Für eine bessere Energiebilanz

Wie eine Frankfurter Klinik im laufenden Betrieb ihr neues Passivhaus bezieht

Das weltweit erste Krankenhaus im Passivhaus-Standard steht im Frankfurter Westen. Die Klinik in öffentlicher Hand spart damit Energiekosten. Der Umzug bleibt eine logistische Herausforderung.

Von Sandra Trauner Veröffentlicht:
Pfleger Antonio Teixeira Ferreira (hinten) und Mitarbeiter einer Logistikfirma sind im Flur der Kardiologie des alten Klinikums Höchst mit Umzugsarbeiten beschäftigt. Insgesamt sind 7000 Umzugskisten zu bewältigen.

Pfleger Antonio Teixeira Ferreira (hinten) und Mitarbeiter einer Logistikfirma sind im Flur der Kardiologie des alten Klinikums Höchst mit Umzugsarbeiten beschäftigt. Insgesamt sind 7000 Umzugskisten zu bewältigen.

© Arne Dedert / dpa / picture alliance

Frankfurt/Main. Vier Jahre Vorbereitung, 7000 Umzugskisten, 400 Lastwagenladungen, Hunderte Mitarbeiter mit Sonderschichten, zwei Tage Zeit: Wenn ein Krankenhaus umzieht, ist Planung alles. Vor allem, wenn der Umzug im laufenden Betrieb stattfindet und auch rund 500 Patienten die Räume wechseln müssen –- inklusive Intensivpatienten an Beatmungsgeräten, Frühchen in Brutkästen und Menschen mit Demenz. Das varisano-Klinikum im Frankfurter Stadtteil Höchst will diese Herkulesaufgabe an diesem Wochenende stemmen.

Der Neubau sei „ein Quantensprung für Patienten und Mitarbeitende“, sagt Martin Menger, Geschäftsführer der varisano-Kliniken Frankfurt-Main-Taunus, zu denen das nach wie vor kommunale Klinikum Höchst gehört. Das Gebäude im Frankfurter Westen ist – mit Brief und Siegel des Passivhaus-Instituts – das weltweit erste Krankenhaus, das in diesem besonders energiesparenden Baustandard errichtet wurde. Während andere Kliniken über die gestiegenen Energiepreisen stöhnen, rechnet Menger mit Einsparungen im siebenstelligen Bereich.

Energieeinsparung im siebenstelligen Bereich erwartet

Rund 260 Millionen Euro hat der Neubau gekostet, der aus vier Querriegeln mit sechs Stockwerken besteht. Er bietet Platz für fast 700 Betten. Herzstück ist ein neuer OP-Trakt mit zehn Sälen und Medizintechnik im Gesamtwert von 30 Millionen Euro. Am Freitag zogen erste Klinikbereiche um, etwa das Herzkatheterlabor. Umzugshelfer ziehen Kleiderständer mit Strahlenschutzkitteln, tragen Monitore und Defibrillatoren, schieben Schränke mit Stents und Ballons.

Pfleger Antonio Teixeira Ferreira, hier im Neubau des Klinikums Höchst in der Klinik für Innere Medizin - Kardiologie, hat den Umzug der Kardiologie vorbereitet. Dazu gehörte auch, in einer Simulation probe einzuräumen.

Pfleger Antonio Teixeira Ferreira, hier im Neubau des Klinikums Höchst in der Klinik für Innere Medizin - Kardiologie, hat den Umzug der Kardiologie vorbereitet. Dazu gehörte auch, in einer Simulation probe einzuräumen.

© Arne Dedert / dpa / picture alliance

Pfleger Antonio Teixeira Ferreira hat den Umzug vorbereitet. Monatelang hat er Gegenstände beschriftet, Listen angelegt, Transportboxen getestet, Abläufe geplant, in einer Simulation probe-eingeräumt: „Der Aufwand ist enorm.“ Mit einer Kiste Betäubungsmitteln in den Händen läuft er am Freitag zum gefühlt millionsten Mal vom maroden Altbau aus den frühen 1960er Jahren in den lichten, freundlichen Neubau.

Ein Wochenende lang alles doppelt besetzt

Am Übergang zwischen den beiden Gebäuden bauen Arbeiter gerade eine Schleuse auf, durch die die Patienten geführt, gefahren, geschoben werden. Damit sie nahtlos weiter versorgt werden können, gibt es an diesem Wochenende alle Funktionsbereiche doppelt, inclusive Personal. Auch die Zentrale Notaufnahme ist am Wochenende ganz normal geöffnet: bis Samstag 8.00 Uhr im Altbau, ab Samstag 8.00 Uhr im Neubau.

Mitarbeiter einer Logistikfirma schieben Umzugskisten der Kardiologie in einen Aufzug des alten Klinikums.

Mitarbeiter einer Logistikfirma schieben Umzugskisten der Kardiologie in einen Aufzug des alten Klinikums.

© Arne Dedert / dpa / picture alliance

Den rund 1600 Mitarbeitern biete der Neubau „die aktuell in Hessen modernsten Arbeitsplätze, die ein Krankenhaus überhaupt bieten kann“, sagte Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) bei der offiziellen Schlüsselübergabe vor knapp zwei Wochen.

Prof. Hans Ulrich Hink, Chefarzt der Kardiologie, blickt von einem Fenster im Neubau des Klinikums Höchst auf das alte Klinikgebäude.

Prof. Hans Ulrich Hink, Chefarzt der Kardiologie, blickt von einem Fenster im Neubau des Klinikums Höchst auf das alte Klinikgebäude.

© Arne Dedert / dpa / picture alliance

Das sieht auch der Chefarzt der Kardiologie so, Professor Hans Ulrich Hink. Statt eines alten, großen Röntgengeräts hat das Herzkatheterlabor jetzt ein modernes kleines. „Das bedeutet weniger Strahlung und bessere Bilder“.

Kürzerer Weg in die Notaufnahme

Während im Altbau vieles verstreut war, liegen nun alle kardiologischen Bereiche nebeneinander. Am Donnerstag war testweise der erste Rettungshubschrauber auf dem neuen Dachlandeplatz gelandet. Die Patienten werden von dort mit einem Aufzug in die Notaufnahme gebracht. In die neue Wagenhalle vor der Notaufnahme passen sechs Rettungswagen. Durch die kürzeren Wege vergehen zwischen Eintreffen und Versorgungsbeginn laut Klinikleitung nur zwei Minuten.

Auch Patienten werden es schöner haben. Im Altbau gab es zum Teil noch Etagenduschen. Nun haben die Zimmer maximal zwei Betten, je ein eigenes Bad und sollen – dank der Passivhaus-Bauweise – konstant angenehme 22 Grad warm sein.

Pflegekräfte haben bei Raumgestaltung mitgewirkt

Der Zuschnitt der „Höchster Zimmer“ wurde von Pflegekräften mitentwickelt. Die Maße erlauben es, das hintere Bett bei Bedarf aus dem Zimmer zu schieben, ohne den vorderen Bettnachbarn zu stören. Terminals am Bett zeigen Ärzten medizinische Daten, während Patienten darauf Filme schauen können.

Während die Privatzimmer im obersten Stockwerk mit Sitzgruppe, Schreibtisch und Holzvertäfelung eher einer Hotelsuite gleichen, müssen manche Klinikbereiche noch in den alten Räumen ausharren, etwa die Augenklinik, die Psychiatrie und das Labor. Diese Gebäude wurden erst in den den 1980er Jahren gebaut und werden vorerst weiter genutzt. Die Altbauten aus den 1950er und 1960er Jahren werden nach Ende des Umzugs dem Erdboden gleichgemacht. Dort sollen später mit dem zweiten Bauabschnitt weitere Neubaus entstehen. (dpa)

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