Die neue Karte - alles schon mal dagewesen

Die Einführung der Krankenversichertenkarte lief Anfang der 1990er Jahre alles andere als reibungslos. Erst als der damalige Gesundheitsminister Horst Seehofer nachhakte, ging alles plötzlich ganz schnell.

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Bonn, im Frühjahr 1994. Der ehemalige Ministerialdirektor im Bundesgesundheitsministerium Dr. Manfred Zipperer hat zurzeit des öfteren Déjà-vu-Erlebnisse.

Als 1994 der eigentliche Rollout der Krankenversichertenkarte (KVK) begann, war Zipperer Leiter der Unterabteilung Krankenversicherung und als solcher mit der neuen Chipkarte unmittelbar befasst.

Zur aktuell laufenden Einführung der elektronischen Gesundheitskarte sieht Zipperer viele Parallelen. Schon damals gab es Widerstand bei Teilen der ärztlichen Basis, erinnert sich der frühere Ministerialbeamte: "Die Argumente waren damals fast genau dieselben wie heute gegen die eGK."

Die Karte bringe den gläsernen Patienten, sie verletze den Datenschutz, sie erschüttere das Vertrauen in die Arzt-Patienten-Beziehung, sie bringe nichts - das hätten damals die Kartengegner vorgebracht.

"Und heute gehört die Karte so selbstverständlich in die Geldbörse wie die ec-Karte", sagt Zipperer.

Zur Erinnerung: Der Speicherchip auf der KVK enthält außer dem Namen, der Versichertennummer, der Kasse und dem Geburtsdatum keine Daten. Die Karte hat für Patienten eine Ausweisfunktion, sie weist nach, dass der Patient Anspruch auf die Sachleistungen des Kassensystems hat.

Goldene Zügel

Für Vertragsärzte ersetzte sie den Krankenschein und sorgte - zusammen mit der verstärkt aufkommenden Praxis-EDV - für eine gigantische Rationalisierung in den Prozessen der Quartalsabrechnung in den Arztpraxen und in den KVen.

Die Dinge wiederholen sich auch auf andere Weise: 1989 wurde die Einführung der neuen Chipkarte gesetzlich vorgeschrieben. "Doch bis 1993 ist praktisch nichts passiert", erzählt Zipperer.

"Die Ärzte wollten sie nicht, die Kassen gaben die Karte nicht aus." Das habe den Gesundheitsminister gewurmt - Horst Seehofer griff zur Brechstange. Er ließ gesetzlich festschreiben, dass Ärzte, die die KVK nicht für die Abrechnung nutzten, kein Honorar bekommen sollten.

Außerdem wurde in Vergütungsverhandlungen festgelegt, dass die Kosten für die Kartenlesegeräte nicht bei den Ärzten hängen blieben.

Dann ging plötzlich alles ganz schnell: "Nach sechs Monaten hat jeder die Karte gehabt." Länderweise wurden die Karten nach und nach an die 72 Millionen Versicherten ausgegeben.

Ähnlich zehn Jahre später: 2006 sollte die Gesundheitskarte starten, doch erst fünf Jahre später begann der Basis-Rollout der Karte, der im kommenden Jahr dann abgeschlossen sein soll.

Dieses Mal half die Drohung, dass den Kassen, die keine Karten ausgeben, die Verwaltungskosten gekürzt werden. Zipperers Kommentar: "Mit dem goldenen Zügel lässt sich viel erreichen." (ger)

Krankenversichertenkarte kommt - IT-Boom in den Paxen

Die Einführung der KVK war für viele Ärzte auch der Anlass, sich eine Praxis-EDV zuzulegen. In den Jahren 1993 und 1994 stieg der Anteil der Ärzte, die mit EDV ihre Abrechnung erstellten, von 24 auf mehr als 52 Prozent, und der schnelle Anstieg setzte sich auch in den Jahren danach fort.

Die Ärzte investierten damals allein 1994 mindestens eine halbe Milliarde DM in ihre IT-Ausstattung. Eine Investition, die sich schnell ausgezahlt haben dürfte: Ungezählt sind die eingesparten Arbeitsstunden beim Ausfüllen von Formularen jeder Art und bei der Erstellung der Quartalsabrechnung.

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