Pep Guardiola - Bayerns neuer Coach

Der Messias und die Psycho-Falle

Starkult, Medienhype, hoher Erfolgsdruck: Pep Guardiola, neuer Coach des FC Bayern München, steht vor schwierigen Herausforderungen - auch psychisch. Ein Psychologe analysiert den Charakter des Startrainers.

Thorsten SchaffVon Thorsten Schaff Veröffentlicht:
Wird Pep Guardiola die Erwartungen des FC Bayern erfüllen?

Wird Pep Guardiola die Erwartungen des FC Bayern erfüllen?

© [M] Guardiola: Eibner / imago | Logo: Ulmer / imago

MÜNCHEN. Die 51. Saison in der Fußball-Bundesliga startet an diesem Wochenende - und im Mittelpunkt des Interesses steht Pep Guardiola.

Der neue Cheftrainer der Bayern gibt gegen Borussia Mönchengladbach sein Debüt in der höchsten deutschen Spielklasse - und alle Augen und Kameras sind auf ihn gerichtet. Seit seinem Dienstantritt beim deutschen Rekordmeister steht der Spanier unter besonderer Beobachtung, der Hype um ihn ist nahezu grenzenlos.

Mehr als 240 Journalisten aus elf Nationen kamen Ende Juni zur Pressekonferenz, in der der 42-Jährige als neuer Bayern-Trainer vorgestellt wurde, und machten daraus ein Medienspektakel - und mehr als zehntausend Fans strömten zum ersten Training unter seiner Regie.

Pep Guardiola, das muss man wissen, gilt als weltbester Trainer. Er hatte den FC Barcelona zwischen 2008 und 2012 zum erfolgreichsten Verein geformt und insgesamt 14 Titel geholt. Die Katalanen gewannen unter ihm zwei Mal die Champions League, drei spanische Meisterschaften, zwei Mal den spanischen Pokal und bejubelten zwei Triumphe bei der Klub-WM.

Ähnliche Wunderdinge erwarten nun Vereinsverantwortliche und Fans des FC Bayern vom "Messias". Dabei liegt die Messlatte enorm hoch, schließlich haben die Münchner unter Vorgänger Jupp Heynckes in der vergangenen Saison alle möglichen Titel gewonnen.

Pep Guardiola steht somit vor schwierigen Herausforderungen und unter besonderem Druck. Wie es um seinen Charakter und seine Psyche bestellt ist, analysiert Sportpsychologe Dr. Karl Kubowitsch im Interview mit der Ärzte Zeitung.

  • Dr. Karl Kubowitsch
  • Josep "Pep" Guardiola

Aktuelle Position: Selbstständiger Diplompsychologe (GAP Gesellschaft für Angewandte Psychologie, Karl Kubowitsch und Partner / www.gap-web.de), Senior Coach BDP, Sportpsychologie BDP, Supervisor BDP, Biofeedback Therapeut DGBfb

Ausbildung: 1987 Abschluss des Psychologiestudiums in Regensburg, 2005 Promotion in Olmütz (Tschechien) mit einer Dissertation über Coaching

Werdegang: 1987 Militärpsychologe (Flugpsychologe bei der Luftwaffe; Dezernatsleiter Ergonomie, Wehrtechnische Dienststelle der Bundesmarine) Seit 1990 selbstständig tätig im Bereich Wirtschafts- und Sportpsychologie, Dozent in der Weiterbildung zum Biofeedback- und Neurofeedback-Therapeuten (DGBfb) und Coaching (Deutsche Psychologen-Akademie)

Geboren am 18.1.1971 in Santpedor (Spanien)

Spielerkarriere: FC Barcelona (1990-2001), Brescia Calcio (2001-2002 und 2003), AS Rom (2002-2003), Al-Ahli SC (2003-2005), Dorados de Sinaloa (2006), 47 Spiele (5 Tore) in der spanischen Nationalmannschaft

Erfolge als Spieler: Europapokal der Landesmeister (1992), Europapokal der Pokalsieger (1997), Olympiasieger (1992), 6 x spanische Meisterschaft, 2 x spanischer Pokal

Trainerkarriere: FC Barcelona (2008-2012), FC Bayern München (seit Juni 2013)

Erfolge als Trainer 2 x Champions League, 3 x spanische Meisterschaft, 2 x spanischer Pokal, 2 x Klub-WM

Auszeichnungen: 2 x Weltklubtrainer

Ärzte Zeitung: Messias, Heilsbringer, weltbester Trainer: Pep Guardiola wird seit seinem Dienstantritt beim FC Bayern München medial in den Himmel gehoben. Welche psychischen Folgen kann ein solch stark ausgeprägter Starkult für den Betreffenden haben?

Dr. Karl Kubowitsch: Pep Guardiola ist ja kein Durchschnittsmensch, sondern jemand, der sich über besondere Erfolge auf seinem Gebiet profiliert hat. Eine hohe Erwartungshaltung ist für einen solchen Menschen, der auf einem so hohen Niveau des Könnens unterwegs ist, nicht per se ein Problem. Das gilt für alle Bereiche: Ein Chirurg, der tolle Erfolge vorzuweisen hat, bekommt bei der nächsten Operation auch keine zitternde Hand, nur weil ihm ein guter Ruf vorauseilt. Ich glaube nicht, dass der Starrummel ein großes Problem für Guardiola darstellt, schließlich war er die öffentliche Aufmerksamkeit in seiner Zeit als Coach des FC Barcelona gewohnt. Eine viel größere Bedeutung für ihn dürfte der Druck haben, den er sich selbst macht.

Pep Guardiola macht sich selbst Druck?

Kubowitsch: Pep Guardiola scheint ein Mensch zu sein, der sich selbst einem extrem hohen Leistungs- und Ergebnisanspruch aussetzt. Der Erwartungsdruck von außen dürfte geringer sein als der innere Druck, der aus seinem eigenen Perfektionsanspruch resultiert. Da er einen außergewöhnlichen Anspruch hat, wird er nur zufrieden sein, wenn er Besonderes mit der Mannschaft schafft - es geht ihm dabei nicht nur um Titel, sondern auch um die Art, wie seine Mannschaft spielt. Er will seine Vorstellungen vom Fußball verwirklichen und zeigen, dass sie zu Erfolgen führen. Das treibt ihn an.

Nach dem Erfolg im DFB-Pokal gegen BSV SV Rehden (5:0) am Montag sprach Guardiola den Erwartungsdruck in einem Fernsehinterview an: "Viele denken: Jetzt bin ich hier und wir müssen jedes Spiel mit 7:0 gewinnen - aber das ist unmöglich." Er betonte, er sei ein normaler Trainer mit erst fünfjähriger Erfahrung. Sind die Aussagen eine Reaktion auf den enormen Druck?

Kubowitsch: Meine These lautet: Nein. Ich glaube, dass er als Voll-Profi diese Relativierungen bewusst geäußert hat, um die Erwartungshaltung zu zügeln. Seine Aussagen kamen nicht deswegen, weil er den Druck nicht aushält, sondern weil er positiv wirken und sich so auch einen kleinen Puffer verschaffen möchte, falls der Saisonstart etwas holprig ausfällt. Er weiß ja, dass zwischen hochgejubelt werden und durch den Kakao gezogen werden oft nur ein paar Spiele liegen. Deshalb ist es taktisch klug, sich in der Öffentlichkeit als sympathischer und bescheidener Mensch zu geben.

Sie glauben, die hohe Erwartungshaltung seitens Verein und Fans lässt ihn kalt?

Kubowitsch: Im Moment schon, denn er hat noch keinen großen Druck von außen. Beim FC Bayern wird man ihm zugestehen, dass zu Beginn noch nicht alles perfekt klappt. Aber wenn Guardiola mit den Bayern Ende Oktober in der Bundesliga nicht souveräner Tabellenführer ist und in der Champions League nicht sehr erfolgreich spielt, dann wird sich der Druck seitens der Medien erhöhen und es wird vor allem auch Gegenwind im Verein geben. Es gibt ja kaum einen Klub weltweit, der einen so geballten Fußballsachverstand in der Führung aufweist wie der FC Bayern. Beispiel Matthias Sammer: Er interpretiert seine Rolle als Sportvorstand so, dass er der konstruktiv Unzufriedene ist, der sich mit einem guten oder auch sehr guten Ergebnis nicht zufrieden gibt. Er fordert Exzellenz. Bei den Bayern befindet sich Guardiola also in einem anderen Kraftfeld, als er es beim FC Barcelona gewohnt war.

Unter Guardiolas Vorgänger Jupp Heynckes hat der FC Bayern in der vergangenen Saison mit Meisterschaft, Pokalsieg und Champions-League-Triumph alle möglichen Titel gewonnen. Im Grunde weiß der neue FCB-Coach, dass er es besser gar nicht machen kann. Wie kann man psychisch so eine verzwickte Situation bewältigen?

Kubowitsch: Ich glaube, er sieht seine Situation gar nicht als verzwickt an. Er hat eine Idee davon, wie moderner, erfolgreicher und begeisternder Fußball aussieht - und will sie umsetzen. Guardiola hat sich den FC Bayern selbst ausgesucht, weil er dort die Spieler und Rahmenbedingungen vorfindet, mit denen er seine Vorstellungen verwirklichen kann. Er sieht viel eher die Chance, etwas zu gestalten als das Damoklesschwert des Misserfolgs, das über ihm schwebt. Ihn treibt mehr die Vision an, zu einem der prägenden Trainergestalten zu werden, über die man noch Jahrzehnte später sagt, dass sie den Fußball weltweit vorangebracht haben.

Sollte der Erfolg ausbleiben: Wie kann Pep Guardiola dem Druck dann Stand halten?

Kubowitsch: Ein hoher Leistungsanspruch per se macht nicht krank, das kann jeder Hausarzt bestätigen. Aber Druck führt zu einem Regenerationsbedarf, und der muss in einer effektiven Erholung münden. Das gilt für alle, die unter Druck stehen. Guardiola hat ja nach seiner Zeit beim FC Barcelona eine Auszeit genommen und ist mit der Familie nach New York gegangen. Vielleicht auch deshalb, weil er gemerkt hat, dass seine Energie schwand.

Beim FC Bayern sprüht er voller Elan und gibt sich bescheiden und locker - auch während der Spiele. Prallen der Starrummel und der ganze Medienhype einfach an ihm ab?

Kubowitsch: Ich wage die These: Pep Guardiola ist während der Spiele so fokussiert und mit voller Leidenschaft dabei, er ist mental so stark im Spiel drin - da könnte fünf Meter neben ihm etwas Bedeutendes passieren, er würde das in wichtigen Spielphasen nicht mal mitbekommen. Er wirkt locker und sympathisch, dennoch lebt er den Leistungsanspruch in jeder Hinsicht.

Für Guardiola ist vieles neu: das Land, der Verein, die Bundesliga, die Sprache. Obwohl er erst seit einem halben Jahr Deutsch lernt, gibt er seine Interviews von Anfang an auf Deutsch. Ist das auch Ausdruck seiner starken Persönlichkeit?

Kubowitsch: Ja, und es zeugt von seinem Perfektionismus. Er will überall Top-Professionalität - und fordert das auch von seinen Spielern. Guardiola hat eine starke Persönlichkeit, er ist psychisch sehr gefestigt, hat aber auch kleine Sollbruchstellen vorzuweisen.

Welche?

Kubowitsch: Ich habe drei Thesen - und man soll dies keineswegs als eine Art von Ferndiagnose werten. Die erste These ist, dass Guardiola ein unbedingter Machtmensch ist. Er hat einen ganz großen Gestaltungsanspruch, und er möchte nicht Spielball von Einflussfaktoren sein. Das bedeutet aber auch: Wenn im Umfeld Dinge passieren, die sich als Störfaktoren erweisen, wird er darüber nicht nur "not amused" sein, sondern das wird tiefer bei ihm gehen.

Der zweite Aspekt ist die Frage, inwieweit er als Machtmensch tatsächlich teamfähig ist. Damit meine ich: Wie funktioniert das mit Pep als Teil des Bayern-Teams? Und ich meine nicht das Trainerteam um Pep herum, das dazu da ist, ihn noch erfolgreicher zu machen.

Und drittens: Wer Guardiolas Werdegang unter die Lupe nimmt, sieht, dass er ein Schüler von Johan Cruyff ist. Cruyff war ein begnadeter Weltklassespieler, sehr erfolgsorientiert und auch erfolgreich, aber mit Ecken und Kanten. Wenn er einen Verein verlassen hat, dann gab es eine Trennung mit Scherben, sprich ohne professionelle Freundlichkeit, dafür mit jeder Menge Emotionen. Und mein Eindruck ist, dass es beim neuen Bayern-Trainer wie bei seinem Mentor sein könnte. Zuletzt hat sich Guardiola ja kritisch zum Ex-Klub Barcelona geäußert, was darauf hindeutet, dass latent noch Spannungen vorhanden sind und er seinen Frieden mit dem Verein nicht gefunden hat.

Pep Guardiola - ein perfektionistischer Machtmensch und Vollprofi. Welche äußerlichen Anzeichen gibt es, wenn der neue FCB-Coach beginnen sollte, unter dem enormen Erwartungsdruck psychisch zu leiden?

Kubowitsch: Anzeichen dürften sich beispielsweise an seinem Verhalten am Spielfeldrand zeigen. Bislang wirkt Guardiola locker und - obwohl er voll fokussiert aufs Spiel ist - kann er auch auf seine Außenwirkung achten, insbesondere Richtung Mannschaft. Wenn das nicht mehr gelingt, wenn er zusehends emotional negativ reagiert und mit Schiedsrichterentscheidungen extrem hadert, dann sind dies deutliche Zeichen. Ein solches Verhalten stünde im krassen Gegensatz zum professionellen Anspruch, den er an sich selbst stellt.

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