"Erkenne dich selbst im Spiegel deines Sports"

Sportliche Vorlieben sind Ausdruck individueller Eigenarten und manchmal auch von Sehnsüchten, sagt der Gesundheitswissenschaftler Thomas Frankenbach.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Segelsportler: Er liebt das Risiko und schnelle Reaktionen.

Segelsportler: Er liebt das Risiko und schnelle Reaktionen.

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BERLIN. Sport ist gesund. Dabei ist es zunächst völlig egal, welcher Sport uns begeistert, Hauptsache wir kommen überhaupt regelmäßig in Bewegung.

Das ist die gängige Auffassung. Doch der Lieblingssport verrät eine Menge über die Persönlichkeit. Das zumindest behauptet der Gesundheitswissenschaftler und Bewegungstrainer Thomas Frankenbach.

"Unsere sportlichen Vorlieben sind Ausdruck unserer individuellen Eigenarten, unserer Stärken und Schwächen, manchmal auch unserer Sehnsüchte", so Frankenbach. Sein Credo: Erkenne dich selbst im Spiegel deines Sports!

"Ob Sie lieber joggen, surfen oder einen Teamsport treiben, hat seinen Hintergrund nicht zuletzt in Ihrer Persönlichkeit." Diese Auffassung begründet Frankenbach unter Berufung auf Sigmund Freuds Theorie der Triebsublimierung.

Sie besagt für den Sport vereinfacht: Statt seine kriselnde Ehe mit dem wenig erfüllenden Sexualleben durch eine Affäre aufs Spiel zu setzen, läuft der Familienvater dem privaten Frust einfach regelmäßig davon.

Auch Carl Gustav Jungs Theorie der Schatten zieht Frankenbach zur wissenschaftlichen Begründung heran. Im Sport lässt sich demnach auch prima die Seite ausleben, die man im übrigen Leben konsequent leugnet.

"Die Auseinandersetzung mit unserem Sportverhalten kann daher ein lohnender Weg der Selbsterkenntnis sein", so Frankenbach.

Ihr Nachbar behauptet, er gehe nur deshalb zum Golfen, weil er dort seine Geschäftspartner trifft? Das mag auch stimmen, denn eingelocht wird nicht nur der Ball auf dem Golfplatz, sondern meist auch manches Business im Clubhaus.

Vielleicht sucht der Nachbar aber in der ruhigen Weite des Golfplatzes auch Ausgleich zu seinem hektischen Berufsalltag? Als Sportler mit einem Schläger erhebt er Frankenbach zufolge zudem einen gewissen Machtanspruch.

Funsport sorgt für Hochgefühle

Außerdem hat er lange trainiert, um seinen Schläger zu beherrschen. Auf Schlagfertigkeit und Treffsicherheit kommt es ihm wahrscheinlich nicht nur im Sport an.

Wer gern segelt, weiß laut Frankenbach meist auch im privaten und beruflichen Leben zu verhindern, dass ihm der Wind aus den Segeln genommen wird, ist risikobereit und auf Schnelligkeit erpicht.

Das Segeln zählt der Gesundheitswissenschaftler zu den Funsportarten, denen er die Ausdauersportarten gegenüber stellt. Jeder Funsport hat Frankenbach zufolge euphorisierende Wirkung, erzeugt Hochgefühle. Das hat auch gesellschaftliche Dimensionen.

"Das zunehmende Interesse an Funsportarten entspricht der Entwicklung der westlichen Kulturen zu Spaß- und Genussgesellschaften", so Frankenbach.

Doch auch das weit verbreitete aber oft belächelte Laufen ist dem Sportanalytiker zufolge nicht nur ein Davonlaufen. Neben dem meditativen Element der gleichförmigen Bewegung hebt Frankenbach den Aspekt der Zielstrebigkeit und Beharrlichkeit am Laufen hervor.

Läufer nehmen dafür - im Gegensatz zu anderen Ausdauersportlern wie Schwimmern und Radfahrern - auch große (Gelenk-)Belastungen in Kauf. Frankenbach rät Läufern, von Zeit zu Zeit die Trainingsstrecke zu wechseln, um ausgetretene Pfade zu verlassen.

Frankenbach selbst gibt an, dass er Karate trainiert. Da gibt es zunächst nicht viel zu deuteln: Er ist ein Kämpfer.

Interessant ist aber, was er über die Verbreitung der Kampfsport- und Kampfkunstarten in Europa berichtet: Ihre Beliebtheit wuchs in den Jahren besonders, in denen Gewaltverzicht und Pazifismus als gesellschaftliche Werte reüssierten.

Egal welche Sportart - eines ist allen gemeinsam, die in Bewegung sind: Regelmäßiges Training lässt auf eine gewisse Selbstdisziplin schließen. "Darüber hinaus bekennen sich Sporttreibende zu moralischen Prinzipien", so Frankenbach. bei allen Sportarten müssen Regeln befolgt werden.

Thomas Frankenbach: Warum Läufer beharrlich sind und Surfer das Leben genießen. KOHA-Verlag Burgrain. 2012. ISBN 978-3867281836

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