20 Jahre Donum Vitae

Hilfe für Schwangere gegen beinharten Widerstand

Einige konservative Bischöfe wollten vor 20 Jahren den Rückzug katholischer Stellen aus der Schwangeren-Konfliktberatung erzwingen. Doch sie unterschätzten das Engagement einzelner Katholiken.

Von Christoph Driessen Veröffentlicht:
Klingelschild der ersten Beratungsstelle von Donum Vitae im saarländischen Homburg Anfang Mai 2000.

Klingelschild der ersten Beratungsstelle von Donum Vitae im saarländischen Homburg Anfang Mai 2000.

© Werner Baum / dpa / picture-alli

Bonn. Ein „Geschenk des Todes“ nannte Erzbischof Johannes Dyba vor 20 Jahren den Laienverein Donum Vitae. Es bestehe kein Bedarf an „zwielichtigen Beratungsstellen“. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner wetterte, Donum Vitae dürfe sich „nicht katholisch nennen“ und gefährde die Einheit der Kirche.

Am 5. Mai ist es genau 20 Jahre hergewesen, seit in Homburg im Saarland die erste Schwangeren-Konfliktberatung von Donum Vitae eröffnete. Im Jahr zuvor hatte Papst Johannes Paul II. den Rückzug der katholischen Kirche in Deutschland aus dem staatlichen Beratungssystem erzwungen.

Mitschuldig an Tötung von Leben?

Eine Schwangerschaftskonfliktberatung ist in Deutschland erforderlich, um eine Abtreibung straffrei ausführen zu können. Als Nachweis für die Beratung wird eine Bescheinigung ausgestellt. Damit machten sich katholische Stellen in den Augen des Papstes mitschuldig an der „Tötung ungeborenen Lebens“.

Erzkonservative wie Meisner hatten den Papst zuvor entsprechend bearbeitet. Die große Mehrheit der deutschen Bischöfe wollte dagegen im staatlichen Beratungssystem bleiben. Der damalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, bezeichnete den aus Rom diktierten Rückzug als seine größte Niederlage. „Wir werden dem Papst Folge leisten“, so Lehmann. Die Kirche werde aber nicht aus der Beratung aussteigen, sondern sie im Gegenteil verstärken, erklärte er.

Allerdings blieb es eben nicht dabei. Noch im selben Jahr 1999 gründeten deutsche Katholiken den Verband Donum Vitae – „Geschenk des Lebens“. Unter ihnen waren viele katholische Politiker quer durch das Parteienspektrum, Norbert Blüm, Rita Süssmuth (beide CDU), Winfried Kretschmann (Grüne), Wolfgang Thierse und Hans-Jochen Vogel (beide SPD).

Eine weitere Beteiligte war die spätere Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). „Damals gab es großen Streit und heftiges Ringen“, erinnert sich die 64-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. „Katholische Christen gingen eigene Wege. Daraus ist ein Netzwerk für den Schutz des Lebens und die Begleitung in ausweglos scheinenden Situationen entstanden.“

Über 200 Beratungsstellen

Donum Vitae wird heute zu 80 Prozent vom Staat finanziert, ebenso wie andere Beratungsstellen. Der Rest muss durch Spenden aufgebracht werden. An bundesweit mehr als 200 Orten ist der in Bonn ansässige Verband mit Beratungsstellen präsent. Im Vorjahr leistete er allein 16.000 Konfliktberatungen.

Alle vom Staat anerkannten Beratungsstellen sind verpflichtet, zwar „ergebnisoffen“, aber „zum Leben hin“ zu beraten. „Wir wollen helfen, eine möglichst reflektierte Entscheidung zu treffen“, sagt der Bundesvorsitzende Olaf Tyllack.

Was unterscheidet Donum Vitae nun von anderen Beratungsstellen? Das sei die „ganz klare Verwurzelung im christlichen Menschenbild“, sagt Tyllack. „Daraus folgt nach unserer Einschätzung eine besondere innere Anteilnahme und Motivation zu helfen.“ Dies sei einer der Gründe dafür, warum Ärzte Frauen zu Donum Vitae überweisen würden.

Für die Schwangeren und das Kind

Tyllack, der beruflich als Rechtsanwalt in München arbeitet, verwendet hier das Bild der „doppelten Anwaltschaft“: Die Beraterinnen seien einerseits ganz für die Schwangere da, versuchten aber andererseits auch, dem ungeborenen Leben eine Stimme zu geben.

Die Werte, denen sich Donum Vitae verpflichtet fühlt, seien heute die gleichen wie vor 20 Jahren – aber sonst habe sich viel verändert. Die Frage der Konfession sei immer mehr in den Hintergrund gerückt.

„Es kommen zum Beispiel mittlerweile auch viele muslimische Frauen“, berichtet Tyllack. „Ihnen ist vermutlich wichtig, dass da eine bestimmte Werteorientierung ist.“

Verändert habe sich auch die Stellung von Donum Vitae in der öffentlichen Wahrnehmung. „Am Anfang waren wir ein kleiner Verein, der nicht wusste, ob er überleben würde, und heute sind wir doch führend mit dabei“, bilanziert Tyllack. „Wir sind auch ein klarer Ansprechpartner für die Politik in ethischen Fragen. Unsere Stimme wird gehört.“ (dpa)

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