MB-Monitor Niedersachsen

Überstunden und Bürokratie verleiden Ärzten die Klinikarbeit

Mit den Arbeitsbedingungen sind viele Klinikärzte in Niedersachsen nicht zufrieden. 40 Prozent der Mediziner finden sie nur mittelmäßig. Das zeigt der MB-Monitor.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Schon vor Corona fühlten sich die Hälfte der Ärzte und Ärztinnen an Niedersachsens Kliniken überlastet.

Schon vor Corona fühlten sich die Hälfte der Ärzte und Ärztinnen an Niedersachsens Kliniken überlastet.

© Friso Gentsch / dpa

Hannover. Rund vier Wochen vor der Landtagswahl in Niedersachsen stellte der Marburger Bund (MB) Niedersachsen am Dienstag in Hannover die Niedersächsische Auswertung des „MB-Monitors 2022“ vor, in der die angestellten Ärztinnen und Ärzte ihren Arbeitgebern und der Landespolitik ein zum Teil verheerendes Zeugnis ausstellen.

40 Prozent der Befragten beurteilten ihre Arbeitsbedingungen als mittelmäßig, 27 Prozent sogar als schlecht oder sehr schlecht. Mehr als die Hälfte der Ärztinnen und Ärzten fühlte sich bereits unmittelbar vor der Corona-Pandemie häufig oder ständig überlastet. 17 Prozent leisteten pro Woche durchschnittlich neun bis 19 Überstunden, zwei Prozent ganze 19 bis 29 Überstunden, ein Prozent sogar mehr als 29 Überstunden pro Woche.

Bis zu 60 Stunden Arbeit in der Woche

Die Diskrepanz zwischen tatsächlicher und gewünschter Arbeitszeit sei erheblich, sie betrage 49,2 zu 37,8 Stunden. „Wunsch und Wirklichkeit klaffen also weit auseinander“, sagte Hans Martin Wollenberg, erster Vorsitzender des MB Niedersachsen. Manche Kolleginnen und Kollegen arbeiteten bis zu 60 Wochenstunden.

Durch ihre Überstunden füllen niedersächsische Krankenhausärztinnen und -ärzte über 2700 Vollzeit-Stellen mit aus, so der MB. Rund ein Viertel bekomme diese Arbeitszeit nicht einmal vergütet.

„Das sind jede Woche mehr als 28.000 unbezahlte Überstunden, an denen die Arbeitgeber zulasten der Beschäftigten verdienen. Das Gesundheitssystem muss grundlegend reformiert werden, insbesondere in Hinblick auf Personalvorgaben, Finanzierung der Krankenhäuser und mehr Studienplätze“, forderte Wollenberg.

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„Niemand würde einem Piloten vertrauen, der ununterbrochen 24 Stunden im Cockpit sitzt“, sagte Andreas Hammerschmidt, zweiter Vorsitzender des MB Niedersachsen. Von manchen Chirurgen dagegen würden solche überlange Arbeitszeiten offenbar erwartet.

Systematische Arbeitszeiterfassung fehlt teilweise

Hinzu komme, dass viele Arbeitgeber immer noch keine systematische Arbeitszeiterfassung bieten. Immerhin ist hier der Anteil der Krankenhäuser ohne systematische Erfassung von 31 Prozent im Jahr 2019 auf 28 Prozent in diesem Jahr gefallen. Ein Übriges tue die Verschwendung ärztlicher Arbeitszeit an die Verwaltungsaufgaben. Täglich gingen vier Stunden für die Bürokratie drauf. „Der Papierkram ist aber kein Qualitätsfortschritt“, sagte Hammerschmidt.

Mehr noch: Rund 40 Prozent der Befragten gaben an, dass in ihrer Einrichtung während der Pandemie wegen des Kostendrucks ärztliche Stellen abgebaut wurden. Kein Wunder, dass rund 40 Prozent der Befragten nicht mehr ausschließen, ihren Beruf an den Nagel zu hängen, unter den Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung waren es sogar 46 Prozent.

In der größten Ärzteumfrage des Landes befragte das Institut für Qualitätsmessung und Evaluation (IQME) im Auftrag des MB 1300 angestellte Ärztinnen und Ärzte aus allen Bereichen des Gesundheitswesens, 85 Prozent davon arbeiten in Krankenhäusern.

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