Ein streitsüchtiger, aber kommunikativer Forscher und Unternehmer

Von Ursula Gräfen Veröffentlicht:

Wissenschaftler, erster Nobelpreisträger für Medizin, Unternehmer, Kommunalpolitiker - Emil von Behring, der heute vor 150 Jahren in Hansdorf südlich von Danzig, geboren wurde, hatte viele Facetten. "Behring galt als schwierig und als streitsüchtig", beschreibt Dr. Roloff Johannsen, der bis zu seiner Pensionierung bei Aventis Behring gearbeitet hat. Behring mußte lange um gesellschaftliche und wissenschaftliche Anerkennung kämpfen und war immer mißtrauisch. Aber er hatte es auch nicht leicht.

Streit mit Robert Koch und Paul Ehrlich

Behring war das fünfte von 13 Kindern eines Dorfschullehrers, er stammte aus kleinen Verhältnissen. Studieren konnte er nur, weil er ein Stipendium bekam und sich für neun Jahre als Militärarzt verpflichtete.

Auch als Wissenschaftler hatte Behring es zuerst schwer. Als er etwa von Berlin an die Universität Marburg versetzt wurde, geschah das gegen den Willen der dortigen Fakultät. Die Marburger Kollegen lehnten Behring ab.

Außerdem legte sich der streitsüchtige Forscher mit vielen an, selbst mit seinem ehemaligen Lehrer Robert Koch. Ganz besonders heftigen wissenschaftlichen Streit hatte er mit seinem Kollegen Paul Ehrlich. Dieser Streit zwischen den beiden Vorzeige-Forschern wurde erst beigelegt, als Friedrich Althoff, Ministerialdirektor der preußischen Kulturverwaltung, die beiden in Marburg zu einem Versöhnungsessen einlud.

Erst der Nobelpreis, den er 1901 bekam, ebnete Behring den Weg. Auch einige wichtige andere Preise bekam er - und jedesmal Preisgeld dazu. "Irgendwann war Behring reich und angesehen", so Johannsen. Außerdem wurde Behring 1901 in den Adelsstand erhoben und zum Geheimen Rat ernannt. Damit war der Kampf um die Anerkennung vorbei. Doch sein Mißtrauen legte Behring nicht ab.

Andererseits war Behring aber ein sehr kommunikativer Mensch. Er schrieb viele Briefe und hielt Kontakt zu Wissenschaftlern im Ausland, auch während des Ersten Weltkrieges. Etwa zu Louis Pasteur in Paris. Das führte übrigens dazu, daß im Ersten Weltkrieg nicht nur die deutschen Soldaten mit Behrings Heilserum und Impfstoff vor Tetanus geschützt waren, sondern auch die Gegner. Denn Pasteur produzierte Behrings Produkte in Paris und versorgte die französische Armee damit.

Seinem japanischen Kollegen Shibasaburo Kitasato, mit dem er das Diphtherie-Serum entwickelt hatte, blieb Behring verbunden, als der nach Japan zurückgekehrt war. "Diese Kontakte zu Japan waren wirtschaftlich sehr wichtig", so Johannsen. "Als ich 1970 zu den Behringwerken kam, war Japan unser größtes Exportland."

Der Ausnahme-Forscher war auch mit ganzem Herzen Unternehmer. "Er war innovationsfreudig und durchsetzungsfähig", beschreibt ihn Johannsen. 1904 gründete Behring in Marburg die Behringwerke, aus denen etwa die Unternehmen Aventis Behring und Chiron Vaccines hervorgegangen sind. Zunächst war es nur ein kleines Laboratorium, in dem zehn Mann arbeiteten.

1914 kaufte Behring eine alte Ziegelei dazu. Hier wurde an den Heilseren gegen Diphtherie und Tetanus geforscht. Auch an einem Serum gegen Tuberkulose arbeitete Behring. Er war davon so überzeugt, daß er ihm seine Rede bei der Nobelpreis-Verleihung widmete. Doch erwies sich dieses Heilserum später als wirkungslos.

Schon früh arbeitete Behring mit den Farbwerken Hoechst zusammen, die die Heilseren produzierten - in Pferden. Auf dem Marburger Firmengelände wurden dazu bis zu 2000 Pferde gehalten. Die Ställe stehen zum Teil heute noch.

Als Stadtrat sanierte Behring Marburgs Abwassersystem

Und schließlich war Behring Kommunalpolitiker. Von Anfang an setzte er sich für die Belange Marburgs ein. Als er sein Unternehmen gründete, stellte er ganz bewußt vorwiegend Bauernsöhne aus der Umgebung ein. Und als Stadtrat sanierte Behring das Abwassersystem von Marburg.

Emil von Behring war hoch geehrt, als er am 31. März 1917 starb. So schwierig und streitsüchtig Behring war, er war kein Eigenbrötler und lebte nicht wie andere große Forscher im Elfenbeinturm der Wissenschaft. Als Forscher und Unternehmer hielt er stets an seiner Vision fest: Epidemien zu bekämpfen und die Menschen zu schützen.

Lesen Sie dazu auch: Der Beginn der Ära von Serumtherapie und Impfung

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