Ruhestand vertagt, Versorgung gesichert

Hausärztin bläst Ruhestand ab

Mit 69 Jahren wollte eine Hausärztin in Baden-Württemberg an Ruhestand denken. Doch Patienten bangten um ihre Versorgung. Ab Januar startet sie neu: angestellt im MEDI-MVZ, befreit von Bürokratie.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Von wegen Ruhestand: So leicht lässt sich der Arztberuf am Ende nicht an den Nagel hängen, wenn die Patienten-Versorgung gefährdet ist.

Von wegen Ruhestand: So leicht lässt sich der Arztberuf am Ende nicht an den Nagel hängen, wenn die Patienten-Versorgung gefährdet ist.

© Sergey Yarochkin - stock.adobe.com

Stuttgart. Was tun, wenn vor Ort die hausärztliche Versorgung bröckelt und kein Nachfolger in Sicht ist? In Schopfheim (Landkreis Lörrach) in Baden-Württemberg war die Aufregung groß, als Mitte des Jahres zwei erfahrene Hausärzte ihren Rückzug in den Ruhestand ankündigten.

„Es gab einen Aufruhr unter den Patienten“, sagt Dr. Magdalene Blessing, eine der beiden Hausärzte, der „Ärzte Zeitung“. Die 69-Jährige und ihr Kollege Jörg Suckow gaben im September ihre Zulassung zum 31. Dezember zurück. Schließlich war der Ruhestand ja beschlossene Sache. Zwei Jahre lang hatte Blessing vergeblich nach einem Nachfolger für ihre Praxis mit zuletzt 2500 Scheinen im Quartal gesucht.

„Damit hätten dann 5000 Bürger vor Ort ohne hausärztliche Versorgung dagestanden“, berichtet Wolfgang Fink vom MEDI-Verbund. Die KV Baden-Württemberg (KVBW) trat an MEDI heran, ob der Ärzteverbund nicht ein Freiberufler-MVZ etablieren könne. Das von MEDI entwickelte Konzept hat bereits an mehreren anderen Standorten im Südwesten die ambulante Versorgung gesichert.

Projekt in drei Monaten gestemmt

Dann ging alles ganz schnell. MEDI übernimmt per Geschäftsbesorgungsvertrag alle administrativen Aufgaben im MVZ – und Hausärztin Blessing vertagt ihren Ruhestand. Am 7. Januar 2020 startet das neue MVZ, vorübergehend in den alten Praxisräumen. Im Normalfall benötigt ein solches Projekt ein Jahr Vorlauf. In Schopfheim klappte das in drei Monaten, weil „alle Beteiligten – Ärzte, Kommune, KV und MEDI – an einem Strang gezogen haben“, sagt Fink.

5000 Einwohner hätten ohne hausärztliche Versorgungdagestanden: MEDI-Projektleiter Wolfgang Fink.

5000 Einwohner hätten ohne hausärztliche Versorgung dagestanden: MEDI-Projektleiter Wolfgang Fink.

© MEDI

Blessing arbeitet ab Januar – nach mehr als drei Jahrzehnten in eigener Praxis – angestellt: „Ich freue mich, dass ich nicht mehr für alles Verantwortung tragen muss.“ Personalmanagement, Abrechnung, Praxis-IT – alles läuft künftig über MEDI, sodass sich Hausärztin Blessing allein auf die Sprechstunden konzentrieren kann.

Dieses Konzept lockt auch den Nachwuchs an. Insgesamt konnten für das MVZ zwei weitere Ärzte gewonnen werden sowie drei Ärztinnen in Weiterbildung. Das Interesse ihrer jungen Kolleginnen freut die erfahrene Hausärztin. „Das wird die Zukunft sein“, sagt Blessing. Nach Angaben von MEDI-Projektmanager Fink kann mit diesem Personaltableau der alte Status quo der Versorgung garantiert werden.

„Hybrid-Ärzte“ als Option

Die Freiberufler-MVZ, erläutert MEDI-Chef Dr. Werner Baumgärtner, sind so angelegt, dass die dort angestellten Ärzte sich entweder an der Trägerorganisation beteiligen – also Mitbesitzer werden – oder das MVZ auch in Eigenregie übernehmen können. „Ich nenne das ‚Hybrid-Ärzte‘, die sowohl angestellt, als auch selbstständig in der Praxis oder im MVZ tätig“ sein können, erläutert Baumgärtner.

Wichtig sei MEDI dabei, dass niedergelassene Ärzte mit Unterstützung ihrer Verbände „selbst in die Versorgung gehen“. Kapitalgesellschaften würden diese Fragen anders regeln, meint Baumgärtner. Deshalb brauche es Managementgesellschaften wie die MEDIVERBUND AG, die auf Augenhöhe mit Investoren agieren könne. „Sonst haben wir im Markt keine Chance“, warnt er.

Förderung von Bund oder Land hat MEDI nie bekommen,betont MEDI-Chef Dr. Werner Baumgärtner.

Förderung von Bund oder Land hat MEDI nie bekommen, betont MEDI-Chef Dr. Werner Baumgärtner.

© Horst Rudel

Die Landesregierung und Sozialminister Manne Lucha (Grüne) sähen das Vorgehen von MEDI bei der Sicherstellung der ambulanten Versorgung positiv. Lucha sei auch zum Besuch eines Freiberufler-MVZ eingeladen worden, betont Baumgärtner. Von der Gesundheitspolitik auf Bundesebene werde man bisher ignoriert. „Die sind mit Gesetzgebung und Öffentlichkeitsarbeit ausgelastet, Versorgung spielt da eher keine Rolle“, meint der MEDI-Chef.

Finanzielle Unterstützung habe man weder von Bund noch vom Land erhalten – trotz diverser Anträge. Das könne man aber auch positiv sehen, denn „dann ist man freier in seinen Entscheidungen“, so Baumgärtner.

In Schopfheim gehen die Planungen unterdessen weiter. Das MVZ werde so bald wie möglich in „provisorischen, aber ausreichend großen Räumen untergebracht“, berichtet Wolfgang Fink. Dies gebe MEDI dann ausreichend Zeit, um zusammen mit der Stadt eine Immobilie für den endgültigen Standort zu finden.

Freiberufler-MVZ

  • MEDI unterstützt seine Mitglieder auf Basis des Konzepts „Arztpraxen 2020“ bei dem Vorhaben, von Freiberuflern getragene MVZ in unterversorgten Regionen aufzubauen.
  • Fünf MVZ hat MEDI bislang realisiert, weitere sind in Planung. Für möglich hält der Ärzteverbund bis zu 30 Versorgungszentren in Baden-Württemberg, immer in Abstimmung mit den niedergelassenen Ärzten vor Ort.
  • Politisch will MEDI erreichen, dass die verschiedenen Trägerorganisationen gesetzlich gleichgestellt werden. Bei der Gründung eines MVZ sei eine von Ärzten getragene GmbH im Vergleich zu einer Klinik-GmbH benachteiligt, sagt MEDI-Chef Dr. Werner Baumgärtner. „Das behindert und benachteiligt uns deutlich.“
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