Etikettenschwindel

Das Geschäft mit der "Gesundheit"

Viele Lebensmittel locken damit, nicht nur satt zu machen: Sie sollen auch besonders wohltuend sein - für Fitness, Immunsystem oder Wachstum. Manches Versprechen auf dem Etikett trägt aber zu dick auf.

Von Sascha Meyer Veröffentlicht:
Vitaminreicher Saft, gesunde Cerealien – oder versteckt sich in dem Frühstück nicht doch eine Menge Zucker? Nur ein genauer Blick auf die Zutaten schützt.

Vitaminreicher Saft, gesunde Cerealien – oder versteckt sich in dem Frühstück nicht doch eine Menge Zucker? Nur ein genauer Blick auf die Zutaten schützt.

© dpa

BERLIN. Dass Currywurst mit Pommes und Mayo nicht besonders gesund ist, weiß jeder. Da greifen viele Verbraucher bewusst zu anderen Lebensmitteln - mit dem Ziel, damit etwas Gutes für ihre Fitness zu tun: Müsli, vitaminhaltige Getränke oder spezielle Joghurts.

 Produkte mit einem verlockenden Gesundheitseffekt lassen sich Supermarktkunden auch schon einmal etwas mehr kosten. Doch Verbraucherschützer bemängeln, dass bei der Werbung dafür zu häufig getrickst werde. Dabei gelten für sensible Gesundheits-Kennzeichnungen besonders genaue europäische Regeln.

Die Palette der Produkte mit einem versprochenen Extra für das Wohlbefinden wird zusehends größer. Auf dem Etikett werben Hersteller gern mit Begriffen wie "aktiv", "vital" und "Sport". Was konkrete Werbung mit Gesundheitswirkungen angeht, sind der Fantasie aber enge Grenzen gesetzt.

Seit 2012 gilt in der EU eine Liste mit erlaubten gesundheitsbezogenen Aussagen ("Health Claims"), die eigens zugelassen und wissenschaftlich fundiert sein müssen. Aufgeführt sind inzwischen rund 250 Formulierungen, sie lauten etwa eher nüchtern: "Roggen-Ballaststoffe tragen zu einer normalen Darmfunktion bei."

Schlechte Noten für Kinderprodukte

Von den strikten Vorgaben weichen manche Anbieter jedoch leicht, dafür aber wirkungsvoll ab, wie die Verbraucherzentralen bei einer Stichprobe mit 46 Produkten monierten. So ist auf der Packung eines Beeren-Müslis von "wertvollen Wachstumsbausteinen" Eisen, Jod und Zink zu lesen.

Zugelassen sei allerdings nur eine Aussage für Jod, erläutert Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg - nämlich, dass es "zum normalen Wachstum beiträgt". Ausgerechnet Kinderlebensmittel hätten bei korrekten Gesundheitsaussagen besonders schlecht abgeschnitten.

Bei einem Pflanzenöl verspricht der Aufdruck, enthaltene Fettsäuren sorgten mit für einen Cholesterinspiegel auf "gesundem" Niveau. Zugelassen ist aber nur, von einem "normalen" Cholesterinspiegel zu sprechen. "Zwischen normal und gesund besteht ein Unterschied", kritisiert Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv).

Gesundheitsangaben seien ein entscheidendes Kaufkriterium, wenn man zwischen zwei Produkten zu wählen habe. Gerade in diesem sensiblen Feld müsse daher gelten: "Mit Gesundheit spielt man nicht."

Problematisch sind aus Sicht der Verbraucherschützer auch andere Werbekniffe, die Gesundheitseffekte nahelegen. So glaubten in einem Vergleichstest 39 Prozent der Befragten, dass ein abgebildetes Zitronen-Erfrischungsgetränk "wenige Kalorien" habe.

Mit einem eingefügten Bild einer joggenden jungen Frau sagten dies 66 Prozent. Generell hat die Vorderseite der Packung - mit ihren verlockenden Aufdrucken - die stärkste Wirkung, wie Studienautorin Anke Zühlsdorf erläutert.

 Die Rückseite mit klein gedruckter Zutatenliste ändere am ersten Eindruck auch zu Gesundheitseffekten nur erstaunlich wenig.

Positive Wirkung auf die Nerven?

"Zuckerbomben" oder Würstchen mit hohem Fettanteil dürften gar nicht als "gesund" angepriesen werden, fordern die Verbraucherzentralen. Es könne nicht sein, bei einem Saft mit höherem Zuckergehalt als eine Cola eine positive Wirkung auf Nerven und Muskeln herauszustellen.

Der Dachverband der Lebensmittelwirtschaft (BLL) verweist dagegen darauf, dass sich die EU-Vorschriften nur auf das jeweils beworbene Kriterium beziehen und nicht auf die Gesamtzusammensetzung. Überhaupt seien Pauschalvorwürfe falsch. Pflicht sei auch kein exakter Wortlaut von Gesundheitsaussagen, solange die Botschaft dieselbe bleibe.

Verbraucherzentralen und Politiker fordern indes weitere Regeln. Die EU-Kommission müsse endlich Nährwertprofile festlegen, verlangt SPD-Verbraucherexpertin Elvira Drobinski-Weiß.

Auch vzbv-Chef Müller mahnt solche Messlatten dafür an, ab welchem Anteil von Fett, Salz oder Zucker ein Produkt einfach nicht mehr als "gesund" präsentiert werden darf. Die Organisation Foodwatch hält prinzipiell nichts von Gesundheitswerbung auf Lebensmitteln: "Wer krank ist, sollte zum Arzt gehen und nicht in den Supermarkt." (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsbedingte Schäden

Wenn Musikmachen Muskeln, Sehnen und Gelenke krank macht

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Chronisch kranke Kinder

Mangelernährung frühzeitig erkennen und konsequent angehen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Danone Deutschland GmbH, Frankfurt/Main
Multimodaler Ansatz zur Regeneration der Darmbarriere

© Steffen Kögler / stock.adobe.com

Reizdarmsyndrom und Nahrungsmittelunverträglichkeiten

Multimodaler Ansatz zur Regeneration der Darmbarriere

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: MEDICE Arzneimittel Pütter GmbH & Co. KG, Iserlohn
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Wie ein gutes Offboarding gelingt

Wenn Mitarbeiter gehen: Praxisteams sollten diese acht Punkte beachten

Ambulantes Operieren

AOP-Vertrag wird an den EBM angepasst

Lesetipps