Gedenkstätte für einen bemerkenswerten Japaner

Er hat das Deutschlandbild der Japaner entscheidend geprägt: Vor 150 Jahren wurde der Arzt Mori Ogai geboren, dem in Berlin eine Gedenkstätte gewidmet ist.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Stolz präsentiert Kronprinz Naruhito im Sommer 2011 ein Zimmer der Mori-Ogai-Gedenkstätte in Berlin.

Stolz präsentiert Kronprinz Naruhito im Sommer 2011 ein Zimmer der Mori-Ogai-Gedenkstätte in Berlin.

© Bilan / dpa

BERLIN. 1884 reist ein junger japanischer Arzt nach Deutschland, um von den führenden Medizinern seiner Zeit zu lernen. Vier Jahre wird er bleiben, vier Jahre, die sein Leben prägen und das Deutschlandbild in seiner Heimat verändern. Sein Name: Mori Ogai. Vor 150 Jahren wurde er geboren.

Mori Rintaro, das war sein richtiger Name, kommt am 17. Februar 1862 in dem südwestjapanischen Burgstädtchen Tsuwano zur Welt. Sein Vater ist fürstlicher Leibarzt, wie auch dessen Vater, der Lebensweg des erstgeborenen Sohnes ist also vorgezeichnet. In Tokio studiert Mori Rintaro Medizin und Literatur.

Zu seinen Lehrern zählen die deutschen Ärzte Leopold Müller und Erwin von Bälz, die an der medizinischen Fakultät der Uni Tokio Standards der westlichen Schulmedizin unterrichteten. 1881 schließt er sein Studium im Alter von 19 Jahren ab und beginnt eine Karriere als Militärarzt.

Als Regierungsstipendiat kam er 1884 nach Deutschland

1884 wird Mori Rintaro als Regierungsstipendiat nach Deutschland gesandt, um in Leipzig, Dresden, München und Berlin seine Kenntnisse in Hygiene und Heeressanitätswesen zu vertiefen. In München geht er bei Max von Pettenkofer in die Lehre, in Berlin ist er Schüler von Robert Koch.

Neben seinen bakteriologischen Studien beschäftigt er sich mit der europäischen Literatur, Musik, Kunst und Philosophie. Seine Beobachtungen und Reflexionen hält er in mehreren Büchern fest. "doitsu nikki" ("Deutsches Tagebuch") sowie seine drei "deutschen Novellen" haben in Rintaros Heimat großen Einfluss auf das Deutschlandbild der Zeit.

Berühmt wird seine Novelle "maihime" (in deutscher Übersetzung sowohl "Die Tänzerin" als auch "Das Ballettmädchen. Eine Berliner Novelle"), die eine tragische Liebesbeziehung zwischen einem jungen japanischen Studenten und einer deutschen Tänzerin beschreibt.

Wie jene trägt auch die Novelle "Utakata no ki" ("Wellenschaum"), die bis in unsere Tage japanische Touristen an den Starnberger See lockt, autobiografische Züge. Rintaro nennt sich nun Ogai, auf Deutsch "Möwenfern".

Ogai übersetzt Werke von Goethe, Schiller, Lessing und Heine

Heute gilt der Arzt und Dichter als einer der einflussreichsten Intellektuellen Japans zu Beginn der Moderne. Die 38-bändige Gesamtausgabe seiner Werke umfasst medizinische, historische, kulturkritische und literarische Arbeiten, darunter Dramen und Übersetzungen von Goethe, Schiller, Lessing, Heine, E.T.A. Hoffmann, Kleist, Ibsen und Strindberg.

Ogai übertrug als erster "Faust I" und "Faust II" ins Japanische. An seine Verdienste um die deutsch-japanische Kultur und Verständigung erinnert in Berlin die Mori-Ogai-Gedenkstätte, eine Einrichtung der Humboldt-Universität, die Mori Ogais Wirken fortsetzt. Im Sommer vergangenen Jahres besuchte der japanische Kronprinz Naruhito die Gedenkstätte seines berühmten Landsmannes in Berlin.

Nach seiner Rückkehr in die Heimat stieg Mori Ogai rasch zum ranghöchsten Arzt des japanischen Heeres auf. Im Russisch-Japanischen Krieg von 1904 bis 1905 diente er erneut in der Mandschurei, wo er mit einer Erkrankung zu tun bekam, die als Beriberi (oder Beri-Beri) bekannt ist und an der damals Zehntausende japanischer Soldaten starben.

Von der deutschen Kultur beeinflusst

Die Ursache von Beriberi war zu jener Zeit unklar. Während Ogai seinem deutschen Lehrmeister Robert Koch folgen von einer Infektion ausging, führten andere Ärzte, allen voran der japanische Marinearzt Kanehiro Takaki, die Krankheit auf eine spezielle Mangelernährung zurück, eine Hypothese, die später durch die Forschungsarbeiten des niederländischen Arztes Christiaan Eijkman gestützt wurden, der als Ursache von Beriberi einen Mangel an Thiamin (Vitamin B1) identifizierte, wofür er 1929 den Medizinnobelpreis erhielt.

Dieses eine Mal endete Mori Ogais Orientierung an die deutsche Medizin tragisch, denn bei einer zügigen Umstellung der militärischen Ernährung hätte womöglich der Tod von Zehntausenden Japanern verhindert werden können.

Nach seinem Abschied vom Militär diente Mori Ogai von 1917 an bis zu seinem Tod als Generaldirektor der Kaiserlichen Bibliotheken und Museen. Wie sehr ihn die deutsche Kultur weiterhin beeinflusste, mag die Tatsache illustrieren, dass er seinen Kindern deutsch klingende Namen. Mori Oto (Otto) wurde Arzt, Mori Mari (Marie) Schriftstellerin.

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