HINTERGRUND

Die Geschichte der Herztransplantation - ein langer Weg von ersten Erfolgen bis zum heutigen Standard

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:

München am 13. Februar 1969. In der Chirurgischen Universitätsklinik München, Nußbaumstraße 20, herrscht große Aufregung. Rudolph Zenker, ein Schüler des berühmten Chirurgen Ernst Ferdinand Sauerbruch, stellt in aller Eile ein Operationsteam zusammen. Er selbst übernimmt die Anästhesie und die Verantwortung für die erste Herztransplantation in Deutschland.

Die erste Herztransplantation gelang 1967 in Kapstadt

14 Monate sind vergangen, seit in Kapstadt Christiaan Barnard und sein Team weltweit zum ersten Mal ein Herz verpflanzt hatten. Das war in der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember 1967. Noch am Tag der Operation hatte Barnard die Kollegen in München telefonisch eingeladen, daran teilzunehmen. Obwohl die deutschen Ärzte sechs Stunden nach dem Anruf schon im Flugzeug saßen, verpaßten sie das Debut in Kapstadt wegen eines längeren Zwischenaufenthaltes. Aber der gute Kontakt zu Barnard dürfte die Entwicklung der Herztransplantation in Deutschland mit beeinflußt haben.

Viele bislang kaum bekannte Zusammenhänge über die Geschichte der Herztransplantation in Deutschland haben Wissenschaftler an der Klinik für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie in Münster aufgearbeitet (Herztransplantation. Steinkopff-Verlag, Darmstadt 2003). Eine der Begebenheiten, die sie schildern, ist die Transplantation im Februar 1969 in München. Sie mißlang, obwohl die Münchener Kollegen sich aus erster Hand informiert hatten und sich gut vorbereitet fühlten.

Der erste Herzempfänger in Deutschland überlebte nur kurz

Der 36jährige Organempfänger, der an einer infektionsbedingten Kardiomyopathie litt, starb 27 Stunden nach der Transplantation. Eine klinisch nicht erfaßbare, traumatische Thrombose der rechten Koronararterie führte zum Rechtsherzversagen.

Auch die zweite Herztransplantation in Deutschland - nur vier Wochen später - schlug fehl. Während der Operation entdeckten die Chirurgen eine Gefäßanomalie beim Empfänger. Das implantierte Herz lag darum schräg im Brustkorb und konnte den notwendigen Druck nicht aufbauen.

Den dritten Versuch machten Chirurgen am Berliner Westend-Krankenhaus unter Leitung von Professor Emil S. Bücherl. Ein 46jähriger Mann erhielt in nur vier Stunden ein neues Herz. Aber an drei Nahtstellen trat Blut aus. Als Folge kam es zu unkontrollierbaren Gerinnungsstörungen; der Patient starb nur neun Stunden nach dem Eingriff.

"Wir machen weiter", sagte Emil Bücherl nach dem Mißerfolg

"Wir machen weiter", wird Bücherl drei Tage später in der Presse zitiert. Dennoch gab es in Deutschland zwölf Jahre lang keine Herztransplantation mehr.

Den ersten Erfolg konnten schließlich Ärzte des Deutschen Herzzentrums München am 7. Mai 1981 verbuchen. Damit war der Durchbruch in Deutschland geschafft. Rasch folgten weitere Herztransplantationen in München, an der Medizinischen Hochschule Hannover, in Hamburg und am Deutschen Herzzentrum in Berlin. Soweit der Rückblick der Kollegen aus Münster.

Heute werden in Deutschland jährlich etwa vierhundert Herzen in 26 Zentren transplantiert, etwa sechshundert Patienten warten auf ein Organ. Der Trend in der Herztransplantation ist seit 1997 rückläufig, es fehlen Organe. Und es werden immer mehr Alternativen entwickelt, etwa die Linksherz-Unterstützungs-Systeme. Ursprünglich nur als Überbrückung gedacht, erholt sich damit bei einigen Patienten das Herz so gut, daß die Transplantation überflüssig wird.

Eine Option ist vielleicht ein Kunststoffnetz ums Herz

Eine weitere Alternative könnte ein elastisches Netz aus Polypropylen sein, das wie ein Strumpf über das kranke Herz gezogen wird. Die Arbeitsgruppe um Professor Peter Feindt von der Universität Düsseldorf entwickelt das Verfahren.

"Wir haben eine CE-Zertifizierung für das Netz erhalten und umfangreiche, präklinische Studien mit Schweinen sehr erfolgreich abgeschlossen", so Feindt zur "Ärzte Zeitung". Die Tierversuche hatten ergeben, daß das Netz die Herz-Pumpkraft erhöht und sich eine Hypertrophie wieder zurückbilden kann. Die Methode soll jetzt in einer Pilotstudie mit 20 Patienten erprobt werden, die eine ischämische oder dilatative Kardiomyopathie der NYHA-Stadien II bis III und Kontraindikationen für eine Transplantation haben.

Literaturtip: Christof Schmid, Jan D. Schmitto, Hans Scheld, Herztransplantation in Deutschland. Ein geschichtlicher Überblick. Steinkopff-Verlag Darmstadt 2003, 144 S., 16,95 Euro. ISBN 3798513902

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