HINTERGRUND

Wie mit 1000 Verletzten umgehen? Ein neues Konzept weist Wege

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

Der Katastrophenmediziner Hans-Anton Adams von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat über Alternativen zur Versorgung von mehr als 1000 Unglücks-Opfern zugleich nachgedacht und ein Konzept namens "Überörtliche Hilfe beim Massenanfall von Verletzten" (Ü-MANV) entwickelt. Sein Rezept: Entzerrung und Tempo.

Adams ist Koordinator der Katastrophenmedizin Hannovers in der MHH. Bei Analyse der Terroranschläge von New York, Madrid und London oder dem ICE-Unglück im niedersächsischen Eschede werde deutlich, daß die alten Konzepte nicht ausreichend seien, weil sie von 50 bis 300 Verletzten ausgehen, so Adams.

Versorgung soll in Akutkliniken in der Nähe erfolgen

Seine größte Veränderung zur gängigen Praxis: Wurden die Verletzten bisher an einem mobilen Behandlungsplatz in der Nähe der Katastrophenstelle notfallmedizinisch versorgt, so verlegt Adams diese Versorgung "in möglichst große Akutkliniken in der Nähe", so Adams. Der Behandlungsplatz nahe einer Unglücksstelle dient dann lediglich dazu, die Patienten zu sichten oder rasch transportfähig zu machen. Also: Schnell raus mit den Verletzten, um sie auf Kliniken zu verteilen.

Unterstützt werden die Kliniken jeweils durch ein Team von Ärzten und Sanitätern vor Ort, das die Patienten empfängt, erstversorgt und koordiniert ins Haus weiterleitet. Dort können auch niedergelassene Fachärzte eingesetzt werden, so Adams. "Von den Akuthäusern werden die Patienten dann nach der Notfallversorgung gegebenenfalls in Krankenhäuser der Region weiter transportiert," sagt Adams. Die leichter verletzten Patienten sollen direkt vom Unglücksort in Kliniken des Umlandes gebracht und auch von niedergelassenen Medizinern versorgt werden.

Verletzte auf Lkw in die Klinik zu bringen - das ist Unsinn

Die Praktikabilität des neuen Konzepts steht und allerdings fällt mit der Logistik-Leistung. "Wir müssen mit aller Kraft aufs Tempo drücken", so Adams. Allerdings sei er kein Anhänger des "scoop and run" (etwa: "nimm und lauf"), wie es in den USA praktiziert wird.

"Es ist Unsinn, Verletzte ohne jede Versorgung etwa auf Lastwagen in die Klinik zu schaffen, wie beim Flugzeugunglück auf der Ramstein Air Base geschehen", sagt Adams. Auch "stay and play" (etwa: "bleiben und versorgen") sei allein wegen der gefährlichen Nähe zum Unglücksort ungeeignet. "Mein Konzept ist ein Mittelweg", sagt Adams.

Im Juni haben MHH und die Feuerwehr Hannover das Konzept in einer Großübung in der MHH ausprobiert: 500 Einsatzkräfte versorgten in 15 Teams etwa 120 Verletzte. Die Erfahrungen seien durchweg gut gewesen, so unisono Adams und Andreas Hamann von der Feuerwehr Hannover. "Allerdings müssen wir noch an den Schnittstellen arbeiten", sagt Hamann, "wenn zum Beispiel der Behandlungsplatz zu weit vom Unglücksort entfernt ist, wird ein reibungsloser Ablauf schwierig."

In Hannover hat man sich entschieden, das neue Konzept im Katastrophenfall einzusetzen. Auch andere Regionen hätten Interesse gezeigt, sagt Adams. Zusätzliche Kosten verursache sein Konzept nicht. Adams: "Geld ist nicht das Problem, sondern es muß nachgedacht werden. Und zwar rechtzeitig."

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