Patienten fühlen sich nicht ernst genommen

Studie zeigt Rassismusprobleme im deutschen Gesundheitswesen

Eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zeigt: Schwarze und als asiatisch oder muslimisch wahrgenommene Menschen machen im Gesundheitswesen häufig negative Erfahrungen.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Vor allem schwarze Patienten berichteten von Diskriminierungserfahrungen. Sie fühlten sich ungerecht oder schlecht behandelt.

Vor allem schwarze Patienten berichteten von Diskriminierungserfahrungen. Sie fühlten sich ungerecht oder schlecht behandelt.

© Ok Shu / Westend61 / picture alliance

Hamburg/Berlin. Viele Menschen erleben Rassismus oder Diskriminierung im deutschen Gesundheitswesen. Insbesondere schwarze, muslimische und asiatische Frauen sind laut Studie „NaDiRa Monitoringbericht 2023: Rassismus und seine Symptome" besonders betroffen.

Von negativen Erfahrungen in Praxen und Kliniken berichten in der am Dienstag veröffentlichten Studie rund 39 Prozent der befragten schwarzen, 35 Prozent der muslimischen und 29 Prozent der asiatischen Frauen. Sie gaben an, mindestens gelegentlich von Medizinern oder anderem medizinischen Personal ungerecht oder schlechter behandelt zu werden. Jede dritte durch bestimmte Merkmale rassistisch markierte Person fühlt sich mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen und hat deshalb die Arztpraxis oder Klinik gewechselt.

„Es gibt offenbar eine Tendenz unter medizinischem Personal, allen außer nicht rassistisch markierten Männern zuzuschreiben, sie würden mit ihren Beschwerden übertreiben. Dies kann zu schwerwiegenden Konsequenzen in der Gesundheitsversorgung führen", heißt es in der Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung. Dieses hatte 21.000 Menschen befragt, die sich als Schwarze, Muslime oder asiatischer Herkunft bezeichnen.

Behandlungen unterbleiben aus Angst

Rund 14 Prozent der befragten Frauen gab an, eine Behandlung aus Angst vor Diskriminierung verzögert oder ganz gemieden zu haben. Bei Männern lag dieser Anteil bei rund acht Prozent.

Neben dem Gesundheitsbereich fragten die Studienautoren auch nach Diskriminierung in anderen öffentlichen Bereichen. Die Erfahrungen variierten je nach Gruppe: Unter schwarzen Männern berichteten 55 Prozent von Diskriminierungserfahrungen in der Freizeit, gefolgt von der Öffentlichkeit, Behörden, Polizei und Banken. Für den Gesundheitsbereich gaben dies 24,7 Prozent und damit der geringste Anteil an. Unter schwarzen Frauen dagegen gaben 38,6 Prozent diese Erfahrung im Gesundheitswesen an.

Wie sich die Diskriminierung im Gesundheitswesen äußern kann, zeigte ein Experiment im Rahmen der Studie: Auf eine telefonische Terminanfrage mit deutschem Namen bekamen 51,6 Prozent der Frauen und 50,5 Prozent der Männer eine positive Antwort. Mit einem in der Türkei verbreiteten Namen sank diese Quote auf 45,7 bzw. 43,5 Prozent. Mit einem in Nigeria verbreiteten Namen betrug der Anteil nur noch 43,8 bzw. 43,6 Prozent. Die größten Unterschiede zeigten sich hierbei in psychotherapeutischen Praxen.

Muss in der Ausbildung angesetzt werden?

Ein Grund dafür könnte in der Ausbildung liegen. Laut Studie deutet sich in Lehrmaterialien eine Über- und Fehlpräsentation rassistisch markierter Gruppen an. Diese Gruppen werden zum Beispiel mit übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum und einem erhöhten Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten in Verbindung gebracht. Die Gruppen werden zum Teil in Lehrbüchern als „fremdartig", „anders" oder „besonders herausfordernd" generalisiert.

Schwarze Frauen werden zum Teil als hypersexualisiert dargestellt, mit der Folge, dass ihnen überproportional häufig HIV-/STI-Testungen angeboten werden. Muslimischen Frauen wird dagegen eine unterdrückte Sexualität zugeschrieben. Zu den Folgen der Diskriminierung zählen neben einem verzögerten Arztbesuch auch Angststörungen und depressive Symptome.

Das Vertrauen in das Gesundheitssystem sinkt

Eine weitere Folge: Diskriminierung senkt das Vertrauen in das deutsche Gesundheitssystem massiv. Wer als farbiger Mensch noch keine Diskriminierungserfahrungen gesammelt hat, vertraut dem System zu 77 Prozent. Wer häufiger solche Erfahrungen macht, vertraut dem System nur noch zu 45 Prozent. Vergleichbar sind die Unterschiede bei als muslimisch und bei asiatisch wahrgenommenen Menschen.

Dass diese Erfahrungen nicht neu sind, zeigt die Einrichtung einer Anti-Diskriminierungsstelle bei der Ärztekammer Hamburg im vergangenen Jahr. Hamburgs Ärztekammer-Präsident Dr. Pedram Emami sprach sich gegenüber dem NDR dafür aus, interkulturelle Kommunikation in der Medizinischen Ausbildung zu berücksichtigen. Er berichtete außerdem, dass Rassismus auch innerhalb des ärztlichen Kollegiums festzustellen sei und sich in diskriminierenden Äußerungen von Patienten gegenüber Ärzten und Pflegekräften zeige.

Jetzt abonnieren
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Carl Billmann, Leiter der Stabsstelle IT, Marketing & Kommunikation bei BillmaMED, Medizinstudent mit dem Berufsziel Dermatologe.

© Doctolib

Interview

„Am Empfang haben wir Stress rausgenommen“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kasuistik

Seltene Manifestation eines Eagle-Syndroms

Fettgewebe als Entzündungsorgan

Deshalb lohnt sich Abnehmen auch bei Gelenkrheuma

Lesetipps
Keine Hürden mehr: Websites sollen künftig so problemlos wie möglich zu erfassen und zu bedienen sein.

© VZ_Art / Stock.adobe.com

Neues Teilhabegesetz geht an den Start

So wird Ihre Praxis-Homepage barrierefrei

Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung