Studie

Kranke Mitmenschen auf einen Blick erkannt

Einige Hunde erschnüffeln Diabetes, Ratten können Tuberkulose riechen. Dieses Phänomen gibt es auch bei Menschen – sie erkennen Kranke auf Fotos.

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Wer könnte von diesen Personen krank sein? Manche Menschen können das schon auf einem Foto erkennen.

Wer könnte von diesen Personen krank sein? Manche Menschen können das schon auf einem Foto erkennen.

© Giuseppe Porzani / stock.adobe.com

STOCKHOLM. Menschen können oft schon auf einem Foto erkennen, ob der Abgebildete krank ist. Das fanden Forscher vom Karolinska-Institut in Stockholm heraus. Das Team um den Neurowissenschaftler und Schlafforscher John Axelsson injizierte Probanden ein Colibakterium, das eine Entzündungsreaktion hervorrief. Eine Kontrollgruppe bekam Placebo gespritzt. Zwei Stunden nach der Injektion wurden Fotos von den Testpersonen gemacht. Eine weitere Probandengruppe hatte daraufhin wenige Sekunden Zeit, um zu beantworten, ob die Abgebildeten krank oder gesund sind. Tatsächlich erkannten die Testpersonen 81 Prozent der Erkrankten, was der Studie zufolge gegen Zufallstreffer spricht.

Doch die Forscher interessierte auch, welche Hinweise aus den Fotos genau zu den Diagnosen führten. In einer zweiten Sichtungsrunde wurden daher bestimmte Krankheitsmerkmale, die sich im Gesicht ablesen lassen, abgefragt. Dazu gehörten blasse Lippen, bleiche Gesichtsfarbe, fleckige oder glänzende Haut, hängende Mundwinkel, Schwellungen oder rote Augen. Mit Ausnahme der fleckigen oder glänzenden Haut waren alle diese Merkmale Faktoren, um eine kranke Person zu erkennen.

 Die Ergebnisse sind im Fachblatt "Proceedings B" der britischen Royal Society veröffentlicht. Für die Wissenschaftler gibt ihre Studie Hinweise darauf, wie die Probanden kranke Menschen erkennen konnten. Gerade mit Blick auf ansteckende Krankheiten wäre diese Fähigkeit ein enormer biologischer Vorteil. Doch die Forscher weisen auch darauf hin, dass diese rein visuelle Analyse fehleranfällig sein kann. So könnten traurige oder müde Gesichter im Zweifelsfall auch krank wirken. Tatsächlich deckt sich diese Theorie mit anderen Studien, die ergeben haben, dass müde Menschen öfter sozial gemieden werden. Auch die häufige Stigmatisierung sichtbarer Behinderungen folge aus übermäßigen Krankheitsvermeidungsmechanismen, wie die Autoren der Studie schreiben.

Nichtsdestotrotz gebe ihre Arbeit Anstöße, weiter zu erforschen, wie kranke Mitmenschen erkannt werden. So sei zu vermuten, dass dies besser gelinge, wenn zum Beispiel auch Körpergerüche oder Bewegungen beobachtet werden können. Zudem wäre zu prüfen, ob man diese Fähigkeit auch üben kann. Die Autoren schließen: "Künftige Studien sollten untersuchen, inwiefern sich Gesichtsausdrücke, die eine Krankheit bedeuten, mit denen grundlegender menschlicher Emotionen wie Sorge oder Angst überschneiden und wie schnell Menschen bei ihren Mitmenschen nach Anzeichen von Krankheiten suchen."(dpa)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 08.01.201811:32 Uhr

Sensitivität 52% und Spezifität 70% bei Identifikation von Krankheit auf Fotos kein Ruhmesblatt

Denn dies bedeutet 30% bis 48% irreführende Fehldiagnosen über den allgemeinen Krankheits- oder Gesundheitszustand o h n e jegliche Hinweise auf mögliche Ursachen! Von den positiven Erkennungen waren 775 richtig und 440 falsch positiv.
["Of these positive detections, 775 were true hits and 440 were false alarms, giving a sensitivity and a specificity for identifying sickness from photos of 52% and 70%"]

Bei der Publikation:
"Identification of acutely sick people and facial cues of sickness" von
John Axelsson et al.
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/285/1870/20172430
handelt es sich wie so häufig um eine Überinterpretation der Ergebnisse.

Eine der Ergebnisaussagen dieser Studie lautet zwar: "the raters could correctly discriminate 13 out of 16 individuals (81%) as being sick better than chance (the lower 95% CI range being above 0.5)". Aber das ist nur der Griff in die statistische Trickkiste. Denn die Basis-Trefferquote bei binären Ja/Nein-Alternativen beträgt sowieso schon 50 Prozent. Somit kommt nur eine zusätzliche Trefferquote von 31 Prozent und nicht eine von 81% in Betracht.

Weitere Einzelheiten der Publikation:
"Material and Methods - Subjects received either an injection of LPS (Escherichia coli endotoxin, Lot HOK354, CAT number 1235503, United States Pharmacopeia, Rockville, MD, USA) at a dose of 2 ng kg-1 of body weight, or of placebo (0.9% NaCl) on two different occasions, separated by three to four weeks. LPS injection causes a transient and distinct systematic inflammatory response and sickness behaviour"...

"Detection of acutely sick individuals - The 62 raters gave 2945 ratings of sickness for the 32 different facial photos, of which 1215 (41%) were judged as being sick. Of these positive detections, 775 were true hits and 440 were false alarms, giving a sensitivity and a specificity for identifying sickness from photos of 52% and 70%, respectively; the global sensitivity index being d' = 0.405. Signal detection analysis (ROC curve area) showed an area of 0.62 (95% CIs 0.60–0.63; 1.0 being a perfect discrimination and 0.5 being random). In addition, the raters could correctly discriminate 13 out of 16 individuals (81%) as being sick better than chance (the lower 95% CI range being above 0.5). These results demonstrate that untrained people can, above chance level, identify acutely sick individuals from merely observing a photo for a few seconds."

Dass diese Publikation eher mit manchen früher gerne „gefakten“ vorher/nachher Fotos der Kosmetikindustrie oder plastischer Chirurgie vergleichbar ist, erkennt man unschwer an einem vergleichenden Beispiel-Foto unter
http://rspb.royalsocietypublishing.org/content/royprsb/285/1870/20172430/F3.large.jpg

Jede/r Leser/in und auch die Redaktion der Ärzte Zeitung können sich dabei davon überzeugen, dass spezifische Unterschiede zwischen Krankheits- und Gesundheits-Physiognomie hier kaum nachzuweisen sind. M. E. gehört diese Publikation in den Bereich „Fake-News“.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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