Patienten fühlen sich nicht ernst genommen
Studie zeigt Rassismusprobleme im deutschen Gesundheitswesen
Eine Studie im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zeigt: Schwarze und als asiatisch oder muslimisch wahrgenommene Menschen machen im Gesundheitswesen häufig negative Erfahrungen.
Veröffentlicht:Hamburg/Berlin. Viele Menschen erleben Rassismus oder Diskriminierung im deutschen Gesundheitswesen. Insbesondere schwarze, muslimische und asiatische Frauen sind laut Studie „NaDiRa Monitoringbericht 2023: Rassismus und seine Symptome" besonders betroffen.
Von negativen Erfahrungen in Praxen und Kliniken berichten in der am Dienstag veröffentlichten Studie rund 39 Prozent der befragten schwarzen, 35 Prozent der muslimischen und 29 Prozent der asiatischen Frauen. Sie gaben an, mindestens gelegentlich von Medizinern oder anderem medizinischen Personal ungerecht oder schlechter behandelt zu werden. Jede dritte durch bestimmte Merkmale rassistisch markierte Person fühlt sich mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen und hat deshalb die Arztpraxis oder Klinik gewechselt.
„Es gibt offenbar eine Tendenz unter medizinischem Personal, allen außer nicht rassistisch markierten Männern zuzuschreiben, sie würden mit ihren Beschwerden übertreiben. Dies kann zu schwerwiegenden Konsequenzen in der Gesundheitsversorgung führen", heißt es in der Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung. Dieses hatte 21.000 Menschen befragt, die sich als Schwarze, Muslime oder asiatischer Herkunft bezeichnen.
Behandlungen unterbleiben aus Angst
Rund 14 Prozent der befragten Frauen gab an, eine Behandlung aus Angst vor Diskriminierung verzögert oder ganz gemieden zu haben. Bei Männern lag dieser Anteil bei rund acht Prozent.
Neben dem Gesundheitsbereich fragten die Studienautoren auch nach Diskriminierung in anderen öffentlichen Bereichen. Die Erfahrungen variierten je nach Gruppe: Unter schwarzen Männern berichteten 55 Prozent von Diskriminierungserfahrungen in der Freizeit, gefolgt von der Öffentlichkeit, Behörden, Polizei und Banken. Für den Gesundheitsbereich gaben dies 24,7 Prozent und damit der geringste Anteil an. Unter schwarzen Frauen dagegen gaben 38,6 Prozent diese Erfahrung im Gesundheitswesen an.
Wie sich die Diskriminierung im Gesundheitswesen äußern kann, zeigte ein Experiment im Rahmen der Studie: Auf eine telefonische Terminanfrage mit deutschem Namen bekamen 51,6 Prozent der Frauen und 50,5 Prozent der Männer eine positive Antwort. Mit einem in der Türkei verbreiteten Namen sank diese Quote auf 45,7 bzw. 43,5 Prozent. Mit einem in Nigeria verbreiteten Namen betrug der Anteil nur noch 43,8 bzw. 43,6 Prozent. Die größten Unterschiede zeigten sich hierbei in psychotherapeutischen Praxen.
Muss in der Ausbildung angesetzt werden?
Ein Grund dafür könnte in der Ausbildung liegen. Laut Studie deutet sich in Lehrmaterialien eine Über- und Fehlpräsentation rassistisch markierter Gruppen an. Diese Gruppen werden zum Beispiel mit übermäßigem Alkohol- und Drogenkonsum und einem erhöhten Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten in Verbindung gebracht. Die Gruppen werden zum Teil in Lehrbüchern als „fremdartig", „anders" oder „besonders herausfordernd" generalisiert.
Schwarze Frauen werden zum Teil als hypersexualisiert dargestellt, mit der Folge, dass ihnen überproportional häufig HIV-/STI-Testungen angeboten werden. Muslimischen Frauen wird dagegen eine unterdrückte Sexualität zugeschrieben. Zu den Folgen der Diskriminierung zählen neben einem verzögerten Arztbesuch auch Angststörungen und depressive Symptome.
Das Vertrauen in das Gesundheitssystem sinkt
Eine weitere Folge: Diskriminierung senkt das Vertrauen in das deutsche Gesundheitssystem massiv. Wer als farbiger Mensch noch keine Diskriminierungserfahrungen gesammelt hat, vertraut dem System zu 77 Prozent. Wer häufiger solche Erfahrungen macht, vertraut dem System nur noch zu 45 Prozent. Vergleichbar sind die Unterschiede bei als muslimisch und bei asiatisch wahrgenommenen Menschen.
Dass diese Erfahrungen nicht neu sind, zeigt die Einrichtung einer Anti-Diskriminierungsstelle bei der Ärztekammer Hamburg im vergangenen Jahr. Hamburgs Ärztekammer-Präsident Dr. Pedram Emami sprach sich gegenüber dem NDR dafür aus, interkulturelle Kommunikation in der Medizinischen Ausbildung zu berücksichtigen. Er berichtete außerdem, dass Rassismus auch innerhalb des ärztlichen Kollegiums festzustellen sei und sich in diskriminierenden Äußerungen von Patienten gegenüber Ärzten und Pflegekräften zeige.