Russland

Doping ohne Ende?

Die in einer ARD-Dokumentation erhobenen Doping-Vorwürfe gegen Russland haben zu einem hektischen Aktionismus geführt: Im Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF) beginnt das Stühlerücken.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Russland steckt tief im Doping-Sumpf.

Russland steckt tief im Doping-Sumpf.

© Patrick Seeger / dpa

NEU-ISENBURG. Eine Woche nach Ausstrahlung der ARD-Dokumentation "Geheimsache Doping: Wie Russland seine Sieger macht" ist der Schatzmeister des Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF), der Russe Valentin Balachnitschew, "vorläufig" zurückgetreten.

Nach Ende der Untersuchungen werde er jedoch auf seinen Posten zurückkehren, verkündete Balachnitschew, der auch Präsident des russischen Leichtathletik-Verbandes ist.

Am Freitag legte auch der Direktor der Anti-Doping-Abteilung der IAAF, der Franzose Gabriel Dollé, nach einer Befragung durch die Ethikkommission des Verbandes sein Amt nieder.

Unterdessen kündigte der Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Craig Reedie, an, den von russischen Sportlern geäußerten Vorwurf, dass es ein staatlich unterstütztes Dopingsystem in ihrem Land gebe, gründlich zu überprüfen.

Rückblick: In der am 3. Dezember ausgestrahlten Sendung hatten russische Spitzenathleten, Trainer und Kontrolleure gegenüber deutschen Journalisten von den Dopingpraktiken in ihrem Land, von Korruption und Vertuschungsmaßnahmen berichtet.

"Man kann seine Ziele nicht ohne Doping erreichen, du musst dopen, so läuft es in Russland", sagte beispielsweise Vitaliy Stepanov, der drei Jahre als Angestellter der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA tätig war und in dieser Funktion auch den Generaldirektor der Behörde beriet.

"Die Funktionäre und Trainer sagen klar, dass du mit deinen natürlichen Voraussetzungen nur so und so weit kommen kannst. Um Medaillen zu bekommen, brauchst du Hilfe. Und diese Hilfe, das ist Doping."

Seine Frau Yuliya Stepanova, eine 800-Meter-Läuferin, die derzeit wegen Dopings gesperrt ist, bestätigte Stepanovs Aussage: "Das wird den Trainern eingehämmert, und die Trainer hämmern es den Athleten ein. Die Athleten denken deshalb gar nicht, wenn sie verbotene Präparate einnehmen, dass sie etwas Unrechtes tun."

Wenn jemand erwischt und gesperrt werde, "schmeißen sie den Sportler weg und nehmen einen neuen".

Heimliche Videoaufnahmen

Ihre Vorwürfe konnte Stepanova mit heimlich aufgezeichneten Audio- und Videodokumenten belegen, die den Cheftrainer der russischen Leichtathleten Alexey Melnikov sowie den führenden Sportmediziner Sergey Portugalov massiv belasten.

Ein Handy-Video ihrer 800-Meter-Kollegin Mariya Savinova zeigt zudem, wie der Leichtathletik-Trainer Vladimir Kazarin einer Läuferin Tabletten mit dem anabolen Wirkstoff Oxandrolon zusteckt.

Die Recherchen des ARD-Teams legen nahe, dass es in Russland ein staatlich gelenktes Dopingsystem gibt.

Stepanov etwa versichert, dass Leute vom Ministerium Einfluss auf die RUSADA genommen hätten, vor allem wenn es positive Dopingproben von berühmten Athleten oder Medaillenanwärtern gegeben habe - diese seien dann vertuscht worden.

Stepanov weiter: "Ich bekam ganz klar mit, dass Offizielle versucht haben sicherzustellen, dass einige Athleten erst gar nicht getestet wurden."

2010 erließ Ministerpräsident Vladimir Putin, dass der Transport und die Ausfuhr von Urin- und Blutproben durch ausländische Kontrolleure zuvor behördlich genehmigt werden müssten und sie vom Zoll sogar geöffnet werden dürften.

Schatzmeister in der Bredouille

Der jetzt zurückgetretene IAAF-Schatzmeister Balachnitschew ist den Recherchen der ARD nach in den vermutlich größten Korruptionsskandal in der Geschichte der Leichtathletik verwickelt.

Danach soll sich die Weltklasse-Marathonläuferin Liliya Shobukhova ihre Teilnahme an den Olympischen Spielen 2012 in London erkauft haben, indem sie 450.000 Euro an russische Funktionäre gezahlt habe. Eigentlich hätte sie auffälliger Blutwerte wegen gar nicht starten dürfen.

In den Skandal soll auch der Sohn des IAAF-Präsidenten Lamine Diack (Senegal), Papa Massata Diack, verwickelt sein, der bislang als Marketingberater für die IAAF tätig war. Auch Papa Diack lasse seine Aufgaben bis zur Klärung ruhen, so der Leichtathletik-Weltverband.

Ob die Vorwürfe von der WADA tatsächlich vollständig aufgeklärt werden können, ist fraglich. Bislang leugnen alle Beteiligten ihre Schuld, und in Russland ist sogar von einer politisch motivierten westlichen Schmutzkampagne die Rede.

Zwar haben inzwischen auch Russlands Sportminister Witali Mutko, die RUSADA sowie die 2013 ins Leben gerufene Ethikkommission der IAAF Untersuchungen angekündigt; Kritiker halten dem jedoch dagegen, dass sowohl das russische Sportministerium als auch die russische Anti-Doping-Agentur in den Dopingskandal verstrickt seien und drei Mitglieder der siebenköpfigen IAAF-Ethikkommission, unter ihnen ein Landsmann des IAAF-Präsidenten Diack, eine eher zweifelhafte Reputation hätten.

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