Kritik aus Sachsen-Anhalt

Ambulante geriatrische Reha verharrt in der Modellphase

Ein Trauerspiel nennt der ehemalige KV-Vorstand in Sachsen-Anhalt, Burkhard John, die Zahl der ambulanten geriatrischen Rehazentren (AGR) im Land. Auf Bundesebene sei es nicht besser. Er fordert schnelles Handeln.

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Um mehr alten Menschen Heimaufenthalte zu ersparen, braucht es Konzepte und politische Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene. AGR-Geschäftsführer und Hausarzt Dr. Burkhard John (Foto Mitte li. neben Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne) lud Politik und Kassen zum Gespräch.

Um mehr alten Menschen Heimaufenthalte zu ersparen, braucht es Konzepte und politische Entscheidungen auf Bundes- und Landesebene. AGR-Geschäftsführer und Hausarzt Dr. Burkhard John (Foto Mitte li. neben Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne) lud Politik und Kassen zum Gespräch.

© Petra Zieler

Schönebeck. Das erste ambulante geriatrische Rehazentrum (AGR) wurde von Schönebecker Hausärzten initiiert und 1999 als gemeinsames Modellprojekt mit AOK und Kassenärztlicher Vereinigung eröffnet. Dass sich seither auf diesem Gebiet landes- und bundesweit nur wenig getan hat, nennt Mitbegründer und Hausarzt Dr. Burkhard John „ein Trauerspiel“. Er nutzte den Umzug des AGR in neue Räumlichkeiten direkt in einer Senioren-Wohnanlage, um Politik und Kassen auf Probleme und Chancen aufmerksam zu machen.

Bislang wurden im AGR rund 3000 Patienten mit geriatrischen Krankheitsbildern rehabilitiert. Laut einer Evaluation des Instituts für Sozialmedizin an der Uni Magdeburg waren die meisten auch nach einem halben Jahr deutlich mobiler. John: „Es ist erwiesen, dass die Reha Selbstaktivierungskräfte auslöst.“

Pflegebedürftigkeit werde reduziert, soziale Integration gefördert. So könne der Teufelskreis Krankheit, Unfall – Krankenhaus – Heim durchbrochen werden. Betroffene könnten länger in den eigenen vier Wänden leben.

Kassen nicht zu Verträgen verpflichtet

Dennoch gebe es in Sachsen-Anhalt für alte Menschen mit komplexen Gesundheitsstörungen und verminderter Alltagskompetenz bislang lediglich eine geriatrische Reha-Klinik sowie drei ambulante Reha-Einrichtungen. „Deutschlandweit sieht es nicht besser aus“, konstatiert John. Nach dessen Ansicht sollte es in jedem Landkreis geriatrisch ausgerichtete Angebote geben.

Soweit will Sachsen-Anhalts Gesundheitsministerin Petra Grimm-Benne nicht gehen. Handlungsbedarf aber sieht auch sie. „Nach fast einem Vierteljahrhundert guter Erfahrungen sind wir heute praktisch immer noch in der Modellphase.“ Es müsse bundes- und landespolitisch gelingen, einen gesetzlichen Rahmen zu finden. Bis dato werden Leistungen der ambulanten Reha auf Basis des Paragrafen 140 Sozialgesetzbuch V (SGB) abgerechnet. Heißt konkret: Krankenkassen können (müssen aber nicht) entsprechende Verträge mit den Leistungserbringern abschließen.

Paragraf 111 SGB V als Lösung?

„Das AGR hat heute mit den meisten Kassen Verträge“, sagt Burkhard John, über viele Jahre KVSA-Vorstand. Zu den Ausnahmen gehört die BARMER-Ersatzkasse, die Einzelentscheidungen favorisiert. Deren Landeschef Axel Wiedemann fordert klare gesetzliche Regelungen. Möglich wäre, den auf stationäre Rehabilitationen und Anschlussheilbehandlungen ausgerichteten Paragrafen 111 SGB V auf ambulante Angebote auszudehnen.

„Die Zeit drängt“, mahnt John. Nicht nur Sachsen-Anhalts Bevölkerung werde immer älter. „Als Land mit dem deutschlandweit höchsten Altersdurchschnitt haben wir die damit einhergehenden Probleme nur etwas eher als andere.“ Sein Vorschlag an Politik und Kassen: „Wir waren in Sachsen-Anhalt schon einmal Vorreiter. Lassen sie uns da anknüpfen und gemeinsam überlegen, was wir tun können, damit sich der Wunsch: lieber daheim als im Heim für mehr Menschen erfüllt.“ Die notwendigen Kosten für reguläre ambulante Reha-Angebote jedenfalls stünden in keinem Verhältnis zu den galoppierenden Pflegeheimkosten. (zie)

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