Kritik am Aus der Neupatientenregelung

Ärzte in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz protestieren gegen Lauterbachs Sparpolitik

Online-Proteste in Sachsen-Anhalt, Aktionen im rheinland-pfälzischen Ingelheim: Ärzte machen ihrem Unmut über die geplanten Sparvorhaben von Bundesgesundheitsminister Lauterbach Luft.

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Dr. Petra Bubel hängt den Hinweis zur Protestaktion an die Tür ihrer HNO-Praxis in Lutherstadt Eisleben.

Dr. Petra Bubel hängt den Hinweis zur Protestaktion an die Tür ihrer HNO-Praxis in Lutherstadt Eisleben.

© Praxis Bubel

Magdeburg/Ingelheim/Potsdam. Praxen zu, Live-Chat an: Mit einer Online-Protestaktion reagierten Sachsen-Anhalts Vertragsärzte und Psychotherapeuten am Mittwoch gegen geplante Einsparungen auf ihre Kosten. Punkt 11 Uhr schlossen mehrere hundert Praxen.

„Wir wollten ein gemeinsames Zeichen gegen die Pläne von Bundesgesundheitsminister Lauterbach und die Forderungen der Krankenkassen setzen“, so Matthias Tronnier, geschäftsführender Vorstand der KV Sachsen-Anhalt (KVSA), die die Aktion gemeinsam mit Fach- und Hausärzten organisiert hatte.

Vordergründig richtete sich der Protest gegen das Vorhaben, die Neupatientenregelung zu streichen und die sogenannte offene Sprechstunde zu begrenzen. Hinzu kommt, dass der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen für die Jahre 2023 und 2024 Nullrunden fordert.

„Trotz Inflation und galoppierender Praxiskosten soll kein Cent mehr in die ambulante Versorgung fließen. Weder Bundes- noch Landespolitik denken bislang über Energiepreisbremsen für Arztpraxen nach. Dafür wollen Kassen auf unsere Kosten sparen. Das ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“, meint KV-Vorstand Dr. Jörg Böhme.

Er stand während des rund einstündigen Meetings gemeinsam mit Dr. Torsten Kudela, Landeshausärztechef, Dr. Petra Bubel, Landesvorsitzende der Fachärztlichen Vereinigung und dem Hallenser Radiologen Dr. Michael Diestelhorst sowie Mathias Tronnier Rede und Antwort.

Angespannte Lage in der ambulanten Versorgung könnte sich zuspitzen

„Mir macht Sorge“, so Jörg Böhme, „dass sich die ohnehin angespannte Lage in der ambulanten Versorgung weiter zuspitzen und sich auch auf die Attraktivität des Berufes sowie den ärztlichen Nachwuchs, den wir so dringend brauchen, auswirken wird.“

Es sei zu befürchten, dass eine zunehmende finanzielle Belastung zur Einschränkung von Leistungsangeboten führt. Die Folgen wären für Patienten längere Wartezeiten auf Behandlungstermine und kürzere Behandlungszeiten.

„Erst haben wir im Vertrauen auf die Neupatientenregelung unsere Sprechzeiten ausgeweitet und Praxisabläufe umgestaltet. Nun soll an genau dieser Stelle auf Kosten der Patienten gespart werden, um das Finanzloch der gesetzlichen Krankenversicherung zu stopfen“, empört sich HNO-Ärztin Petra Bubel aus Eisleben und ihr Magdeburger Hausarzt-Kollege Torsten Kudela aus Magdeburg fordert Verlässlichkeit ein. „Bei Neupatientenregelung und offener Sprechstunde sind die Patienten zweifelsfrei die Gewinner, kommt es zur Änderung, sind Patienten und Praxen Verlierer.“

Die dem Meeting zugeschalteten Ärzte wie Psychotherapeuten stimmten der Überlegung zu, einen gemeinsamen bundesweiten Protesttag zu organisieren.

Rheinland-Pfälzer „sehen schwarz“

Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Thomas Krick und sein Team aus Bad Neuenahr-Ahrweiler setzen ein Zeichen gegen die Streichung der Neupatientenregelung. 

Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Thomas Krick und sein Team aus Bad Neuenahr-Ahrweiler setzen ein Zeichen gegen die Streichung der Neupatientenregelung.

© Samantha Ackermann

Auch in Rheinland-Pfalz waren zahlreiche Praxen für einen Tag geschlossen: Am Mittwoch startete um 10 Uhr die Protestaktion zum GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) in Ingelheim. Unter dem Motto „Wir sehen schwarz! - Für die Zukunft unserer Praxen“ wurden Ärztinnen und Ärzte aus ganz Rheinland-Pfalz von der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KVRLP) aufgerufen teilzunehmen.

Zahlreiche Praxisteams erschienen, um ein Zeichen gegen die Sparpolitik der Bundesregierung zu setzen. Fehlende Fachkräfte und die wirtschaftliche Lage – Inflation und ständige Kostensteigerungen – bringen Praxen an ihre Belastungsgrenzen, so die KV-Führung auf der Protestveranstaltung.

„Wir fordern die Gesundheitspolitik auf, an sachorientierten Lösungen zu arbeiten und die ärztliche Basis in ihre Entscheidungsfindungen miteinzubeziehen“, so Karlheinz Kurfeß, stellvertretender Vorsitzender der Vertreterversammlung der KV-RLP. Dr. Olaf Döscher, Facharzt für Allgemeinmedizin und Vorsitzender der Vertreterversammlung machte klar: „Die Zeit des Schweigens ist vorbei, es ist Zeit für Klartext!“

Fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Protestaktion tragen eine schwarze Warnweste mit der Aufschrift "Wir sehen schwarz! Für die Zukunft unserer Praxen".

Fast alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Protestaktion tragen eine schwarze Warnweste mit der Aufschrift "Wir sehen schwarz! Für die Zukunft unserer Praxen".

© Samantha Ackermann

Nonnemacher unterstützt Forderung nach Energierettungsschirm

Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) hat erklärt, die Forderung ambulant tätiger Ärzte nach einem Energierettungsschirm „vollumfänglich“ zu unterstützen. „Wir fordern die Bundesregierung auf, schnell weitere Finanzhilfen bereitzustellen“, sagte die Ministerin in der Fragestunde des Brandenburger Landtags.

„Der Bund muss kurzfristige Maßnahmen zur Sicherung seiner sozialen Einrichtungen ergreifen.“ Zuvor hatte der Linken-Abgeordnete Ronny Kretschmer gefragt, ob das Land Brandenburg eigene Mittel zur Unterstützung der Arztpraxen zur Verfügung stellen könne.

„Ich sehe zunächst den Bund in der Pflicht, sich um die Energie- und Inflationskosten im medizinischen und pflegerischen Bereich zu kümmern“, sagte Nonnemacher. Sie wolle jedoch „nicht ausschließen“, dass Brandenburg entsprechende Maßnahmen aus Mitteln des so gennanten „Brandenburg-Pakets“ ergreift, falls die Arztpraxen nicht in den Schutzschirmen des Bundes berücksichtigt werden.

Das „Brandenburg-Paket“ wurde am Montag von der Potsdamer Regierungskoalition vorgestellt: Dabei handelt es sich um Kredite in Höhe von zwei Milliarden Euro, die das Land nach Feststellung des Vorliegens einer Notlage für die Jahre 2023 und 2024 zusätzlich aufnehmen will. Mit dem Geld sollen Einrichtungen und Projekte unterstützt werden, die nicht von den Rettungsschirmen des Bundes profitieren. (zie/sam/lass)

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