen Bundesländern wird seit 2009 ein Zoonose-Monitoring durchgeführt, die Daten werden an das BVL geschickt, gesammelt und dort wie auch beim BfR ausgewertet. Wenn freilich Großunternehmen "gewarnt" werden, bevor die Kontrolleure auftauchen, wie "Süddeutsche" und BR berichten, kann kein realistisches Bild der Lage resultieren.

Selbstverständlich wird es nie "sterile" Rohlebensmittel geben. Das Bewusstsein dafür, dass es völlig normal ist, wenn sich bestimmte Keime auf Rohlebensmitteln befinden, scheint in der Bevölkerung unterentwickelt zu sein.

Anders lassen sich kaum die etwa 100.000 Lebensmittelinfektionen pro Jahr in Deutschland erklären, darunter auch etwa 19.000 Salmonellosen - das ist immer noch zu viel, trotz sinkender Inzidenz. Einfache Regeln der Aufbewahrung und Zubereitung von Speisen müssen offensichtlich regelmäßig vermittelt werden.

Das BfR versucht dies mit Verbrauchertipps, in denen zum Beispiel darauf hingewiesen wird, dass rohe und gegarte Lebensmittel nie mit denselben Küchenutensilien verarbeitet werden sollten, um Kreuzkontaminationen zu vermeiden.

Nicht zu vergessen das Händewaschen nach Umgang mit rohen Lebensmitteln. Aber kommt das dort an, wo es ankommen soll?

Das BfR hat den schönen Zweiminuten-Film "Was tun mit dem Huhn?" ins Netz gestellt. Auf Youtube hat er gerade 160 Klicks - ein Hit sieht anders aus.

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