Verräterische Gene

Wie Tumorzellen selbst Alarm schlagen

Forscher haben entdeckt, dass epigenetisch wirkende Medikamente bisher ungeahntes Potenzial haben: Die Wirkstoffe bringen Krebszellen dazu, das Immunsystem auf sich zu lenken. Jetzt forschen sie daran, "das totale Chaos in den Tumorzellen" auszunutzen.

Veröffentlicht:
3D-Darstellung der DNA: Eventuell haben Forscher einen Weg gefunden, durch Tumorzellen das Immunsystem anzuregen.

3D-Darstellung der DNA: Eventuell haben Forscher einen Weg gefunden, durch Tumorzellen das Immunsystem anzuregen.

© Forance / stock.adobe.com

HEIDELBERG. Arzneimittel, die in Tumorzellen genetische Veränderungen rückgängig machen, könnten noch wirkungsvoller sein, als bisher gedacht: Möglicherweise aktivieren sie ruhende Genabschnitte, wodurch eine Tumorzelle das Immunsystem selbst auf sich aufmerksam macht. Dies fanden Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg in Kooperation mit US-amerikanischen Kollegen heraus.

Die Medikamente schützen in erster Linie Zellen vor bösartigen Veränderungen, indem sie Tumorsuppressorgene aktivieren beziehungsweise reparieren. Tumorsuppressorgene sind Gene, die die unkontrollierte Teilung beschädigter Zellen verhindern.

Alarm durch unbekannte Eiweiße

Die Wissenschaftler entdeckten jedoch, dass diese Arzneien durch ihre epigenetischen Reparaturen noch einen weiteren Effekt haben: Dadurch werden versteckte regulatorische Abschnitte in den Genen aktiviert, die neue Eiweißschnipsel bilden. Diese für den Körper fremden Proteine erkennt das Immunsystem. Dadurch kann es möglicherweise Tumorzellen besser erkennen, da die Immunantwort angekurbelt werden könnte.

Die entartete Zelle enttarnt sich quasi selbst: "Das ist das totale Chaos in den behandelten Tumorzellen – damit hatten wir nicht gerechnet", so David Brooks, einer der Erstautoren der Studie. Die Forscher erkannten ebenfalls, dass die epigenetisch reaktivierten Genabschnitte von Viren abstammen. Diese bauten ihre DNA vor Urzeiten in das menschliche Genom ein. Im Laufe der Evolution wurden diese Abschnitte jedoch stillgelegt.

Effekt für Therapie nutzbar?

Bisher gingen diese Medikamente unspezifisch in den regulatorischen Abschnitten des Erbguts vor. "Die Wirkstoffe gehen wie ein Rasenmäher über die DNA und entfernen praktisch alle Markierungen", sagt Prof. Christoph Plass, Leiter der Epigenetik am DKFZ. Die Wissenschaftler wollen nun klären, inwieweit dieser bisher beiläufige Wirkmechanismus von Krebsmedikamenten aktiv genutzt werden kann. Weiterhin sei es "denkbar, dass sich diese Genabschnitte als Biomarker eignen, um zu prüfen, ob eine epigenetische Therapie beim individuellen Patienten wirkt und sinnvoll ist", so Plass weiter. (ajo)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Sie fragen – Experten antworten

Sollte bei Brustkrebs gegen COVID-19 geimpft werden?

Zahlen von vfa und IGES

Krebsmedikamente bleiben innovativ – und teuer

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Durvalumab im Real-World-Vergleich

© Springer Medizin Verlag

ED-SCLC

Durvalumab im Real-World-Vergleich

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Wissenschaft in Medizin übertragen

© Regeneron

Forschung und Entwicklung

Wissenschaft in Medizin übertragen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Regeneron GmbH, München
Abb. 1: Finale Analyse der SPOTLIGHT-Studie zum fortgeschrittenen, Claudin-18.2-positiven und HER2-negativen Adenokarzinom des Magens/AEG: Gesamtüberleben (PPS-Population)

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Adenokarzinom des Magens/gastroösophagealen Übergangs

Zolbetuximab: Standardtherapie bei CLDN18.2+/HER2− Magenkarzinomen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Astellas Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Müdigkeit, Schwäche, erhöhtes TSH

Fehldiagnose Hypothyreose bringt Frau in Lebensgefahr

Sie fragen – Experten antworten

Sollte bei Brustkrebs gegen COVID-19 geimpft werden?

Lesetipps
Ein Vorteil bei ärztlichen Patientinnen und Patienten: Die Kommunikation läuft direkter. (Motiv mit Fotomodellen)

© contrastwerkstatt / stock.adobe.com

Berufsrecht

Kollegen als Patienten? Was das fürs Honorar bedeutet

Stethoskop auf Geldmünzen

© oppoh / stock.adobe.com / Generated by AI

EBM-Abrechnung 2026

Vorhaltepauschale 2.0: Bei 10 Kriterien ist für jeden was dabei