Gesundheitliche Folgen

IPPNW kritisiert Abschiebepraxis bei Flüchtlingen harsch

Der Ärzteverband IPPNW geht davon aus, dass einige Mediziner für Behörden „Gefälligkeitsgutachten“ ausstellen, damit auch Asylsuchende mit gesundheitlichen Problemen abgeschoben werden können. Besonders die Posttraumatische Belastungsstörung müsse aber als Hinderungsgrund von Behörden anerkannt werden.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Polizeibeamte begleiten einen Afghanen in Handfesseln auf dem Flughafen Leipzig-Halle in ein Charterflugzeug.

Polizeibeamte begleiten einen Afghanen in Handfesseln auf dem Flughafen Leipzig-Halle in ein Charterflugzeug.

© Michael Kappeler/dpa

Berlin. „Im Asylverfahren spielen Erkrankungen keine Rolle“, kritisierte Dr. Gisela Penteker, Allgemeinärztin und Mitglied im Vorstand des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen, bei der Vorstellung des IPPNW-Reports zu den „Gesundheitlichen Folgen von Abschiebungen“. Das gleiche Manko existiere auch bei der Flugtauglichkeitsprüfung, die vor der Rückführung erfolgt – „wenn überhaupt“.

In Deutschland gebe bis auf wenige Ausnahmen bei Geflüchteten keine standardisierte und garantierte Erfassung von erlebten Traumata und psychischen Störungen. Dabei schreibe das eine EU-Richtlinie vor.

Selbst Krankenhauspatienten würden abgeschoben

„Und wenn einer das Glück hat, von einem Arzt oder einem Psychotherapeuten eine Diagnostik zu erhalten, wird sie nicht beachtet oder in Frage gestellt“, berichtete Ernst-Ludwig Iskenius, ehemals ärztlicher Leiter eines Behandlungszentrums für traumatisierte Flüchtlinge in Villingen-Schwenningen.

Weil seit dem Asylpakt II die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nicht mehr als schwere Erkrankung angesehen werde, führe dies dazu, dass sogar „Menschen aus stationärer Behandlung abgeschoben werden“, so Penteker.

„Abschiebungen sind Gewalthandlungen und werden von den Menschen auch so empfunden“, sagte Iskenius. Bei Flüchtlingen führe sie zu Traumatisierungen, bei Menschen mit vorhandener PBTS zur Retraumatisierung.

Obwohl die Ärztekammern seit Jahren für eine humane Abschiebepraxis eintreten und bei den Flugtauglichkeitsuntersuchungen hohe berufsethische Standards ansetzen, die somatische und psychische Hindernisse berücksichtigen, gibt es dennoch Probleme mit Gefälligkeitsgutachten vor Abschiebungen.

Bei den Behörden habe sich die „Unsitte verbreitet, sich einen Stamm von Ärzten zu halten, der nicht nur schnelle und unkomplizierte Gutachten macht, sondern das Geschäft auch auf Reisebegleitung ausgedehnt hat“, heißt es in dem IPPNW-Report.

Schwarze Schafe von den Kammern nur schwer zu identifizieren

Diese „fahrenden Gesellen“, die gegen Sorgfaltspflichten verstoßen, seien für die Ärztekammern schwer zu fassen. Herauszufinden, wer diese Ärzte seien, sei schwer, sie würden von den Behörden abgeschottet, sagten Iskenius und Penteker.

In dem Report fordert die Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW) unter anderem, schwere, besonders psychische Erkrankungen wie PTBS und Traumafolgestörungen in jedem Verfahren zu berücksichtigen und jederzeit einbringen zu können.

Gutachten dürften nur von Fachleuten angefertigt werden, die nach verbindlichen wissenschaftlichen und staatlich geprüften Standards ausgebildet, qualifiziert und zertifiziert sind. Nächtliche Abschiebungen sowie solche von Kindern und Jugendlichen dürften nicht erfolgen.

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

© Aleksandr | colourbox.de

Fatal verkannt

Vitamin-B12-Mangel frühzeitig behandeln!

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

© polkadot - stock.adobe.com

Vitamin-B12-Mangel

Aktuelle Empfehlungen für die Praxis

B12-Mangel durch PPI & Metformin

© Pixel-Shot - stock.adobe.com

Achtung Vitamin-Falle

B12-Mangel durch PPI & Metformin

Stigmatisierung von Depressionen

© Getty Images/iStockphoto

Häufige Vorurteile

Stigmatisierung von Depressionen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen