CharityAward 2016

Das sind die Gewinner!

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Der CharityAward.

Der CharityAward.

© David Vogt

NEU-ISENBURG. Wer sich selbstlos als ehrenamtlicher Helfer in Deutschland engagiert, sollte belohnt werden – rund ein Drittel der Deutschen ist ehrenamtlich in Kirchen, Vereinen und karitativen Einrichtungen tätig. Jedes Jahr zeichnet die Fachverlagsgruppe Springer Medizin, zu der auch die "Ärzte Zeitung" gehört, besonders innovative Projekte in der Gesundheitsversorgung mit dem CharityAward aus.

46 Initiativen hatten sich im vergangenen Jahr um den achten CharityAward beworben, von denen sich gleich drei Sieger im Oktober über den Preis freuen durften. Unter der Schirmherschaft von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) fand die Verleihung bei einer feierlichen Gala in Berlin statt.

Die attraktiven Geldpreise und Medienpakete werden von Springer Medizin, TV-Wartezimmer, der Anwaltskanzlei Ehlers, Ehlers & Partner, VENDUS Sales & Communication sowie dem Berufsverband der Humangenetiker finanziert.

Die Vorbereitungen für den CharityAward 2017 laufen schon auf vollen Touren. Die ausführlichen Teilnahmebedingungen können bei Springer Medizin online abgefragt werden (https://tinyurl.com/z5u246m). Bewerbungsfrist: 30. Juni 2017. (smi/ajo)

Dies sind die Gewinner des CharityAwards 2016:

Hilfe für Migrantinnen in Not

Eine Flüchtlingsfrau aus Albanien mit einem Flyer der Kölner Frauen-Hilfsorganisation agisra.

Eine Flüchtlingsfrau aus Albanien mit einem Flyer der Kölner Frauen-Hilfsorganisation agisra.

© Monika Skolimowska / dpa

In Deutschland leben Zehntausende Frauen und Mädchen, die von Genitalverstümmelung, Zwangsprostitution und Zwangsheirat betroffen sind. Die weitaus meisten von ihnen sind Migrantinnen oder aus ihren Herkunftsländern geflüchtete Frauen.

Hilfe finden Betroffene bei der Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung e. V. (agisra), einer 1993 in Köln gegründeten Initiative, die für ihr gesellschaftliches Engagement mit dem 1. Preis des von Springer Medizin vergebenen CharityAwards 2016 geehrt worden ist.

Nach Schätzungen der WHO sind weltweit bis zu 140 Millionen Frauen und Mädchen an den Genitalien beschnitten. Mit den großen Fluchtbewegungen sind auch viele von Genitalbeschneidung (Female Genital Cutting, FGC) bedrohte oder betroffene Frauen und Mädchen nach Deutschland gekommen.

Einer aktuellen Studie des Bundesfamilienministeriums zufolge gibt es bundesweit schätzungsweise 47.000 Frauen, deren Genitalien verstümmelt wurden. Die Opfer stammten unter anderem aus Ägypten, Eritrea, Somalia, Äthiopien, Mali und dem Irak.

Der Studie zufolge stieg ihre Zahl durch die Zuwanderung aus den genannten Staaten seit Ende 2014 um knapp 30 Prozent. Bei der ersten Beratung, so die Erfahrung der Kölner Arbeitsgemeinschaft, sprechen die Opfer selten über ihre Beschneidung, sondern fast ausschließlich über die durch sie entstandenen medizinischen Probleme.

Agisra bietet ihnen eine ebenso kostenlose wie anonyme Beratung und bei Bedarf auch eine psychosoziale Betreuung an. Überdies klärt der Verein auf öffentlichen Veranstaltungen Frauen darüber auf, welche Risiken die Genitalverstümmelung birgt und wo sie Hilfe erhalten. Ergänzt wird das Angebot durch ein kostenloses Kursprogramm, das Konversationsrunden, Gymnastik und Yoga umfasst.

Das Team von agisra besteht aus zehn hauptamtlichen, (sozial)pädagogisch ausgebildeten Beraterinnen, von denen die meisten selbst Migrantinnen sind oder Fluchterfahrung haben. Die Mitarbeiterinnen beherrschen insgesamt zwölf Sprachen, bei Bedarf hilft eine Dolmetscherin. Wichtigstes Ziel ist es, Frauen gleich welcher Herkunft, Kultur, Ethnie oder Religion, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, über ihre Rechte aufzuklären und jede Form von Gewalt, Rassismus, Sexismus oder anderweitigen Diskriminierungen zu unterbinden.

„Die größte Herausforderung ist die Hilflosigkeit und Ohnmacht der Frauen“, sagte Shewa Sium, eine der Mitarbeiterinnen von agisra, bei der Preisverleihung in Berlin. Die meisten wüssten schlechterdings nicht, wie sie dem Elend und der sexuellen Unterdrückung entfliehen können. Sie haben Angst vor ihren Unterdrückern, schämen sich vor dem Tabubruch, sind uninformiert und sprechen oft weder Deutsch noch Englisch.

Hilfe suchen vor allem Frauen und Mädchen, die unter Genitalverstümmelung, Zwangsprostitution, Zwangshochzeiten, Zwangsjungfräulichkeit, Zwangsverschleierung und häuslicher Gewalt leiden. Viele seien traumatisiert, weshalb Mitarbeiterinnen von agisra sie im Bedarfsfall an Psychotherapeuten weitervermitteln und sie dorthin begleiten.

Die Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung setzt sich darüber hinaus auch politisch für die rechtliche sowie soziale Gleichstellung von Migrantinnen in unserer Gesellschaft ein. „Unsere Utopie ist eine Welt, in der Frieden, Wohlstand, Bildung und Gesundheitsversorgung, das heißt Menschenrechte, für alle möglich sind“, lautet das selbst formulierte Ziel.

Eines der jüngsten von agisra angestoßenen Projekte richtet sich an neuzugewanderte Bürgerinnen aus Staaten der Europäischen Union. „Bonvena“ (Esperanto für „Willkommen“) soll dabei helfen, die soziale Eingliederung der EU-Neubürgerinnen zu verbessern. Die Initiative bietet den Frauen (psychosoziale) Unterstützung etwa bei häuslicher Gewalt, sexueller Ausbeutung, Diskriminierung und bei Gesundheitsfragen. (smi)

Großes Herz für „vergessene Kinder“

AMSOC-Patin Birgit Stoessel mit ihrem Patenkind Meko und Mekos Mutter (von rechts).

AMSOC-Patin Birgit Stoessel mit ihrem Patenkind Meko und Mekos Mutter (von rechts).

© AMSOC

In Deutschland leben etwa 3,8 Millionen Kinder und Jugendliche, deren Vater oder Mutter an einer Depression, bipolaren Störung, an Schizophrenie, einer posttraumatischen Belastungsstörung oder der Borderline-Persönlichkeitsstörung leiden. Kinder psychisch kranker Eltern sind hohen Belastungen ausgesetzt, stellen ihre eigenen Bedürfnisse aber meist hintan. Früher nannte man sie die „vergessenen Kinder“, inzwischen gibt es vielerorts Initiativen, die sich ihrer spezifischen Probleme annehmen. Eine davon ist die Ambulante Sozialpädagogik Charlottenburg e. V. (AMSOC), ein Berliner Verein, der betroffenen Kindern ehrenamtliche Paten vermittelt. Für sein soziales Engagement erhielt AMSOC den 2. Preis des von Springer Medizin verliehenen CharityAwards 2016.

Der Berliner Verein nahm seine Arbeit 2005 auf. Von Anfang an ging es darum, Kindern mit mindestens einem psychisch erkrankten Elternteil ehrenamtlich tätige Paten an die Seite zu stellen, die für sie über Jahre stabile und verlässliche Bezugspersonen sind. Grundsätzlich kann jeder Berliner Pate werden. Voraussetzungen sind seine Teilnahme an einem Informationsabend, eine schriftliche Bewerbung, ein persönlicher Termin zum Kennenlernen und eine mehrteilige Schulung. Jede Patenschaft wird von AMSOC-Mitarbeitern bis zur Volljährigkeit des Kindes fachlich begleitet.

Verläuft eine psychische Erkrankung chronisch, geht sie oft mit sozialer Isolation, Verwahrlosung, Klinikeinweisungen und Arbeitsplatzverlust einher. Psychisch kranke Eltern plagt zudem ein schlechtes Gewissen. In Krisenzeiten fällt es ihnen schwer, auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen oder diese überhaupt zu erkennen. Selbst in halbwegs stabilen Phasen sind sie mit der Betreuung und Erziehung ihrer Kinder oft überfordert. Ihre Angst, dass man sie ihnen wegnehmen könnte, verschärft die Situation: Indem sie ihre Krankheit verschweigen, rauben sie sich selbst jede Chance auf eine Therapie. Ihre Kinder kümmern sich derweil um die kranken Eltern – mit der Folge, dass sie auf Dauer selbst krank werden.

Diesen Teufelskreis will AMSOC durchbrechen. Die ehrenamtlichen Helfer betreuen ihr Patenkind mindestens einmal pro Woche. An einem Wochenende pro Monat bleiben die Kinder auch über Nacht bei ihnen. Jeder Pate erklärt sich zudem bereit, die Kinder jener Eltern, die gerade eine Krise durchleben, bis zu acht Wochen bei sich aufzunehmen, um eine Fremdunterbringung der Kinder zu vermeiden.

Von der Patenschaft profitieren am Ende aber nicht nur die Schützlinge: Da deren Eltern durch die Ehrenamtlichen entlastet werden und ihre Söhne und Töchter in guter Obhut wissen, können sie selbst schneller genesen – und die Helfer können sich sicher sein, etwas Gutes zu tun. (smi)

Arzt bietet „Gast-Haus statt Park-Bank“

Dr. Klaus Harbig bei der Arbeit: Der Dortmunder Internist bietet ehrenamtlich dreimal pro Woche Sprechstunden an.

Dr. Klaus Harbig bei der Arbeit: Der Dortmunder Internist bietet ehrenamtlich dreimal pro Woche Sprechstunden an.

© Gast-Haus e.V.

Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde, aber auch hier gibt es arme und wohnungslose Menschen, die sich weder eine tägliche Mahlzeit noch einen Arztbesuch leisten können. Ein vorübergehendes Obdach finden Betroffene aus Dortmund und Umgebung im sogenannten Gast-Haus, einer Begegnungsstätte, in der ihnen der Internist Dr. Klaus Harbig zudem dreimal wöchentlich eine kostenlose medizinische Grundversorgung offeriert.

Für sein ehrenamtliches Engagement ist der Dortmunder Arzt mit dem 3. Preis des CharityAwards 2016 von Springer Medizin geehrt worden. Die Ökumenische Wohnungslosen-Initiative e. V. Gast-Haus statt Bank wurde 1995 gegründet. Gastfreundschaft ist denn auch ihr oberstes Gebot. Außer einem täglichen Frühstück, Kaffee, Tee und Kuchen, Dusch- und Wäscheangeboten sowie Gesprächs- und Spielenachmittagen bietet die Begegnungsstätte ihren Schützlingen zudem eine seelsorgerische Betreuung sowie Rechts- und Schuldnerberatung.

Insgesamt kümmern sich 140 ehrenamtliche Mitarbeiter um die jährlich etwa 100.000 Gäste. Vor zwölf Jahren stieß Dr. Klaus Harbig zum Team, der nach 25 Jahren als Hausarzt eine neue Herausforderung suchte. Seither lädt er Bedürftige – Obdachlose, Migranten, Menschen ohne Krankenversicherung, Drogensüchtige – dreimal wöchentlich in seine Sprechstunde.

Seinem Team gehören inzwischen fünf Ärzte, eine Psychiaterin, eine Psychologin, ein Drogenberater sowie 15 weitere Helfer aus medizinischen Assistenzberufen an. Medikamenten- und Geldspenden ermöglichen Harbig und seinen Kollegen, fast 10.000 Patienten pro Jahr adäquat zu behandeln.

2013 konnte „Doc Klaus“, wie er von seinen Patienten genannt wird, dank einer Erbschaft von einem seiner Palliativpatienten das Nachbarhaus in der Rheinischen Straße 20 erwerben und dort eine moderne, geräumige Praxis einrichten: Diese verfügt über ein Ultraschallgerät, ein EKG, Praxis-EDV und sogar ein kleines Labor. Pro Quartal werden dort jetzt mehr als 500 Patienten versorgt.

Viele leiden an Diabetes, Hypertonie, Asthma, COPD, Bronchitis, Herzerkrankungen, Harnwegsinfekten und Erkrankungen des Verdauungstrakts. Darüber hinaus behandeln Harbig und seine Kollegen aber auch Patienten mit Aids, Hepatitis und Tuberkulose, psychischen Problemen sowie den typischen Krankheiten der Straße: Krätze, Läuse, Ekzeme und offene Beine.

Für den pensionierten Arzt ist seine ehrenamtliche Tätigkeit genau das, was er immer tun wollte: „als Arzt arbeiten zu dürfen, ohne Geld verdienen zu müssen“. (smi)

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