Baden-Württemberg

Medi will bei Facharztverträgen „Vollsortimenter“ werden

Der Mediverbund baut das Netz an Facharztverträgen mit der AOK Baden-Württemberg weiter aus. Drei weitere Vereinbarungen sind in der Pipeline. Doch in einzelnen Fachgruppen geben die Berufsverbände bisher kein grünes Licht.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner (li.) und Frank Hofmann, Vorstand der Mediverbund AG.

Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner (li.) und Frank Hofmann, Vorstand der Mediverbund AG.

© Silicya Roth

STUTTGART. Der Mediverbund will mit den Partnern in Baden-Württemberg weitere Facharztverträge auflegen, die jenseits der KV gemanaged und abgerechnet werden. „Wir wollen ein ‚Vollsortimenter‘ sein, sagt Medi-Chef Dr. Werner Baumgärtner im Redaktionsgespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

Allerdings sei man für den Abschluss der Verträge auf die eindeutige Unterstützung der jeweiligen Berufsverbände angewiesen. Vor diesem Hintergrund gebe es für die Bereiche Gynäkologie, Dermatologie und Augenheilkunde noch keine Verträge. Insbesondere bei den beiden erstgenannten Fachgruppen warte Medi „weiter auf ein klares Signal des Berufsverbands“, so Baumgärtner.

Nach Angaben von Frank Hofmann, Vorstand der Mediverbund AG, haben alle Facharztverträge in den vergangenen zwölf Monaten Wachstum verzeichnet. Die Zahl der eingeschriebenen Versicherten ist um rund zehn Prozent auf 685.000 (3/2019) gestiegen. Um rund fünf Prozent hat die Zahl abrechnender Ärzte und Psychotherapeuten auf 2072 zulegt (2/2019).

Drei neue Verträge in der Pipeline

Indes schöpften einzelne Verträge „ihr Potenzial immer noch nicht aus“, berichtet Hofmann. Das sei „schwer nachvollziehbar, etwa, wenn der Fallwert um 50 Prozent über dem der Regelversorgung liegt“. Die Ausschreibungen der AOK für die Facharztverträge Nephrologie, Pneumologie und HNO habe Medi erneut für sich entscheiden können, berichtet der Vorstand. Werden die Verhandlungen noch im Herbst abgeschlossen, könnten die Verträge zu Nephrologie und Pneumologie Anfang 2020 starten. In der Fachgruppe HNO starten die Gespräche mit der Kasse im Herbst.

Jenseits von Baden-Württemberg hat sich das System der von den Vertragspartnern sogenannten „alternativen Regelversorgung“ nicht durchsetzen können. Baumgärtner berichtet, er habe das Konzept der selektiven Haus- und Facharztverträge in allen Fraktionen des Bundestags vorgestellt – mit ernüchterndem Ergebnis. So sei es bisher nicht gelungen, Anreize für den Abschluss von Facharztverträgen zu setzen, etwa durch eine Bonifizierung für die Kassen, die solche Verträge anbieten. Deren Zurückhaltung ist aus Sicht von Baumgärtner erklärbar: „Sie scheuen den Aufwand für die Steuerung. Zudem bekommen sie die ambulante Versorgung nicht wieder so billig wie im Kollektivvertrag“.

30 eigene MVZ bis Ende 2020

Auf Kurs sieht sich Medi bei seinem Projekt, eigene MVZ zu etablieren. Dies geschehe jedoch nur dort, wo wir gerufen werden“, betont Baumgärtner. Bislang sind landesweit 15 MVZ analog dem Medi-Konzept „Arztpraxen 2020“ eingerichtet worden, sagt Dr. Wolfgang Schnörer, Vorstand der Mediverbund AG. „Unsere Zielmarke ist, dass es bis Ende kommenden Jahres 30 MVZ sind.“ Auf diese Weise sichere Medi die ambulante Versorgung vor Ort, „ohne auf Lob der Politik zu hoffen“, ergänzt Baumgärtner.

Dass Lobbying bei der Politik gelingen kann, zeigt eine mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) verabschiedete Änderung im für MVZ einschlägigen Paragrafen 95 SGB V. Darin ist neuerdings im Absatz 6 geregelt, dass auch angestellte Ärzte die Gründungsberechtigung für ein MVZ in bestimmten Fällen erwerben können, die auf ihre Zulassung zugunsten der Anstellung in einem MVZ verzichtet haben, berichtet Hofmann. „Das kommt der Philosophie von Medi entgegen, dass junge Ärzte ‚hybrid‘ tätig sein können“, so der Vorstand der Mediverbund AG.

Facharztverträge

  • Rund 270.000 Patienten sind im zweiten Quartal dieses Jahres im Rahmen der Facharztverträge behandelt worden. Dabei entfallen etwa 250.000 Patienten auf die mit der AOK Baden-Württemberg geschlossenen Verträge. Rund 20.000 behandelte Patienten entstammen Verträgen mit der TK, Bosch BKK, DAK und der BKK Vertragsarbeitsgemeinschaft.
  • Die teilnehmenden Fachärzte an den Verträgen mit der AOK verteilen sich wie folgt (Angaben jeweils zweites Quartal 2019): Kardiologie: 215 teilnehmende Ärzte, Gastroenterologie: 178, Orthopädie: 605, Urologie: 136, Diabetologie: 118, Rheumatologie: 30, PNP-Vertrag: 790 Ärzte/Psychotherapeuten.

Auf Wachstumskurs ist unterdessen auch Medi selbst und habe inzwischen über 80 Mitarbeiter, inklusive Werkstudenten, berichtet Vorstand Schnörer. Knapp 5000 Ärzte seien Mitglied bei Medi oder sind Vertragsteilnehmer. Erfreulich aus seiner Sicht ist dabei, dass im laufenden Jahr die Zahl der Neumitglieder „zum ersten Mal seit Jahren höher gewesen ist als die der Abgänge“.

Der Erfolg der Organisation verdankt sich Baumgärtner zufolge auch dem „zentralen Wesensmerkmal“ von Medi, nämlich, dass „wir auch ohne die KV existieren können“. Damit könne Medi „anders als die Körperschaft auch Nein sagen“. Diese Erkenntnis habe sich „auch in der Allianz deutscher Ärzteverbände immer stärker durchgesetzt“.

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