Hitzewelle

Berlin wird 2050 so heiß wie Freiburg sein

Es ist seit Wochen heiß und trocken in Deutschland. Wird der Sommer der Zukunft extremer und kann sich der Mensch daran anpassen? Wir müssen uns jetzt vorbereiten, sagen Experten – Maßnahmen greifen nämlich erst in Jahrzehnten.

Von Stephanie Lettgen Veröffentlicht:
Seit Wochen leiden viele Deutsche unter der Hitzewelle. Solche Sommer könnten aber bald der Normalzustand sein, so Klimaexperten.

Seit Wochen leiden viele Deutsche unter der Hitzewelle. Solche Sommer könnten aber bald der Normalzustand sein, so Klimaexperten.

© Antonioguillem / stock.adobe.com

HAMBURG/POTSDAM/OFFENBACH. Dürre, Waldbrandgefahr, Kreislaufprobleme: Der Sommer in Deutschland zeigt seit Wochen seine Schattenseiten – und in Zukunft müssen wir uns auf noch viel mehr Hitzetage und tropische Nächte einstellen. Davon zeigen sich Klimaexperten überzeugt.

"Es wird weiterhin schöne und schlechte Sommer geben, aber die extremen Sommer werden häufiger auftreten", sagt Daniela Jacob, Direktorin am Climate Service Center in Hamburg. Das Institut ist eine Einrichtung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht in Schleswig-Holstein. Zukünftige Klimaszenarien zeigen laut Jacob: Ob beim Städtebau oder in der Landwirtschaft – überall brauche es Anpassung an das Extremwetter. "Wir müssen heute handeln", betont die Professorin.

Bereits zur Mitte des Jahrhunderts wird es nach Worten von Jacob in Deutschland mehr Hitze- und Dürreperioden sowie Starkregen und heftigere Stürme geben. "Aber zum Ende des Jahrhunderts wird es sich noch viel deutlicher zeigen, ob wir Klimaschutz betrieben haben oder nicht", erklärt sie.

Jahrzehntelange Verzögerung von Effekten

Das Klima reagiere sehr langsam. "Heute eingeleitete globale Klimaschutzmaßnahmen greifen erst ab Mitte des Jahrhunderts." Veränderungen bis 2050 seien nur noch wenig zu beeinflussen.

Für die Zeit 2050 bis 2100 aber sind laut Jacob noch gravierende Unterschiede bei der Erwärmung möglich – abhängig vom Klimaschutz. Das zeige sehr anschaulich die Zahl der Hitzetage, die die Temperaturen auf mehr als 30 Grad steigen lassen.

Zum Ende dieses Jahrhunderts sind es den Modellen zufolge im Schnitt in Deutschland lediglich drei Hitzetage mehr als im Vergleichszeitraum 100 Jahre zuvor, wenn das Ziel des Pariser Klimaabkommens – die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen – wirklich geschafft wird.

3,7 Grad mehr im Jahresmittel

Wenn aber wie bisher Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen werden, das sogenannte Weiter-wie-bisher-Szenario, dann sind es schon zwölf Hitzetage mehr. Die Jahresmittel-Temperatur würde dabei um etwa 3,7 Grad steigen.

"Das bedeutet, extreme Sommer wie 2003 oder wie wahrscheinlich auch dieser können dann ein mittlerer Sommer werden", sagt Peter Hoffmann, Meteorologe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Es werde eine Verschiebung geben: "Das zukünftige Berlin wird nach unseren Berechnungen 2050 das gegenwärtige Freiburg sein.

 Die Temperaturen in Freiburg wiederum könnten dann mediterran werden. Was oberflächlich betrachtet nett klingt, bringt viele Probleme mit sich. "Je wärmer es künftig im Sommer wird, umso mehr müssen wir auch kühlen. Dabei verbrauchen wir mehr Energie, das wird richtig teuer werden", sagt der Sprecher des Deutschen Wetterdienstes, Gerhard Lux.

Auch Ernteausfälle, Fischsterben, niedrige Wasserstände in den Flüssen und schlechter Schlaf gehören zu den Folgen von Hitze und Trockenheit – die ja auch jetzt schon spürbar sind. "Alle haben außerdem nur 30 Tage Urlaub, wenn nicht sogar weniger", sagt Hoffmann. "Man muss auch bei solchen Extrembedingungen seine tägliche Arbeit leisten, das hat auch Auswirkungen auf die Produktivität."

Winter verändert sich

Die Klimaveränderungen zeigen sich nach Angaben von Jacob auch im Winter: Sie werden milder und feuchter, die Zahl der Frosttage geht zurück. "18 Tage weniger, wenn wir Klimaschutz betreiben und wenn wir so weitermachen wie bisher, sind es über 55 Tage weniger", erklärt Jacob. "Wir brauchen den Frost aber für die Vegetation."

Das Climate Service Center berät Politiker und Unternehmen zur Anpassung an den Klimawandel. Es untersucht Änderungen des Klimas auf Basis regionaler Simulationen der vom Bund finanzierten Initiative namens ReKliEs-De.

Was muss heute konkret getan werden, um sich auf diese Änderungen einzustellen? "In einem gewissen Rahmen können wir uns in Deutschland anpassen, aber es wird wehtun", meint Lux. In den Großstädten gibt es laut Jacob einen Konflikt: Verdichtung spare zwar Energie, sei aber ein Problem für die wichtige Anpassung an die Hitzeperioden. "Dafür müsste man Lüftungskorridore schaffen und viel Grün in die Städte bringen", sagt die Wissenschaftlerin.

Der Einsatz von Materialien sollte überdacht werden. "Ich weiß, dass es einige Regionen in Europa gibt, die wieder an die Lehmbauweise denken, weil das einfach Feuchtigkeit und Kühle speichert", erklärt Jacob. Beim Hausbau solle man in den kommenden Jahren weniger auf Glasfassaden setzen. "Klimaanlagen überall einzubauen, ist keine Alternative, weil sie zu viel Energie verbrauchen."

Das ganze Kanalsystem in den Städten müsse auf mehr Starkregen angepasst werden. In der Landwirtschaft laufe derzeit die Diskussion über hitze- und trockenstressresistente Sorten.Aufhalten lässt sich die Klimaveränderung nach Expertenangaben nicht mehr, nur noch mit Schutzmaßnahmen eindämmen. "Wir können das Rad nicht mehr zurückdrehen", sagt Lux. "Aber wir können verhindern, dass es bis Ende des Jahrhunderts noch schlimmer wird." (dpa)

Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Risikofaktoren identifiziert

Für wen könnten Harnwegsinfekte gefährlich werden?

Systematisches Review und Metaanalyse

Antidepressiva absetzen: Welche Strategie ist am wirksamsten?

Metaanalyse

Subjektive Krankheitsbelastung bei Krebs prognostisch relevant

Lesetipps
Übersichtsarbeit: Wie wirken Hochdosis-, rekombinante und mRNA-Vakzinen verglichen mit dem Standardimpfstoff?

© Sasa Visual / stock.adobe.com

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Serotoninkristalle, die ein Muster ergeben.

© Michael W. Davidson / Science Photo Library

Für wen passt was?

Therapie mit Antidepressiva: Auf die Nebenwirkungen kommt es an