Eckwerte für Bundeshaushalt 2025
Regierung will die GKV nur mit Darlehen stützen
Der Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 stößt bei Akteuren im Gesundheitswesen auf große Enttäuschung. Statt der erhofften Steuermilliarden sollen Krankenkassen und Pflegeversicherung nur ein Darlehen erhalten.
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Stellte am Dienstag Eckpunkte des Bundeshaushalts 2025 vor: Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD).
© Kay Nietfeld/dpa
Berlin. Die Bundesregierung will die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die Soziale Pflegeversicherung (SPV) finanziell stabilisieren – gewährt den Sozialkassen aber nur ein Darlehen. Nach dem am Dienstag vom Kabinett beschlossenen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 soll der GKV in diesem und im kommenden Jahr ein Darlehen von jeweils 2,3 Milliarden Euro gewährt werden.
Die SPV soll in diesem Jahr ein Darlehen über 500 Millionen Euro erhalten, 2026 sollen es dann 1,5 Milliarden Euro sein. Zusätzlich belastet wird die finanzielle Lage in der SPV durch ein altes Darlehen in Höhe von 500 Millionen Euro, das bis Ende 2028 zurückgezahlt werden muss. Der Bund hatte der Pflegeversicherung bereits im Jahr 2022 eine Milliarde Euro auf Pump geliehen, die Hälfte dieser Summe ist bereits Ende 2023 fällig gewesen. Die SPV hat das vergangene Jahr mit einem Minus von rund 1,5 Milliarden Euro abgeschlossen, im ersten Quartal dieses Jahres sind rote Zahlen in Höhe von 166 Millionen Euro aufgelaufen.
Mit den Darlehen bleibt Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) in seiner Etatplanung weit hinter den Forderungen von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zurück. Diese hatte im Vorfeld angekündigt, die versicherungsfremden Ausgaben der GKV für das Bürgergeld in Höhe von rund zehn Milliarden Euro sollten aus Steuermitteln finanziert werden.
Kassen hätten sich mehr „Tatkraft“ erhofft
Warken machte denn auch klar, dass sie Änderungen am Entwurf anstrebt. Der könne nicht das letzte Wort sein, erklärte sie am Dienstag: „Ich setze dabei aufs parlamentarische Verfahren. Ich bin mir mit dem Bundesfinanzminister einig, dass wir Beitragserhöhungen verhindern müssen, um den Wirtschaftsaufschwung nicht zu gefährden. Mit den zugesagten Darlehen für die GKV und SPV wird das kaum gelingen.“
Krankenkassen reagierten auf den Haushaltsentwurf mit Blick auf den Einzelplan 15 mit harscher Kritik. „Die erhoffte nachhaltige Stabilisierung der Finanzen von GKV und SPV durch die kostendeckende Refinanzierung der Gesundheitsversorgung von Bürgergeld-Beziehenden durch den Bund sucht man in den Eckwerten vergeblich“, kommentierte die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann. Auch die Erstattung der vorgestreckten Corona-Kosten sei nicht berücksichtigt worden. „Das sieht eher danach aus, als wolle man GKV und SPV in die Schulden treiben, statt die Beitragssätze nachhaltig zu stabilisieren“, monierte Reimann.
Auch der GKV-Spitzenverband rügte, am „permanenten Erhöhungsdruck auf die Zusatzbeitragssätze“ werde ein Darlehen nichts ändern. Man hätte sich an dieser Stelle von der neuen Bundesregierung „mehr Tatkraft“ erhofft, hieß es am Dienstag. Für den BKK-Dachverband prognostizierte Vorständin Anne-Kathrin Klemm, das Darlehen werde „vorne und hinten nicht reichen“. Weitere Rekorde bei den Beitragssätzen seien absehbar. Zusätzlich zur vollständigen Steuerfinanzierung der versicherungsfremden Leistungen sprach sich der Ersatzkassenverband vdek für ein Ausgabenmoratorium aus, „das verhindert, dass die Ausgaben weiter stärker steigen als die Einnahmen“.
Überschuss wird nicht reichen für das Auffüllen der Rücklagen
Seit Monaten wird die gesundheitspolitische Diskussion getrieben von anhaltend hohen Ausgabensteigerungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Im ersten Quartal sind nach offiziellen Zahlen des Bundesgesundheitsministeriums die Ausgaben für Leistungen um 7,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen. Damit konnten die Beitragseinnahmen mit plus 6,0 Prozent – ohne Zusatzbeiträge – nicht Schritt halten, obwohl die Entwicklung durch höhere Löhne und Gehälter begünstigt wurde.
Der Überschuss, den die GKV im ersten Quartal in Höhe von 1,84 Milliarden Euro verzeichnet, dürfte bei den Kassen in vielen Fällen nicht ausreichen, um die Rücklagen wenigstens wieder auf den Mindestwert von 0,2 Monatsausgaben anzuheben. Die Finanzreserven waren zu Beginn des Jahres mit 3,6 Milliarden Euro oder 0,1 Monatsausgaben nur halb so hoch wie gesetzlich vorgeschrieben.
Ausgaben schon im ersten Quartal über Einnahmen
Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben geht maßgeblich auch auf die Dynamik der Ausgaben für Krankenhausbehandlungen zurück – sie legten im ersten Quartal um 9,5 Prozent oder 2,4 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu. Leicht unterdurchschnittlich fällt die Entwicklung bei den Ausgaben für ambulante Ärzte-Honorare aus.
Der Anstieg um 7,0 Prozent oder 874 Millionen Euro sei – bezogen auf das jeweils erste Quartal – das stärkste Wachstum seit mehr als zehn Jahren und übertreffe auch die Dynamik des Vorjahres mit plus 6,7 Prozent, berichtet das BMG. Ursächlich sei hier insbesondere, dass der bundeseinheitliche Orientierungspunktwert mit 3,85 Prozent höher ausgefallen ist im Vergleich zum im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt.
Stärker als im Durchschnitt aller Leistungsausgaben legten der Bereich der medizinischen Behandlungspflege (bisher: „Behandlungspflege/häusliche Krankenpflege“) mit 13,8 Prozent und 344 Millionen Euro zu sowie die Ausgaben für Schutzimpfungen mit einem Plus von 14,4 Prozent und 104 Millionen Euro. Auch der Bereich der Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen entwickelte sich mit einer Steigerungsrate von 9,1 Prozent und 102 Millionen Euro dynamisch, berichtet das BMG.
Konträre Forderungen aus der Koalition
Bislang hat die Koalition keine Linie im Umgang mit den finanziellen Herausforderungen der GKV erkennen lassen. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf sowie der SPD-Gesundheitspolitiker Christos Pantazis haben eine höhere Beitragsbemessungsgrenze in die Diskussion eingebracht. Pantazis hatte eine Erhöhung der Grenze sogar um rund 2.500 Euro angeregt – von derzeit 5512,50 Euro monatlich auf das Niveau der Rentenversicherung, dort liegt die Grenze bei monatlich 8.050 Euro. Der Vorschlag wurde aus der Unionsfraktion umgehend abgelehnt – verbunden mit dem Verweis auf den Koalitionsvertrag. Danach ist es das Ziel, eine weitere Belastung der Beitragszahler zu vermeiden.
Unionsfraktions-Chef Jens Spahn hat dies im Interview mit den „Stuttgarter Nachrichten“ am Montag nochmals bekräftigt. „Notfalls“, so der ehemalige Gesundheitsminister, müsse der Bund mit Steuermitteln einspringen. „Aber ich erwarte auch, dass die Ausgaben mal ein, zwei Jahre lang nicht stärker wachsen als die Einnahmen“, so Spahn. Eine solche „einnahmenorientierte Ausgabenpolitik“ ist eine ständige Forderung des GKV-Spitzenverbands. (fst)